Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ein Liebesnest mit Meerestieren
> ■ In Anke Feuchtenbergers Comic „Die Hure H“ stromern die drei Heldin…
> durch allerlei Weiblichkeitsmodelle
Als Kind wollte sie Tiefseekosmonautin werden. Heute gilt Anke
Feuchtenberger als bekannteste Comiczeichnerin Deutschlands, veröffentlicht
im Schweizer Magazin Strapazin, gestaltet Plakate, Postkarten, liefert
Zeitungsillustrationen. Der Meeresgrund und die Weiten des Alls aber sind
nicht vergessen; in „Mutterkuchen“, Feuchtenbergers erstem Comicheft,
lieferten sie die Kulisse, vor der mehrere Geschichten angesiedelt waren,
und auch in dem neuen Heft „Die Hure H“, das die 33jährige Zeichnerin
gemeinsam mit der Texterin Katrin de Vries erarbeitet hat, spielen
Meerestiere eine kaum zu unterschätzende Rolle.
Im Mittelpunkt aber steht die Weiblichkeit samt der dazugehörigen Rätsel,
die, wie so oft, bei Feuchtenberger ungelöst bleiben. Tief hinab geht's in
den Fundus der Bilder, die sich im Laufe der Zeit übers Frausein gelegt
haben: Heilige und Hure, Mutter und Nutte. Drei Geschichten versammelt das
Heft, drei Heldinnen, die vielleicht ein und dieselbe Figur sind: Wer will
heute noch „Ich“ sagen? Geschundene Kreaturen sind sie jedenfalls alle und
auf der Suche nach etwas, das zu finden wenig Sinn macht. Frosch- und
Vogelperspektiven entstellen die Körper, der Raum ist verzerrt, die Welt
aus den Fugen.
Die erste Geschichte ist die eingängigste; von der Suche nach dem eigenen
Begehren wird erzählt, das sich schließlich in den Armen einer anderen Frau
findet. Das ist kein neues Motiv, schmeckt gar ein wenig nach „Die Farbe
Lila“. Aber Feuchtenberger ist raffiniert genug, um mit dem
Initiationsritus zu spielen. Aus dem Bett wird ein Strudel, in dem die
Liebenden treiben, und dies wäre wohl ein verbrauchtes Bild, würden die
Figuren nicht von Fischen umkreist. „Die Hure H wußte nicht, was sie
reichen wollte“, heißt es dazu und: „Die Frau wußte, was sie riechen
wollte.“ So ist die Geschichte ernst und ironisch zugleich: ein
vergnügliches Pathos, das da aufscheint.
„Die Hure H“ setzt fort, was Feuchtenberger in „Mutterkuchen“ bereits z…
Perfektion gebracht hat. Daß sich das neue Heft über weite Strecken als
Zitat vorangegangener Arbeiten lesen läßt, ist gewiß ein Problem, wenn auch
keines, mit dem allein Feuchtenberger zu kämpfen hätte. Doppelungen finden
sich auch anderswo, bei so unterschiedlichen Zeichnerinnen wie Lilian
Mousli oder Roberta Gregory genauso wie in TOMs „Touché“-Endlosfolge.
Feuchtenberger begegnet dem Wiederholungseffekt mit einigen stilistischen
Neuerungen, die jedoch nicht recht funktionieren wollen. In älteren
Geschichten wie „Rosen“ oder „Living next door to Alice“ ist jeder Stri…
in sattem Schwarz gehalten, ist jede Kontur an ihrem Platz; in „Die Hure H“
hingegen verhuschen die Linien.
Zwar sind die Zeichnungen nach wie vor weit davon entfernt, krakelig zu
sein, doch sie verlieren ein Stück der früheren Sicherheit. Und damit auch
ein Stück ihrer Kraft. „Ich kann nicht umdrehen“, sagt die Heldin in der
letzten Geschichte. „Ich will weiter.“ Der Weg, der zwischen bewährten und
neuen Formen liegt, ist eben verschlungen. Genauso wie die Haarspiralen von
Feuchtenbergers Figuren. Oder wie die labyrinthischen Traumstädte, in denen
sie sich bewegen. Cristina Nord
Anke Feuchtenberger/Katrin de Vries: „Die Hure H“. Jochen Enterprises,
Berlin 1996, 104 S., 19,80 DM
19 Nov 1996
## AUTOREN
Cristina Nord
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.