# taz.de -- Die Domina gibt Auskunft: Genussvoll devot sein | |
> Lady Velvet Steel denkt über problematische Männlichkeit und eine sexuell | |
> sprachlose Gesellschaft nach. | |
Bild: Die Domina Lady Velvet Steel in Arbeitsuniform: Manchmal mit großem Verg… | |
Sie arbeiten als Domina: Wie sind Sie zu Lady Velvet Steel geworden? | |
Fabienne Freymadl: Wie viele andere Sexarbeiterinnen auch: ich war jung und | |
brauchte das Geld. SM ist zwar Teil meiner persönlichen Sexualität, aber | |
ich habe nie darüber nachgedacht, das zu professionalisieren. | |
Davor war ich selbständig als Pyrotechnikerin und Feuerkünstlerin. Das lief | |
auch ganz gut – bis zum Weihnachtsgeschäft, danach kam das grosse Loch, | |
Januar bis März, April: Niemand braucht eine Feuershow, da sind keine | |
Hochzeiten draussen. | |
Also meldete ich mich auf eine dieser blöden Anzeigen: „Mit Chatten | |
unglaublich viel Geld verdienen“. Mit Dildo vor einer Kamera rumspielen ist | |
nicht mein Ding, aber sie suchten eine Domina. | |
Wie sind Sie unabhängig geblieben? | |
Dass die Betreiber ziemlich viel Provision für Ihre „Dienstleistung“ – a… | |
Arbeitsplatz, Technik, Profilpflege und Buchhaltung – wollen, passte mir | |
bald nicht mehr. Also kaufte ich mir eine Webcam, leuchtete mein Zimmer | |
aus, hatte plötzlich schnelleres Internet. | |
Und: mir schrieb keiner mehr vor, wann ich arbeiten sollte. Unterdessen | |
habe ich mich in einem Studio eingemietet, das ich stundenweise nutze. Denn | |
virtueller SM genügte mir irgendwann nicht mehr: Wenn ich in | |
SM-Rollenspielen von Strafe sprach, was sollte ich dann tun – den Chat | |
beenden? | |
Warum provoziert Ihr Beruf so sehr? | |
Sexualität ist in unserer Gesellschaft immer noch ein grosses Tabu – trotz | |
der sexuellen Revolution. Sex ist zwar wahnsinnig präsent und auch der | |
Kapitalismus weiss ihn für sich zu nutzen. Tatsächlich geredet aber, über | |
Lustempfinden zum Beispiel, wird immer noch viel zuwenig. | |
Käuflicher Sex wird als Bedrohung für die bürgerliche Familie | |
wahrgenommen.Aus Sicht vieler Feministinnen nutzen wir Beziehungsstrukturen | |
aus. Weil wir Sexualität nach Bedarf anbieten, würden wir das | |
Geschlechterverhältnis zementieren. | |
Wie sehen Sie das? | |
Anders – es gibt ganz viele verschiedene Formen von Sexarbeit und ganz viel | |
Sexarbeit, die nicht gesehen wird, weil sie nicht ins Bild passt. Männliche | |
oder queere Prostitution etwa wird oft ausgeblendet, weil die | |
Genderkonzepte da über Bord geworfen werden. | |
Stimmt das gängige Klischee, dass vor allem Manager Dominas besuchen? | |
Das dachte ich auch, aber tatsächlich ist das fast gar nicht so. Zu mir | |
kommen auch Managertypen, aber genauso auch Bauerarbeiter, kleine | |
Angestellte: Alle. Vielmehr bekomme ich zu spüren, dass in unserer | |
Gesellschaft die männliche Sozialisierung meistens über Stärke und | |
emotionale Distanz funktioniert. | |
Das hat weniger mit dem Job zu tun, sondern ist ein Genderproblem, das wir | |
in unserer Gesellschaft geschaffen haben. Devot sein ist für viele ein | |
Ausweg, weil man zum Genuss gezwungen wird. | |
Wie vermeiden Sie, dass sich Kunden selbst überschätzen? | |
Mit ausführlichen Vorgesprächen. Selbstüberschätzung erlebe ich oft. Viele | |
haben ihre SM-Vorstellung aus Pornos: Sieht geil aus, tut einem selber | |
nicht weh. Sobald sie selbst in einer Zwangsjacke stecken, merken sie: Oh, | |
das tut tatsächlich weh. | |
Sobald es zur Sache geht, merkt man schnell ob jemand dem gewachsen ist, | |
was er sich gewünscht hat. Je mehr jemand behauptet, er sei tabulos, umso | |
weniger glaube ich ihm. Jeder hat Tabus. | |
Was passiert während der Arbeit mit Ihnen? | |
Ich ziehe tatsächlich ein grosses persönliches Vergnügen aus meiner Arbeit | |
– wenn die Chemie stimmt. Natürlich habe ich auch ab und zu blöde Sessions | |
oder schlicht langweilige Fantasien. Dann ist das eben eine Stunde | |
Dienstleistung – so verdiene ich nun mal mein Geld. | |
Was zählt für Sexarbeiterinnen? | |
Dekriminialisierung und Entstigmatisierung. Wir brauchen mehr Rechte und | |
Anerkennung. Um die Stigmatisierung gesellschaftlich abzubauen, brauchen | |
wir ein politisches Signal. | |
Etwa dass die Sondergesetze wie die Sperrgebietsverordnung unserer Branche | |
abgeschafft werden. Immerhin bekommen wir unterdessen in der Politik | |
Gesprächstermine. | |
Was zählt für Sie persönlich? | |
So abgedroschen das klingt: Dass wir einen Weg finden mit unserer Umwelt im | |
Einklang zu leben. | |
In mir schlägt ein Hippie-Herz, ich glaube fest daran, dass wir unsere | |
Ressourcen auf diesem Planeten sinnvoll verteilen können, so dass wir uns | |
nicht ausbeuten müssen und alle gleichberechtigt ihren Interessen und | |
Freuden nachgehen können. | |
Das Gespräch führte Gina Bucher. | |
6 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Gina Bucher | |
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