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# taz.de -- Sergio Ramirez beschwört
> ■ Spaltung von Nicaraguas Sandinisten mit der Bildung einer neuen Partei
> um Stalinistengegner Ramirez komplett
Managua (taz) – Mit der Gründung der „Bewegung der Sandinistischen
Erneuerung“ – Movimiento de Renovacion Sandinista (MRS) – am Sonntag ist
die Spaltung innerhalb Nicaraguas Sandinisten endgültig. Die
Gründungskonvention stand im Rahmen der Feiern zum 100. Geburtstag des
Nationalhelden Augusto C. Sandino – Sergio Ramirez und die anderen
Dissidenten wollen zeigen, daß ihre Sezession keinen Bruch mit den alten
Idealen bedeutet. Ernesto Cardenal, der greise Poet, eröffnete den Festakt
mit einem Gedicht zur Hommage an Sandino, und Sergio Ramirez zitierte
reichlich aus dem Idearium des Helden: „Weder extreme Rechte noch extreme
Linke, sondern Einheitsfront heißt unsere Devise.“
Die Frage der Öffnung der einstigen Sandinistenpartei FSLN zum politischen
Zentrum war einer der Streitpunkte, der der jetzigen Spaltung zugrunde
liegt. Der andere wesentliche Unterschied zur von Daniel Ortega vertretenen
„offiziellen“ FSLN-Linie ist die Haltung zum Staat: Sergio Ramirez schwebt
ein Rechtsstaat mit starker Legislative und unabhängiger Gerichtsbarkeit
vor, während Ortega es vorzieht, wichtige Entscheidungen nicht im Parlament
zu diskutieren, sondern in nächtlichen Sitzungen am Verhandlungstisch
auszukungeln.
Ramirez' Bewegung hat offensichtlich den Segen wichtiger
sozialdemokratischer Parteien aus Spanien, Schweden und Chile, die
hochrangige Funktionäre entsandten. Auch der ehemalige FMLN- Comandante und
Gründer der sozialdemokratischen Demokratischen Partei El Salvadors,
Joaquin Villalobos, durfte bei der Eröffnungsfeier das Wort ergreifen.
Das Parteiprogramm der MRS verlangt vor allem die Stärkung der
rechtsstaatlichen Institutionen sowie Garantien gegen Enteignungen und
sichere Landtitel für die Bauern. Viele dieser Garantien wurden bereits in
den Verfassungsreformen festgeschrieben, die Nicaraguas Parlament
beschlossen hat, die aber noch nicht in Kraft getreten sind. Präsidentin
Violeta Chamorro weigert sich, sie zu ratifizieren, da ein Passus die
Kandidatur naher Angehöriger des Staatsoberhauptes verbietet und damit
ihren Schwiegersohn, Präsidialminister Antonio Lacayo, von den
Präsidentschaftswahlen 1996 ausschließen würde. Lacayo lancierte seine
Kandidatur vor einem Monat mit der Gründung des „Nationalen Projekts“,
einer Zentrumsallianz von Regierungsfunktionären, einer Handvoll
Kleinparteien und unbedeutender Gewerkschaften, der bisher das Fußvolk
fehlt. Lacayo kann, wenn er die lange zurückgehaltenen Gelder geschickt
einsetzt, während des kommenden Wahlkampfes von Projekteröffnung zu
Projekteröffnung eilen – eine Taktik, die unlängst in Ländern wie Peru und
Argentinien Erfolg brachte.
Aber auch Ramirez' sandinistische Erneuerer sind keine Massenpartei. Zwar
kamen über tausend Delegierte aus allen Provinzen, doch hat die Bewegung
noch keine der sandinistischen Massenorganisationen auf ihre Seite gezogen.
Ein echtes Wachstum ihrer Partei versprechen sie sich erst nach dem zu
erwartenden Fiasko der „offiziellen“ Sandinisten bei den Wahlen 1996. Ralf
Leonhard
23 May 1995
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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