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# taz.de -- Porsche, Tietze-Ludwig, hallo HSV
> ■ Ein Hamburger Bursche auf dem Weg zum Superstar: Lotto King Karl im
> Kreuzverhör
Mit den beiden Video-Singles „Ich hab den Jackpot“ und „Allergie“ wurde
Lotto King Karl berühmt. Seine Lebensgeschichte aber strotzte schon vorher
vor Heldentaten und Glück.
Lotto King Karl, noch vor einem halben Jahr lebten Sie von der Sozialhilfe.
Ich habe sieben Jahre Lotto gespielt, und mein soziales Umfeld war nicht
gerade auf Rosen gebettet. Eines Abends saß ich dann vor dem Fernseher, und
da hat Karin Tietze-Ludwig hintereinander meine Zahlen geholt. Dazu kam
noch der Jackpot und so kam richtig Marie rüber. Das war dann die
Initialzündung, endlich Musik zu machen. Ich war ja vorher
Gabelstaplermonteur, bin dann aber einem Kollegen mit meinem 3,5 Tonner
über den Fuß gefahren, und da haben wir uns in einseitigem Einvernehmen
getrennt.
Was ist aus dem Kollegen geworden?
Der macht jetzt Unterwasserfilme, weil der nur eine Schwimmflosse braucht,
der andere Fuß ist ja nun groß genug.
Sie sind Lottomillionär, ich bin taz-Mitarbeiter. Schenken Sie mir bitte
Geld!
Ich möchte niemanden aus seinem sozialen Umfeld reißen.
Ebendies ist Ihnen doch auch widerfahren.
Die Leute sagen immer, daß ich Glück gehabt habe. Das sehe ich aber nicht
so: Nach sieben Jahren Lotto, ich bitte Dich. Da sind 42 Millionen der
gerechte Lohn.
Andere spielen acht Jahre Lotto – ohne Gewinn!
Die haben aber bestimmt mal einen Monatsschein ausgefüllt oder nur
Mittwochslotto gespielt – vergiß es! Man muß jede Woche dahin rennen. Auch
nicht jedesmal die selben Zahlen oder Traumtip oder so. Man muß die
Stimmung einer solchen Lottoannahmestelle auf sich einwirken lassen.
42 Millionen Mark, da muß eine alte Frau lange für stricken. Was haben Sie
mit Ihrem Gewinn gemacht?
Als erstes habe ich meinen ersten Wohnsitz nach Monte Carlo verlegt, dann
einige Autos, usw. Merkwürdig ist, daß sich plötzlich so viele Frauen für
mich interessieren, das wundert mich wirklich.
Ja, erstaunlich. Sind Sie denn weiterhin HASPA-Kunde?
Ich stehe total auf die HASPA. Da geht man rein und hat das Gefühl, daß die
Leute richtig Lust haben, einen zu verstehen. Ich bleibe Hamburg damit
weiterhin verbunden, ich habe auch immer noch eine 2-Zimmer-Wohnung in
Barmbek.
Haben Sie sich von dem Geld auch Bücher gekauft?
Ja, so Filo-Faxe für die vielen neuen Handy-Nummern. Das ist ja auch ein
völlig neuer Freundeskreis, wenn man plötzlich in die Welt des Jet-Set
eintaucht. Ansonsten gehören Bücher natürlich zur Einrichtung, mein Haus
hat ja vier Etagen, dann macht sich das ganz gut. Perry Rhodan, Karl May
usw.
Sie hätten Adorno-Bücher kaufen sollen. Der schreibt nämlich in der
„ästhetischen Theorie“, daß Geld doch stinkt.
Das stimmt, da hat er recht. Das merkst Du, wenn Du mal eine läppische
Summe wie 50.000 Mark zählst. Das stinkt, keine Frage. Wer sagt, Geld
stinkt nicht, der hat noch nie richtig Geld gezählt. Welcher Adorno war
denn das, Andreas Adorno?
Nein, Theo.
Ach, Theo.
Adorno hat das gar nicht geschrieben. In mir gärt auch der Verdacht, daß
Sie gar nicht im Lotto gewonnen haben.
Das wundert mich. Alle anderen glauben es sofort, weil ich so dezent die
Gepflogenheiten des Jet-Set übernommen habe.
Trotzdem mußten Sie sich der Legende nach in Ihren Plattenvertrag
einkaufen.
Ich wollte einfach nicht warten, bis ich entdeckt werde. Ich wußte immer,
daß in mir dieses Showtalent ruht und daß ich tierisch gut aussehe, es
mußte also was passieren. Jetzt muß der Markt reagieren.
Aber Sie können nicht singen. Und dann sind Sie HSV-Fan.
Ich bin HSV-Fan aus alter Verbundenheit. Aber einer der Auslöser für meine
neue Single „Allergie“ waren die derzeitigen Umstände beim HSV. Um da was
zu ändern, werde ich im November als Präsident kandidieren.
Was werden Sie ändern?
Als erstes wird Chuck Norris als Manndecker verpflichtet. Das ist ein
Arbeitertyp, der kann zulangen, quatscht nicht viel, ist unheimlich schnell
und beweglich – und hat viele Fans in Hamburg, es gibt ja auch viele
Soldaten hier. Außerdem wird Rille Ristic wieder Co-Trainer und Kevin
Keagan Teamchef.
Es bleibt dabei, ich nehme Ihnen die Geschichte mit dem Lottogewinn nicht
ab.
Na schön, dann laß uns mal ne Runde drehen. Warte mal, der Lambo ist in
Monte Carlo, aber der Saab ist hier.
Später im Cabrio:
Goldene Regel: Wenn schon Musik im Cabrio, dann nur Heavy Metal oder Opern.
Und die Fenster nur auf der Autobahn hoch. Und Arm raus.
Sie kokettieren mit Insignien der Arbeiterklasse. Sind Sie dadurch nicht
selber ein Prolet?
Nein, mein Freund. Du trägst Denker-Brille, ich trage verspiegelte
Porsche-Brille. Das allein macht den Unterschied.
Fragen: Benjamin v. Stuckrad-Barre
8 Aug 1995
## AUTOREN
B.v. Stuckrad-Barre
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