# taz.de -- Punktsieg für Hot dog | |
> Beherzt flüchtet Axel Schulz vor George Foreman und wird nicht | |
> Schwergewichts-Weltmeister ■ Aus Las Vegas Matti Lieske | |
Jedesmal, wenn ich boxe, muß ich hinterher nach einer Sonnenbrille rennen“, | |
klagte ein indignierter Schwergewichts- Weltmeister nach erfolgreicher | |
Titelverteidigung gegen den Frankfurt/Oderer Axel Schulz, „keine Ahnung, | |
woran das liegt.“ Im mit 11.111 Zuschauern längst nicht ausverkauften Grand | |
Garden von Las Vegas setzte sich George Foreman die dunklen Augengläser | |
gleich nach dem Schlußgong auf die Nase, und lange rätseln, wer für die | |
dicken Augen verantwortlich war, brauchte er diesmal nicht: Sein deutscher | |
Herausforderer, der ihm zwölf Runden lang mehr Schwierigkeiten als | |
vorgesehen gemacht hatte. „Schaut mich doch an, ich sehe aus wie ein | |
weggeworfener Hot dog und er wie Elvis Presley“, jammerte der blessierte | |
Champ. | |
Das war glatt gelogen. Auch Schulz trug deutliche Spuren von Foremans | |
Fäusten im Gesicht und dazu eine gehörige Portion Enttäuschung. Brav hatte | |
er sich an die Anweisungen seines Coaches Manfred Wolke gehalten, war den | |
gefürchteten Hieben des 46jährigen IBF-Weltmeisters mit flinken Beinen | |
entfleucht oder hatte sich, wenn kein Fluchtweg offenstand, dem boxenden | |
Großvater an die breite Brust geworfen, so daß dieser nur noch kurze, | |
wirkungslose Körperhaken loswerden konnte. Die erstaunlich schnelle, linke | |
Gerade Foremans vermochte Schulz allerdings kaum zu vermeiden, dafür | |
gelangen ihm selbst immer wieder überraschende Treffer, vor allem, wenn der | |
Weltmeister versuchte, sich aus dem lästigen Clinch zu lösen. „Die vom | |
Trainer vorgegebene Taktik ist aufgegangen“, befand Schulz und war baß | |
erstaunt, warum er dennoch nicht gewonnen hatte. Die Antwort ist einfach: | |
Mit einer derartigen Taktik kann man vielleicht einen Amateurkampf | |
gewinnen, aber nicht Weltmeister im Schwergewicht werden. | |
„Er ist ein guter Läufer und ein tapferer Bursche, aber einen solchen Titel | |
bekommt man nicht, indem man vor einem alten Mann davonläuft. Man muß ihn | |
sich holen“, stellte Foreman, der die Gesetze des Profiboxens kennt wie | |
kaum ein anderer, kategorisch fest und ließ keine Zweifel an der | |
Berechtigung seines Punktsieges gelten. Er räumte zwar ein, daß ihn Schulz | |
einige Male ziemlich vehement getroffen habe, doch längst nicht so wie | |
Michael Moorer, dem er im letzten November den Titel abgenommen hatte: „Da | |
habe ich manchmal doppelt gesehen.“ Somit war auch Foremans Taktik | |
aufgegangen; schließlich hatte er sich den Deutschen hauptsächlich wegen | |
dessem wohlbekannten Mangel an Schlagkraft zum Gegner erkoren. Nicht | |
einkalkuliert hatte er das Stehvermögen von Axel Schulz, von dem es heißt, | |
daß er in seiner gesamten Karriere, auch als Amateur, noch nie den | |
Ringboden unter den Füßen verloren habe. „Ich habe ihn mit einigen der | |
härtesten Hiebe getroffen, die ich je geschlagen habe, und er kam immer | |
wieder“, wunderte sich Foreman. Einige Male sei er sicher gewesen, daß er | |
Schulz k.o. geschlagen habe, „aber während ich wartete, daß er umfällt, hat | |
er mich plötzlich gehauen“. | |
Ohne Sentimentalität betrachtet, war der Fight von Las Vegas einer jener | |
typischen, eher unansehnlichen WM-Kämpfe, bei denen der Underdog alles aus | |
sich herausholt, während der Titelträger gerade das Nötige tut, um seinen | |
Titel zu behalten. Einer der drei Punktrichter hatte am Ende ein | |
Unentschieden auf seinem Zettel (114:114), zwei hatten Foreman knapp vorn | |
(115:113), dem sie die ersten Runden gaben, als Schulz noch mit sichtlich | |
zitternden Knien vor dem Meister davonhastete, und möglicherweise auch die | |
letzten zwei Durchgänge, als beide Boxer mehr Faustkontakt hatten, als | |
ihrer Physiognomie guttat. Die „USA, USA“-Rufe hätten ihn am Schluß zum | |
Sieg getrieben, behauptete Foreman, von einem plötzlichen patriotischen | |
Anfall gepackt, der fast so heftig war wie jener des Jahres 1968, als er | |
nach seinem Olympiasieg in Mexiko mit US-Fähnchen durch den Ring tänzelte | |
und die gesamte Black- Power-Bewegung auf den Hals bekam. Pustekuchen, | |
meinte Axel Schulz, der sich betrogen fühlt und mit Verve einen Rückkampf | |
in Deutschland fordert. „Erst dann hat Foreman meine volle Achtung.“ | |
Man darf davon ausgehen, daß der boxende Prediger aus Houston auf die | |
Achtung des Axel Schulz verzichten kann, und so wird es mit der erträumten | |
Revanche nichts werden. „Ich werde niemals mehr gegen ihn boxen“, so schlug | |
Foreman noch in der normalerweise dem freundlichen Parlieren gewidmeteten | |
Post-Kampfphase unerbittlich zu. Es muß so sein: Einmalige Chancen haben | |
die fatale Eigenheit, daß sie nur einmal kommen, außerdem dürfte Foreman | |
wohl endgültig sämtliche Titel los sein, wenn er seinen nächsten Fight | |
nicht gegen einen „offiziellen“ Herausforderer bestreitet. Außerdem will er | |
von Schulz, den er vorher so inbrünstig gelobt hatte, sowieso nichts mehr | |
wissen: „Der soll mir bloß vom Leib bleiben. Das ist ein tasmanischer | |
Teufel“, sprach es leicht verbittert unter der Sonnenbrille hervor. | |
Das heißt keineswegs, daß George Foreman nicht in Deutschland boxt, wo er | |
durch den Schulz- Kampf noch größere Popularität erlangt hat und bestimmt | |
mehr als 11.111 Leute anlocken wird. An einen Rücktritt denkt der fidele | |
Haudegen („Ich war zehn Jahre lang zurückgetreten, dann hatte ich das | |
Angeln satt“) keineswegs, und Schulz-Manager Sauerland ist sehr | |
zuversichtlich, daß Foreman am 22. Juli in einer deutschen Arena die Fäuste | |
spielen läßt. Foremans findiger Promoter Bob Arum trägt sich tatsächlich | |
mit dem Gedanken, seinen Klienten in deutschen Landen antreten zu lassen, | |
um in einem weiteren Vorgeplänkel einen weiteren Aufbaugegner wie etwa | |
einen der Amerikaner Hipp und Savares oder den Südafrikaner Sanders zu | |
adeln, bevor es dann gegen Mike Tyson und um 100 Millionen Dollar gehen | |
soll. Dem betagten Champ selbst ist so ziemlich alles recht: „Ich boxe | |
jeden – vorausgesetzt, er ist jung.“ Und kein tasmanischer Teufel. | |
24 Apr 1995 | |
## AUTOREN | |
Matti Lieske | |
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