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# taz.de -- Rap op de Deel un inne Disco
> ■ Der Pate der Bremer HipHop-Szene: Vicente „Don“ Celi, Produzent set…
> auf deutschen Sprechgesang
„Sech mol Hey, sech mol Hoo“ – ja, wat ist dat dann? „Dat is ,Fettes Br…
op Platt inne Disco!“ So schallt es auf den Tanzböden der norddeutschen
Tiefebene, seit eine Hamburger Rappertruppe ihre Hopsmusik mit heimischer
Mundart veredelte. „Fettes Brot“ haben es mit „Nordisch By Nature“ auf
Platz 17 der deutschen Single-Charts geschafft, ein Erfolg, der zuvor nur
englischsprachigen Rappern vergönnt war. Die Hamburger Hafenkulisse bildet
den malerisch-ghettomäßigen Hintergrund für das zugehörige Video.
Heimattümelei? Dummdeutsche Albernheit? Der „Don“ winkt ab. Nur ein
einmaliger Gag, sagt Vicente Celi, Produzent und Gebieter über die Bremer
Hip-Hop-Szene. Dennoch markiere der platte Hit aus Hamburg einen Trend:
Fast alle Rapper, die ihre harten Reime in Celis Tonstudio aufnehmen,
bestehen auf deutschem Klartext – und rennen damit bei ihren Fans offene
Ohren ein.
Ein bißchen klingt es wie „Fischers Fritze“, was aus den Studioboxen
quillt. „Zentrifugal“, Bremens Experten für Stabreime und Zungenbrecher,
nehmen in Celis Studio am Rande des Bremer Hafens gerade ihre neue CD auf.
Der Name der Scheibe spricht Bände: „Poesiealbum“. Vor fünf Jahren hätte
den Deutschrappern der Hohn der Szene entgegengeschlagen. Heute, sagt Celi,
habe sich das Verhältnis fast umgekehrt. „Die Kids kommen an und fragen
mich: Hast Du deutschen Rap?“; und wer noch immer versucht, den taffen
Brooklyn-Slang der US-Gangsta-Rapper nachzuahmen, ist out.
Erstens, ahnt Celi, weil die Fans einfach verstehen wollen, was da so
kunstvoll ins Mikro gebabbelt wird. „Wenn die einen in diesem Tempo auf
englisch vollabern, schaltet man doch gleich auf Durchzug“, spricht der
Don. Zweitens aber wittert er „ein neues Selbstbewußtsein bei der jungen
Generation“. Als gebürtiger Venezolaner war Celi, der mit 18 Jahren nach
Deutschland kam, verwundert über das immer noch verkrampfte Verhältnis
junger Deutscher zu ihrem Land. Das hat sich gründlich geändert, wie Celi
aus nächster Nähe im Studio erlebte.
Denn mit dem Entstehen einer „Bremer Szene“ Anfang der 90er machten die
HipHopper auch ihrem Bedürfnis Luft, über Dinge zu rappen, die vor ihrer
Haustür passieren, in Findorff, Tenever und Vegesack. Und zwar in einer
Sprache, die vor der Haustür gesprochen und verstanden wird. Mit der Single
„Meine G-gend“ gossen die Jungs von „Zentrifugal“ ihr Bekenntnis zu ihr…
Viertel in Reimform. Aber nicht nur deutsch ist seither angesagt. In der
Muttersprache zu singen, das bedeutet für die Rapper von „Cribb 199“:
bosnisch, türkisch und arabisch zu singen. „Kimse Karisamaz“, ruft es aus
den Boxen, zu deutsch: „Es kann uns keiner was.“
Da paßt es, wenn die Jungs von „Cribb“ auch noch ihren eigenen Saz-Spieler
mit ins Studio bringen. Das türkische Saiteninstrument ist für die Band
nicht irgendeine exotische Garnierung, die dem Produkt den
verkaufsfördernden Weltmusik-Tatsch verleihen soll. Die Saz ist hier ein
Stück kulturellen Erbes, ein Anker, der Halt geben soll in schwer bewegter
Zeit. Die Saz, die türkischen Raps, der hypnotische HipHop-Beat: All das
benutzen Rapper wie „Cribb“, um ihr Selbstverständnis, ihren Stolz
hinauszurufen.
Don Celi unterstützt sie bei ihrer Identitätssuche nach Kräften. „Keine
Abgrenzung“, sagt er über sein stilistisches Konzept. Für zarten orientalen
Singsang hat er ebenso offene Ohren wie für harte Gitarrenriffs.
Hauptsache, es nützt der Idee der Musiker. „Crossover“, das neue Zauberwort
der Musikindustrie, ist für ihn, für seine Musiker und seine kleine Firma
namens „Operation 23“ keine hohle Phrase. In einer Generation, wo sich die
Kulturen zwangsläufig begegnen, da treffen sich die Brooklyn-Beats, die
türkischen Melodien und die platten Reime ganz selbstverständlich.
Doch dem Produzenten, aus dessen gutem Stall bisher 70 Produktionen kamen –
einige Bands sind inzwischen von großen Plattenfirmen von der Weser
weggelotst worden – schweben noch ganz andere Crossovers vor. Rap ist
Sprechgesang, und Sprechgesang, überlegt er, das war in Deutschland doch
mal eine gute Tradition. Nach den plattdeutschen Bekenntnissen könnten
demnächst die frechen Couplets aus den 20er Jahren in die Hitlisten kommen.
tw
19 Feb 1996
## AUTOREN
tw
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