# taz.de -- Schmuddelkinder des Sports | |
Israels Sportler waren im Weltsport jahrelang unerwünscht. Ihre Teams | |
wurden boykottiert – einst von den sozialistischen, heute noch von | |
islamischen Ländern. Inzwischen sind die Sportverbände Israels meist in | |
europäische Föderationen integriert. Sportwissenschaftliches Know-how | |
jüdischer Einwanderer aus Rußland hat nun auch ein Eishockeyteam | |
hervorgebracht | |
Von Martin Krauß | |
Es war mal wieder ein Versuch gewesen. Israelische Leichtathleten hatten | |
sich Ende März zur Weltmeisterschaft der Crossläufer in Marokko angemeldet. | |
Und weil die Verhältnisse so sind, wie sie sind, flogen sie als Team nicht | |
direkt dorthin, sondern über Paris nach Marrakesch, wo die Wettkämpfe | |
stattfinden sollten. Marokkos Regierung stellte ihnen indes keine Visa aus. | |
Die Israelis, die fast eine Woche in Paris gehockt hatten, flogen schlecht | |
gelaunt in ihre Heimat zurück. | |
Gescheiterte Versuche israelischer Sportler, an internationalen Wettkämpfen | |
teilzunehmen, hat es schon oft gegeben. Erst im vorigen Jahr hatte die | |
Internationale Tennisföderation (ITF) der Tennis- Daviscup-Mannschaft als | |
Heimgegner Marokko zugelost. Der forderte zunächst die Verlegung in ein | |
neutrales Land, was die ITF ablehnte. Das nordafrikanische Land nahm | |
daraufhin lieber den Zwangsabstieg in Kauf, statt im Sportzentrum von Ramat | |
Hashoron die erste Delegation eines islamischen Landes zu sein, die zum | |
Tennis angereist kommt. | |
Aus sportpolitischer Rücksichtnahme führt die ITF Israel schon nicht mehr | |
in der Asien-, sondern der Europa-Afrika- Gruppe. Genützt hat es nicht. Die | |
Forderung, ein Sportereignis in ein – wie es dann immer heißt – neutrales | |
Land zu verlegen, war in den vergangenen Jahren öfters erfolgreich gewesen. | |
1987 etwa wurden die Qualifikationsspiele zur Handball-WM zwischen der | |
Sowjetunion und Israel im deutschen Salzgitter durchgeführt. | |
Die Basketballspiele zwischen beiden Ländern wurden von 1967 bis 1990 fast | |
alle in Belgien ausgetragen. Doch die Liste des israelischen Ausschlusses | |
vom Sport ist länger: 1986 hatten in Moskau die Goodwill-Games | |
stattgefunden, eine Art Gegenolympiade, finanziert von dem US-Unternehmer | |
Ted Turner, dem damals der TV-Sender CNN gehörte. | |
Alle waren in der sowjetischen Hauptstadt willkommen – bis auf drei Länder: | |
Südafrika (damals noch ein Apartheidstaat), Süd-Korea und Israel. | |
Verwunderlich war nur, daß Turner sich in diese Politik einbinden ließ, | |
nicht aber, daß die Sowjetunion, wie seit 1967 üblich, Sportkontakte mit | |
Israel möglichst mied. Als 1976 in Haifa die Schacholympiade stattfand, | |
organisierte die UdSSR den Boykott durch das sozialistische Lager. | |
Ob die israelische Sportpolitik wegen drohender Auseinandersetzungen mit | |
arabischen Ländern eher auf eine europäische Integration setzen oder den | |
Anschluß an die asiatischen Verbände suchen sollte, war in den | |
Anfangsjahren des jüdischen Staates umstritten. Die Regierung setzte auf | |
Asien, die Sportverbände eher auf Europa. So wurden die Volley- und die | |
Basketballer schon Anfang der fünfziger Jahre Mitglieder der europäischen | |
Verbände und konnten so am Weltsport teilnehmen. | |
Die Volleyball-WM 1952 in Moskau gilt als außergewöhnliches Beispiel, weil | |
hier neben Israel auch sein arabisches Nachbarland Libanon antrat. Das | |
paßte in die Politik des Ministerpräsidenten David Ben-Gurion, dessen | |
Regierung schon ab 1951 den Aufbau einer demokratischen Sportorganisation | |
förderte, um die Rivalität zwischen dem vom Arbeitersport geprägten Verband | |
Hapoel und dem bürgerlichen Makkabi zu begrenzen. Ben-Gurions Politik | |
führte 1952 am Rande der Olympischen Spiele von Helsinki dazu, daß Israel | |
Mitglied der Asian Games Federation (AGF) wurde. | |
Zwei Jahre später entsandte Israel erstmals Athleten zu den Asienspielen im | |
philippinischen Manila. Das Kalkül dieser Politik schien zunächst | |
aufzugehen, auch weil sich die arabischen Länder aus der AGF fernhielten. | |
Die Probleme begannen erst 1962, als die Asienspiele in Jakarta | |
stattfanden. Die indonesische Regierung lud dort zwei Länder aus: Israel | |
und Taiwan. Bei den folgenden drei Asienspielen in Bangkok (1966 und 1970) | |
und in Teheran (1974) nahm Israel allerdings wieder teil. | |
1974 zeigte sich schon, daß die Front der Israel-Gegner gewachsen war: In | |
Teheran weigerten sich die Fechter der Volksrepubliken China und | |
Nord-Korea, gegen Israel anzutreten; die kuwaitischen Tennisspieler machten | |
es ihnen genau so nach wie das Basketballteam Pakistans. | |
Die Kräfteverschiebung innerhalb der AGF, die den regelwidrigen Boykott der | |
Teams hätte ahnden müssen, offenbarte sich spätestens, als am Rande der | |
Teheraner Spiele die nächsten Asienspiele an das Boykottland Pakistan | |
vergeben wurden. Gleichzeitig nahm der asiatische Fußballverband (AFC) | |
einen Antrag Kuwaits an, wonach kein AFC- Mitglied Spiele gegen Israel | |
austragen dürfe. Dies geschah, obwohl Israel noch Mitglied des AFC war. Bei | |
den folgenden Asienspielen 1978, die aus organisatorischen Gründen nicht in | |
Pakistan, sondern wieder in Bangkok stattfanden, wurde Israel ausgeladen. | |
Das Problem, ein AGF- Mitglied an der Teilnahme von AGF-Veranstaltungen zu | |
hindern, lösten die cleveren Funktionäre 1981 dergestalt, daß sich die AGF | |
auflöste, um dem Asiatischen Sportrat (später: Olympischer Rat) Platz zu | |
machen, bei dem Israel von vornherein unerwünscht war. | |
Wie wenig normal die Beteiligung israelischer Sportler am Weltsport | |
angesehen wurde, zeigte sich auch beim bislang tragischsten Ereignis der | |
olympischen Geschichte: der Ermordung elf israelischer Athleten durch | |
Palästinenser während der Sommerspiele 1972 in München. (Vier Jahre später, | |
in Montreal, nahm Israel aus symbolischen Gründen mit nur elf Athleten | |
teil.) | |
Die verschiedenen sportpolitischen Ereignisse der siebziger und achtziger | |
Jahre zeigten, daß alle Versuche Israels, ein akzeptiertes Mitglied im | |
asiatischen Sport zu werden, gescheitert waren. Lediglich im Tennis und | |
vereinzelt im Wasserball gab es Kontakte. Aber auch diese waren stets | |
labil. So konnte Indien beispielsweise 1988 nur mit der Ausschlußdrohung | |
vom olympischen Tennisturnier gezwungen werden, zu einem Daviscup-Match | |
nach Israel zu reisen. Andere Sportler hingegen wurden von den | |
Weltverbänden einfach in politisch ungefährliche Gruppen gesteckt: Die | |
Fußballer mußten zur WM-Qualifikation in der Ozeaniengruppe mit Australien | |
und Neuseeland antreten. Gegen die israelischen Versuche, wenn schon nicht | |
in Asien, so wenigstens in Europa unterzukommen, stemmte sich die | |
Sowjetunion. | |
Gleichwohl gelang es Israel in den achtziger Jahren, Sportkontakte – zu | |
Rumänien oder Ungarn – zu pflegen. Eine fast vollständige Europäisierung | |
des israelischen Sports setzte aber erst nach dem Zusammenbruch der | |
sozialistischen Staaten ein. 1990 nahm die Vereinigung der europäischen | |
Nationalen Olympischen Komitees (ENOK) Israel mit Beobachterstatus auf, und | |
ein Jahr später wurden die Fußballer Mitglied der Uefa. Insgesamt etwa | |
zwanzig Verbände erreichten in dieser Zeit die Mitgliedschaft in | |
europäischen Sportdachorganisationen. | |
Probleme hat Israel nun nicht mehr, an europäischen Ligen und | |
Europameisterschaften teilzunehmen. Schwierigkeiten gibt es erst, wenn im | |
Weltsport Begegnungen mit islamischen Ländern angesetzt oder ausgelost | |
werden. Wenigstens stellen sich seit der mehr oder minder erzwungenen | |
Europäisierung des israelischen Sports Erfolg außerhalb des | |
Funktionärswesens ein. Die ersten olympischen Medaillen konnte das Land | |
1992 in Barcelona erringen; die Fußballer scheiterten knapp an den | |
Qualifikationen für die EM 1996 und die WM 1998. | |
Diesen Aufschwung erklärt man sich in Israel vor allem durch den Umstand, | |
daß nach dem Ende der Sowjetunion eine große Zahl russischer, ukrainischer | |
und belorussischer Juden, darunter auch viele Spitzensportler und -trainer, | |
nach Israel auswanderten. Das brachte sportwissenschaftliches Know-how in | |
den Mittelmeerstaat, der zum Beispiel 1994 in Lillehammer erstmals bei | |
Olympischen Winterspielen antrat. Sogar eine Eishockeynationalmannschaft | |
gibt es mittlerweile, der aber internationale Erfolge wohl noch eine Weile | |
verwehrt bleiben. | |
Zur traurigen Vorgeschichte des gegenwärtigen Erfolgs des israelischen | |
Sports gehört nicht nur die Boykottpolitik islamischer und sozialistischer | |
Staaten. Erinnert werden sollte auch an einen Vorfall aus deutschen Landen: | |
Der norddeutsche Fußballklub Kickers Emden weigerte sich 1989, zu einem | |
Freundschaftsspiel gegen Hapoel Marmorak Rehovot aus Israel anzutreten. Man | |
sei politisch neutral, lautete die Begründung, also weder projüdisch noch | |
proarabisch. Es war mal wieder nur ein Versuch. | |
25 Apr 1998 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauß | |
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