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# taz.de -- Die Stacheln der Pracht
> Mit der Ausstellung „Die Welt der Pflanze“ werden in Köln die frühen
> Fotografien von Albert Renger-Patzsch im historischen Kontext der Botanik
> präsentiert  ■ Von Stefan Koldehoff
Zeitgenössische Originalabzüge der Fotografien von Albert Renger-Patzsch
zählen längst zu den Markenzeichen der modernen deutschen Lichtbildkunst.
Entsprechend hoch werden diese Vintage-Prints auf dem internationalen
Kunstmarkt gehandelt. Besonders begehrt sind dabei die frühen
Pflanzenaufnahmen des Fotografen, die häufig als erste fotografische
Bildbelege der „Neuen Sachlichkeit“ geführt werden und auf die sich unter
anderem Bernd und Hilla Becher mit ihren typologischen Bildfolgen beziehen.
Was regelmäßig bei Sotheby's und Christie's als verstreute solitäre
Meisterwerke angeboten wird und inzwischen Zuschläge bis 30.000 Mark je
Abzug erzielt, ist dabei tatsächlich überwiegend in einem zielgerichteten
thematischen Zusammenhang entstanden. Ein äußerst sorgfältig recherchiertes
und lustvoll präsentiertes Projekt in Köln gibt den Aufnahmen von
Renger-Patzsch nun die Geschichte ihrer Entstehung zurück und leistet damit
gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur deutschen Fotografie- und
Geistesgeschichte.
Die vom Kunsthistoriker Rainer Stamm in sechsjähriger Arbeit
zusammengestellte Ausstellung „Die Welt der Pflanze“ referiert anhand von
mehr als siebzig Aufnahmen die Obsession des Schriftstellers und
Philosophen Ernst Fuhrmann, der nach dem Tod von Karl Ernst Osthaus dessen
Folkwang-Verlag als Auriga-Verlag weiterführte. Zuvor hatte der Mäzen und
Sammler Osthaus 1902 bereits das Folkwangmuseum in Hagen gegründet, wo die
Bildbestände des Verlags archiviert waren.
Fuhrmann hatte sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe eines eigenen Bildarchivs
und mit der Buchreihe „Die Welt der Pflanze“ dem nahezukommen, was er als
„Wesenheit der Pflanzen“ begriff: ihren (nicht selten durch ihn selbst)
vermenschlichten Eigenschaften. Fuhrmann sah die Flora als lebenden Kosmos:
„Man könnte von einer Intelligenz der Ranken sprechen“, lautet etwa die
Bildunterschrift zu einem Feuerbohnen-Foto. „Sie schaffen Verknotungen und
Netze, die auf zielstrebige Instinkte schließen lassen.“ Alfred Döblin
engagierte sich für Fuhrmann, indem er in Artikeln auf die Publikationen
des biosophischen Forschers hinwies, der manische Käfersammler Ernst Jünger
nannte den Pflanzenfan Fuhrmann einen „Verfasser genialisch verworrener
Bücher“.
Fuhrmanns bisweilen geradezu esoterische Ideen setzten eine Reihe von
Fotografen bildnerisch um – unter ihnen Albert Renger- Patzsch und Fred
Koch. Die Kölner Ausstellung zeigt nun, daß bei dieser gemeinsamen Arbeit
für den Auriga-Verlag und die ab 1924 publizierten vier Bände der Reihe
„Die Welt der Pflanze“ durchaus kein homogenes ×uvre entstand. Während
Albert Renger-Patzsch die Agaven und Orchideen, Kakteen und
Aronstabgewächse fast ausschließlich an ihrem natürlichen Standort und bei
Tageslicht fotografierte, ging Koch dynamischer, pointierter, aggressiver
vor: Er inszenierte seine Motive regelrecht und erreichte dadurch eine
suggestivere Bildwirkung, die sich enger an Fuhrmanns Texte anlehnte. Der
letzte Band der Fuhrmann-Reihe „Welt der Pflanze“ mit dem Titel
„Euphorbien“ findet durch gezielte Lichtsetzung zu einer stellenweise fast
expressiven Bildstruktur.
Dem Kurator Rainer Stamm gelang es durch seine Arbeit, auch verschiedene
Zuschreibungsfragen zu klären. Nach wie vor nämlich gelten auch solche
Abzüge als authentische und damit wertvollere Renger-Patzsch-Fotografien,
die tatsächlich „nur“ aus dem Archiv des Folkwang-Auriga-Verlags stammen.
Das begleitende Katalogbuch diskutiert diese Fragen nun ausführlich und
führt in seinem Anhang auch alle authentischen Fotografen- und
Verlagsstempel im Faksimile auf. Es leistet auf diese Weise wertvolle
Dienste für Museen, Sammler – und Auktionshäuser.
„Die Welt der Pflanze – Photographien von Albert Renger-Patzsch und aus dem
Auriga-Verlag“. Bis 27.7., SK-Stiftung Kultur, im Mediapark, Köln. Katalog:
145 S. mit ca. 100 Duotone-Abbildungen, Cantz Verlag, Stuttgart, brosch.
48DM, geb. 68DM
18 Jul 1998
## AUTOREN
Stefan Koldehoff
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