| # taz.de -- ■ Vorschlag: Nichts für Ästheten: "Female Trouble" von John W… | |
| Schön ist er nicht: Dünnes Bärtchen, in Hautsäcken hängende Glubschaugen, | |
| totenmaskenhafte Haut. Vielleicht lag es ja an dem, was der liebe Gott ihm | |
| in die Wiege gelegt hatte, daß John Waters eines Tages | |
| „wennschon-dennschon“ dachte: Wenn schon häßlich, und wenn die schon blöd | |
| gucken, dann gucke ich noch häßlicher zurück. John Waters wurde Regisseur | |
| mit dem Ziel, die Leute aus ihrer Apathie herauszuschocken. „Waters hat | |
| bereits amerikanische Familienwerte verkackeiert, als noch niemand wußte, | |
| was das überhaupt ist“, behauptet sein Fanclub. Die eigenen Filme nannte | |
| John Waters gern „Zelluloid-Scheußlichkeiten“; scheußlich hingekläfft sc… | |
| die Titel: „Haarspray“, „Polyester“, „Eat Your Make-up“... – urrg… | |
| schockiert(e) er tatsächlich, immer aber unterhält er sein Publikum, der | |
| mittlerweile 51jährige schwule „Prince Of Puke“ aus Baltimore. Die einen | |
| lieben seine frohen Farben, die anderen seine in denselben gehaltenen | |
| Darsteller, die Dreamlander, allen voran Divine, gefolgt von Mink Stole, | |
| Bonnie Pearce oder Edith Massey. Divine, berühmtester, zu Lebzeiten | |
| dreihundert amerikanische Pfund schwerer Cross-Dresser, war – o men – der | |
| erste Transvestit, der Jackie Kennedy porträtierte: female trouble, | |
| Frauensachen. Nach „Pink Flamingo“ (1972) hatte John Waters beschlossen, | |
| daß sein nächster Film davon handeln solle, daß Verbrechen Schönheit ist. | |
| Er drehte „Female Trouble“. | |
| Dawn Davenport (Divine) bekommt von Mama und Papa zu Weihnachten nicht die | |
| heißbegehrten Cha-Cha-Heels; bald wird aus dem unschuldigen Schulmädel erst | |
| eine Ausreißerin, dann eine ledige Mutter, eine Kriminelle, ein glamouröser | |
| Star und schließlich eine verrückte Massenmörderin. Ja, nicht Soldaten, | |
| sondern Stars sind Mörder, denn sie heiraten, wie Dawn, lausige Stiefväter, | |
| derer sich die Töchter erwehren müssen. „Ich würde deinen Schwanz nicht | |
| lutschen, selbst wenn ich ersticken müßte und du Sauerstoff in den Eiern | |
| hättest!“ Sound bites nennt man solche Dialoge im „Smithsonian“ – „c… | |
| enough to become immortal“. | |
| Von zwanzig großen John-Waters-Momenten gehen fünf auf das Konto von | |
| „Female Trouble“. Waters kann man viele Verdienste zuschreiben, darunter | |
| die, Traci Lords und Patty Hearst in bekleidetem Zustand und vor der Kamera | |
| beschäftigt zu haben. Kürzlich machte er als Gaststimme bei den „Simpsons“ | |
| Furore – er sprach einen schwulen Antiquitätenhändler. Waters jüngstes | |
| Projekt soll von einem Baltimorer Menschen handeln, der in einem | |
| Sandwich-Shop arbeitet und dort „pecker“ genannt wird, weil er immerzu an | |
| allem Eßbaren herumpickt. Pecker hat ein Hobby – er fotografiert gern, am | |
| liebsten seine seltsame Familie. Nun, so beschließt es ein Kunstmogul, soll | |
| er ein Star werden – wie Divine in „Female Trouble“. Man sehe sich Waters | |
| ersten Streich über Starmania an, denn der zweite folgt irgendwann. Anke | |
| Westphal | |
| „Female Trouble“, Brotfabrik 2, 19.–25. 6. | |
| 18 Jun 1997 | |
| ## AUTOREN | |
| Anke Westphal | |
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