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# taz.de -- sz.de-Chef Plöchinger über Bezahlmodelle: Rettet den Schlagzeilen…
> taz und Süddeutsche experimentieren, um zu überleben. Ob Bezahlmodell auf
> sz.de oder Abo-Spende für taz.de: Vielfalt und Qualität kosten.
Bild: Sie zahlen nur, was Sie wollen.
Als Münchner Vorortkind der 1980er Jahre, Kategorie
kritisch-aufgeklärt-weltoffen, zumindest Möchtegern, erinnere ich mich
immer gern an Momente jugendlichen Aufbegehrens. Szenen, in denen die
geschützte Abiturientenwelt in Rebellenrouge getaucht wurde: Der erste
Sticker „Frei statt Bayern” im Schülervertretungsraum. Nacktbilder als
Provokation in der Abschlusszeitung. Illegale Tunnelpartys am Autobahnring;
Technoringelpiez mit der Polizei.
Und dann, als Erstsemester-Journalistenschüler, die frisch entdeckte
CSU-Spöttelei der taz. Zum Oktoberfest 1997 schlagzeilte sie:
„Massenintoxikation in München. Heute beginnt auf der Theresienwiese der
bayerischen Hauptstadt der weltweit größte Rauschmittelexzess. Polizei
rechnet mit Toten und Schwerstverletzten. Rotes Kreuz errichtet
Ausnüchterungszellen direkt auf dem Festplatz.” Wiesn-Zynismus, sprachlich
gekleidet in die Drogenhysterie der Stoiber-Partei. Großer Witz, gerade für
bayerische Bayern-Kritiker. An dem Tag abonnierte ich die taz. Mein erstes
Abo – neben der SZ.
## Ein sanftes Bezahlmodell
Ich denke an diese 18 Jahre alte Titelseite, weil mich beruflich gerade die
Frage umtreibt, was Menschen heute noch dazu bringt, Zeitungen zu
abonnieren – egal ob gedruckt oder in digitalen Medien. In wenigen Wochen
wird die Süddeutsche Zeitung, die ich als Münchner Vorortkind natürlich
noch lieber mag als die taz, ein sanftes Bezahlmodell einführen für ihre
Internetseite [1][sz.de], deren Chef ich bin.
Für die SZ wird das ein riskantes Experiment, weil in Deutschland kaum
jemand Vergleichbares versucht. Niemand weiß, wie viele ein Nichtbillig-Abo
im Netz bezahlen werden und wie viele sich sagen werden: Servus, SZ!
Inzwischen bin ich mir aber sicher, dass die gleiche Logik, die mich damals
zum taz-Abo gebracht hat, auch in der digitalen Ära und auch für uns
funktionieren dürfte. Wobei wir die superlustigen Schlagzeilen weiter der
taz überlassen.
## Die Erlöse stagnieren
Die taz hat infolge von Anzeigennöten früh gelernt, dass sie nur mithilfe
ihrer LeserInnen überleben kann. Heute haben viele gedruckte Zeitungen
Anzeigennöte, und bei wem noch Auflagennot dazukommt, der hat
Existenzängste wie die taz in ihren ärgsten Zeiten. Die digitalen Medien
boomen dagegen. Dort kriegen LeserInnen allerdings kostenlos, was sie
bisher im Gedruckten bezahlen mussten. Und leider bringen Anzeigen im
Internet viel weniger Umsatz als einst in Print; die Erlöse stagnieren.
Die ChefredakteurInnen aller Online-Seiten bemerken das, aber die wenigsten
versuchen, was die gedruckte taz schon lange weiß: Wir müssen um die
Unterstützung der Menschen werben, die unseren Journalismus lieben, und mit
ihnen an der Finanzierung dieses Journalismus in der digitalen Welt
arbeiten. Bei der taz ist es vielleicht ein Schlagzeilenwitz, der Leser zum
Abonnieren bringt, bei der SZ anderes – am Ende müssen wir genau das sein:
Zeitungen unserer jeweiligen LeserInnen. Dann ist die Chance groß, in der
digitalen Welt sowohl einen sicheren Platz als auch zu einer neuen
Unabhängigkeit zu finden.
## Das Geld aus dem Gedruckten reicht nicht
Die taz bittet ihre Nutzer im Netz jetzt sinngemäß um eine Spende – statt
ein volles Bezahlmodell einzuführen wie wir: 5 Euro für Journalismus, der
nun mal einiges kostet und im Grunde noch mehr kosten sollte, weil
Journalisten kaum genug verdienen.
Wieso? Weil das Geld aus dem Gedruckten dann irgendwann einfach nicht mehr
reichen würde, weil die taz dann wirklich sterben könnte, was eine Schande
für die Pressevielfalt wäre – und um das zu sagen, muss man diese Zeitung
nicht mal lieben. Aber genug des Defätismus. Wunderbar ist, dass die taz
wie wir in einen Experimentiermodus geschaltet hat. Statt wie mancher in
der Medienbranche bloß zu lamentieren, weil sich viele Menschen heute auf
anderen Plattformen informieren als auf bedrucktem Papier, versucht man
halt was Neues und schaut, wie weit die Idee trägt. Falls sie weit trägt:
wunderbar. Falls nicht, denkt man noch mal nach. In solchen Experimenten
findet sich, glaube ich, irgendwann eine Lösung für die Finanzierungsnöte.
Die taz hat da zum Glück Übung.
Als Journalistenanfänger der frühen nuller Jahre habe ich mit einigem Glück
eine Serie von zwei, drei Medienkrisen im Job überlebt. Meine Generation
hat die ganze Zerbrechlichkeit der demokratischen Institution Journalismus
vorgeführt bekommen. Der Kampf für ihren Erhalt ist unsere entsprechende
Aufgabe, und sie ist eben auch die Aufgabe von LeserInnen.
## LeserInnen helfen Medien
In einer Zeit, in der „Lügenpresse” zum Unwort des Jahres taugt und
Verschwörungstheorien um angebliche Systemmedien sowohl
Kommunikationskanäle als auch Hirne verstopfen, sollten beide Seiten
innehalten. Wir Journalisten, weil wir uns unserer Rolle im digitalen
Informationssystem neu bewusst werden müssen: Wofür schätzen LeserInnen
unsere jeweiligen Zeitungen, wenn nun unendlich viele Medien
nebeneinanderstehen und durcheinanderpublizieren; wie werden wir den
jeweiligen Erwartungen an unabhängigen Journalismus gerecht? Und mündige
LeserInnen müssen sich fragen: Wie können wir jenen Medien helfen, die wir
wirklich schätzen? So sichern beide die Vielfalt, die eine Demokratie
braucht.
Vielfalt kostet. Übrigens deutlich weniger als ein täglicher Coffee to go –
selbst wenn man taz und SZ zusammen abonniert, und das nicht nur zu
Münchner Preisen.
STEFAN PLÖCHINGER
10 Mar 2015
## LINKS
[1] http://www.sz.de
## AUTOREN
Stefan Plöchinger
## TAGS
Schwerpunkt Freiwilliges Bezahlen
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