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# taz.de -- Kann Journalismus im Netz kostenlos bleiben? : Auf der Suche nach e…
> Wenn man keine Bezahlschranke will und keine Zwangsabgabe wie bei
> öffentlich-rechtlichen Angeboten, kann nur ein freiwilliges Abo die
> Lösung sein.
Bild: PIN Pad betriebsbereit. Wir auch.
Lesen Sie diesen Text auf taz.de, mobil auf einem Smartphone, digital als
E-Paper auf einem Tablet oder gedruckt auf Papier? Kein Problem, jede
dieser Möglichkeiten hat ihre eigenen Vorzüge, jede hat aber auch ihre
Nachteile.
Texte im Internet können Sie zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt und
meistens sogar kostenlos lesen, nur verdienen die Verlage damit nicht genug
Geld, mit dem sie ihre Redaktionen finanzieren könnten. Die gedruckte
Zeitung war über Generationen nicht nur Träger des freien Wortes, sondern
konnte ihre Teilhaber, Verleger und Journalisten wirtschaftlich gut
ernähren. Dieses Gefüge befindet sich mit der Durchsetzung des Internets in
Schräglage.
## Epochaler Umbruch
Das Geschäftsmodell der gedruckten Zeitung funktioniert nicht mehr, der
digitale Verbreitungsweg von Journalismus hat wirtschaftlich noch kein
Geschäftsmodell gefunden. In der deutschen Presselandschaft lässt sich der
epochale Umbruch besonders gut am Beispiel des Axel Springer Verlages
deutlich machen. Der Konzern hat im Jahr 2014 für fast eine Milliarde Euro
seine regionalen Tageszeitungen Berliner Morgenpost und Hamburger
Abendblatt, samt Anzeigenblättern und Programm- und Frauenzeitschriften an
die Funke Mediengruppe (ehemals WAZ) verkauft.
Behalten hat Springer die Bild-Zeitung, obwohl das Boulevardblatt noch mehr
als die Abonnement-Zeitungen an dem veränderten Mediennutzungsverhalten
leidet. Die an den Kiosken verkaufte Auflage von Bild, Deutschlands größter
Tageszeitung, hat sich in den zehn Jahren vom vierten Quartal 2004 bis zum
vierten Quartal 2014 um immerhin 46,8 Prozent nahezu halbiert, von
3.694.641 auf 1.964.821 Exemplare täglich. Das Bild im öffentlichen Raum,
in Cafés, Bussen und Bahnen wird heute von den mobilen digitalen Geräten
dominiert und nicht mehr von der Zeitung. Der Pressehandel spürt das
veränderte Leseverhalten unmittelbar in seinen Kassen.
## Kontinuierlicher Rückgang
Die Abonnement-Zeitungen sind vom Auflagenverfall weniger betroffen. Für
einen stabilen Abonnentenstamm wäre es notwendig, den regelmäßigen Abgang
von Abos durch neue zu ersetzen. Das gelingt heute keiner Tageszeitung
mehr. Der Zehnjahresvergleich unter den überregionalen Tageszeitungen zeigt
sogar mit Einbeziehung der digitalen E-Paper-Abos einen deutlichen und vor
allem kontinuierlichen Rückgang: Die Frankfurter Allgemeine verliert 18,6
Prozent (entspricht 48.449 Exemplaren), Marktführer Süddeutsche Zeitung
13,6 Prozent (42.988) und auch die taz verzeichnet einen Rückgang von 12,5
Prozent (6.038) ihrer gedruckten und digitalen Abonnements.
Als die ersten Verlage Mitte der 1990er Jahre damit anfingen, redaktionelle
Inhalte im Internet zu publizieren, war damit vor allem die Erwartung
verbunden, dass die unendlichen Reichweiten im weltweiten Netz auch die
bisherigen Grenzen des Anzeigengeschäfts der Zeitungen ins Unendliche
erweitern würden. Das war ein Irrtum, die Werbung nahm andere Wege. Wenn
tragfähige Geschäftsmodelle für das Internet fehlen, dann stellt sich mit
jedem Jahr, in dem sich dieser Trend fortsetzt, immer drängender die Frage,
wie lange überhaupt noch eine privatwirtschaftliche Finanzierung von
aufwendigem und teurem Qualitätsjournalismus möglich sein wird.
Journalistische Inhalte im Internet hinter Bezahlschranken zu verkaufen
wird nicht funktionieren, solange einen Klick weiter auf
öffentlich-rechtlichen Plattformen ein ähnlich attraktives Programm
kostenlos angeboten wird. Bezahlschranken eignen sich nur für sehr
spezielle, exklusive Angebote, aber nicht für einen Politik-, Kultur- oder
Gesellschaftsjournalismus, der ja auch immer an der großen und
weitreichenden Debatte mit gesellschaftlicher Relevanz interessiert sein
sollte.
## Eine Frage der Abhängigkeit
Der Weg muss ein anderer sein. Zu den im Grundgesetz verankerten
Grundrechten gehören „die Pressefreiheit und die Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film”. Das öffentlich-rechtliche
System wird mit Gebühren finanziert, weil ein von Politik und Wirtschaft
unabhängiger Journalismus eine tragende Säule der demokratischen
Gesellschaft ist. Nun kann man mit gutem Recht fragen, wie sehr das
öffentlich-rechtliche System tatsächlich von der Politik und wie sehr die
private Presse von der Wirtschaft unabhängig ist. Mit dieser Frage landet
man auch sehr schnell bei der taz.
Die taz ist in der deutschen Presselandschaft ein Sonderfall. Bei ihr hat
die Finanzierung durch die Werbung nie eine herausragende Rolle gespielt.
Dafür gibt es viele Gründe, neben ihrer publizistischen Positionierung als
unabhängiges, kritisches, linksalternatives Medium am ehesten die Tatsache,
dass bei ihrem ersten Erscheinen 1979 der Zeitungsmarkt schon fest
aufgeteilt war.
Die taz hat aus dieser Not eine Tugend gemacht und ihre Abhängigkeit von
LeserInnen und nicht von Anzeigenkunden als Kern ihres Geschäftsmodells
sehr gepflegt und mit der taz-Genossenschaft Anfang der 1990er Jahre die
LeserInnen sogar als Mitunternehmer ins Boot genommen. Die freie Presse,
und das ist nicht nur die taz, erfüllt keine anderen Aufgaben als die
öffentlich-rechtlichen Sender, genießt aber nicht deren Privilegien. Sie
kann im Internet nicht einmal die steuerlichen Begünstigungen in Anspruch
nehmen, die ihr bei ihren Printpublikationen zustehen. Für die Erlöse aus
digitalen Publikationen müssen die Verlage 19 Prozent Mehrwertsteuer an das
Finanzamt abführen, bei gedruckten Publikationen sind es lediglich 7
Prozent.
## Steuerliche Privilegien
Die freie Presse sollte nicht mit Zwangsabgaben wie das
öffentlich-rechtliche System finanziert werden, schließlich heißt freie
Presse auch, dass jeder selbst entscheiden können muss, ob er eine freie
Presse finanzieren will oder nicht. Beiträge zum Erhalt der freien Presse
im Internet müssten aber ebenso das steuerliche Privileg genießen, das
gemeinnützige Körperschaften etwa bei der Tierzucht oder der
Brauchtumspflege erhalten.
Die taz wurde 1978 aus Unzufriedenheit mit der etablierten Presse
gegründet, als Plattform für einen anderen Journalismus. Eine taz heute
würde nicht mehr als Zeitung, sondern als Internetprojekt gegründet werden.
Aber genau wie damals müsste man auf die Suche nach UnterstützerInnen
gehen. Damals waren das 7.500 Menschen, die in der Hoffnung auf „die Frau
meiner Träume”, wie Fritz Teufel seine Sehnsucht nach der taz nannte,
Vorausabonnements bezahlten. Inzwischen wurde dieses Prinzip im Internet
wieder neu erfunden und nennt sich Crowdfunding. Die Krautreporter, ein
Journalistenprojekt, haben es im vergangenen Jahr zur Rettung des
Onlinejournalismus erfolgreich ausprobiert.
## Ein vielfältiges Bild
Neben dem taz-Journalismus gehört die Bindung der taz zu ihren
AbonnentInnen, die sich ganz selbstverständlich immer als UnterstützerInnen
sehen, ganz sicher zu den prägenden Merkmalen dieses einzigartigen
Projektes. Dabei ist das Bild der taz-AbonnentInnen in den letzten Jahren
vielfältiger geworden. Man muss die taz nicht mehr jeden Tag auf Papier
lesen, 11.000 LeserInnen lesen sie inzwischen regelmäßig digital als
E-Paper. Es gibt 12.500 LeserInnen, die nur die taz.am wochenende im
Papier-Abo beziehen, und manche kombinieren das tägliche E-Paper-Abo mit
der gedruckten Zeitung am Wochenende, alles ist möglich.
Seit vier Jahren haben wir mit dem Projekt taz.zahl ich Erfahrungen mit dem
freiwilligen Bezahlen auf taz.de gesammelt. Hier gibt es viele
Möglichkeiten, auch kleinste Beträge individuell und bequem zu zahlen. Über
1.500 unserer digitalen UnterstützerInnen zahlen inzwischen sogar
regelmäßig einen durchschnittlichen Betrag von 60 Euro im Jahr für taz.de.
## Die Zeit ist reif
Wir haben uns in der taz gefragt, warum sollen es nicht mehr werden, die
regelmäßig für taz.de zahlen? Warum sollen es nicht 20.000 statt 1.500
werden, die mit ihrem Beitrag den unabhängigen Journalismus der taz auch im
Internet unterstützen. Weil man taz.de ja auch gratis lesen kann? Die Zeit
ist reif, einen Irrtum zu korrigieren. Wäre taz.de gemeinnützig, würde es
unmittelbar einleuchten, dass die Unterstützer einer Idee nicht immer auch
die Nutznießer derselben sein müssen. Es sind ja auch nicht die Robben, die
für Greenpeace spenden.
Bisher gibt es keinen gemeinnützigen Weg zur Finanzierung von Journalismus,
die taz wird sich dafür engagieren, solche Wege zu finden. Noch ist
Journalismus eine Ware wie Hundefutter, das steuerrechtlich sogar besser
behandelt wird. Unser Angebot heißt: ABO. Wir wollen noch in diesem Jahr
20.000 AbonnentInnen, die 60 Euro pro Jahr für taz.de nach dem bereits gut
eingeführten Muster von taz.zahl ich zahlen. Das zu schaffen wäre ein
schönes Zeichen für einen unabhängigen Journalismus im Netz.
KARL-HEINZ RUCH, Geschäftsführer der taz
12 Mar 2015
## AUTOREN
Karl-Heinz Ruch
## TAGS
Schwerpunkt Freiwilliges Bezahlen
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