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# taz.de -- Muse sucht Augenlust
> Die „Galerie der Gegenwart“ im Ungers-Bau wird morgen eröffnet – Ein
> Blick hinein  ■ von Hajo Schiff
Wenn am Montag die Galerie der Gegenwart für alle öffnet, ist auch in
Hamburg endlich international gewichtige Kunst seit 1960 als große Sammlung
zugänglich. Zu sehen sind auf 5.600 Quadratmetern deutsche, westeuropäische
und US-amerikanische Künstler, die Kunst der übrigen Welt ist nicht
gegenwärtig. Ankäufe, Schenkungen und Leihgaben auf zehn Jahre von mehr als
einem Dutzend Sammlern ergänzen den Altbesitz der Kunsthalle. Werkgruppen
wichtiger Künstler von Andy Warhol zu Bruce Nauman wechseln mit
Übersichtsräumen, u. a. zu Abstraktem Expressionismus, Pop- und
Minimal-Art, Konzept-Kunst und Fluxus (mit der Wiederentdeckung des
Hamburgers Arthur Koepcke). Dazu gibt es Implantate wie ein graphisches
Kabinett als Horst- Janssen-Museum, Picasso-Zeichnungen und die auf eine
500jährige Laufzeit eingestellte Tropfsteinmaschine von Bogomir Ecker.
Gewicht erhält das attraktive Museum schon durch die von vielen Künstlern
persönlich arrangierten Räume und die Auftragswerke von Jenny Holzer,
Jannis Kounellis, Richard Serra und Ilya Kabakov. Der in New York lebende
Russe Kabakov baute zwei Zimmer eines Krankenhauses zur „Bildertherapie
nach I. D. Lunkow“ auf, bei der der Patient 8-10 Minuten entkleidet im Bett
mit passender Musik ein Bild betrachten soll.
Doch diese Muße ist dem heutigen Kunstverbraucher fern. Will der nicht
unbedingt über die granitenen Tempelrampen des Neubaus ins Café mit
Alsterblick schreiten, sollte er sich das Museum lieber von den Altbauten
her erschließen. Denn unter dem zugigen, leeren Platz zwischen Ungers-Bau
und dem Komplex des 19. Jahrunderts verbindet die Kunst der sechziger Jahre
die älteren Kunstschätze mit der Gegenwart: Das kunstgeschichtliche Konzept
wird deutlich. So relativiert sich auch der notwendig falsche Name des
Ungersbaus: „Galerie der Gegenwart“ ist dann nicht mehr nur eine
zweifelhafte Behauptung, sondern bedeutet die museumsinterne Fortführung
der Galerie der älteren und der neueren Meister. Gerade im Detail
beeindruckt die Funktionalität des Baues, auch wenn zu steile Treppen, das
niedrige Fensterband im ersten Stock, die bedrückend kleinen
Seitenkabinette im Sockelgeschoß und die dortige labyrinthische Situation
der Preis für äußere Formvorgaben sind. Die strikte Rechtwinkligkeit wird
nur einmal durchbrochen: Joseph Beuys wird in einem zentralen, achteckigen
Raum präsentiert, auch wenn solcher Ausdruck von Wertschätzung eine dem
beuysschen Denksystem kaum entsprechende Hierarchisierung ist.
Andere herkömmliche Ordnungen werden aufgebrochen. So mischen sich im
ersten Stock die neuen deutschen Fotokünstler wie Bernhard Prinz oder
Thomas Struth mit den Plastikern wie Klaus Kumrow und Reinhard Mucha. Eine
von der Hafenstraße inspirierte Arbeit, „Wurfeisen und Zwille“ von Olaf
Metzel, ist dabei kokett auf das Rathaus ausgerichtet. Über der neuen
amerikanischen Kunst von Jeff Koons zu Robert Gober im zweiten Stock
thronen als Krone der Kunst dann allein vier deutsche Malerfürsten:
Baselitz, Polke, Richter und Lüpertz.
Alle Lust und Kritik angesichts dieser Kunstauswahl muß berücksichtigen,
daß sie nicht auf Dauer so bleibt. Veränderungen sollen das Arrangement
frisch halten, und für zusätzliche Bewegung sorgen Sonderausstellungen: für
diese werden jeweils geeignete Säle umgeräumt – wie bisher mangels eines
speziellen Raums. Um dieses Problem zu beseitigten war der Neubau
eigentlich einst ausgeschrieben worden.
22 Feb 1997
## AUTOREN
Hajo Schiff
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