# taz.de -- “Warum sollen Frauen nicht?“ | |
> Wie Sahar Hawary im konservativen Ägypten den Frauenfußball etabliert ■ | |
> Von Rainer Hennies | |
Sahar Hawary lebt in Kairo. Auf Traditionen gibt sie nicht viel, um so mehr | |
aber auf den Frauenfußball. Seit ihrer Kindheit ist sie fußballbegeistert. | |
Es lag nahe: Ihr Vater war Fifa-Schiedsrichter. „Ich habe viel mit meinem | |
Bruder Fußball gespielt, und bei den Reisen meines Vaters waren wir oft | |
dabei,“ sagt Hawary. Obwohl sie irgendwann in Ermangelung eines | |
Fußballteams zur Handballerin wurde, blieb der Fußball für Mittelpunkt, | |
wurde zur Herausforderung und Lebensaufgabe. Sie wollte einführen, was es | |
nicht gab. | |
Noch 1995 existierten in Ägypten Fatwas, religiöse Vorschriften, gegen | |
Frauenfußball. In der öffentlichen Diskussion überwogen traditionelle | |
Meinungen: Der Frauenfußball zerstöre die Weiblichkeit. Das machte Hawary | |
erst richtig wild. Finanziell ist sie unabhängig, und so fuhr sie auf | |
eigene Kosten übers Land und suchte nach Talenten für ein gutes Team, um | |
mit sportlichen Argumenten zu überzeugen. Die 21jährigen Zwillinge Wesam | |
und Reham Ossman waren Leichtathletinnen – sie gewann sie für den Fußball. | |
Ebenso schaffte sie es bei der erst 14jährigen Sara Hasanan oder der | |
Stürmerin Magdoleen Mahran (20). Die war ägyptische Tennismeisterin. Hawary | |
half ihr nach einem Ranglistensturz ihre Liebe zum Fußball neu zu | |
entdecken. „Als Kind habe ich oft mit den Jungen gekickt“, sagt Mahran. | |
„Ich war deshalb richtig froh, als ich Sahar Hawary kennengelernt habe.“ | |
Sahar Hawary, die einen Universitätsabschluß in Massenkommunikation hat, | |
ist tatsächlich eine energische Frau. Wenn sie etwas will, kriegt sie es | |
auch. Mittlerweile ist sie Präsidentin der Frauen im Ägyptischen | |
Fußballverband. „Daß Frauenfußball 1996 olympisch wurde und im ägyptischen | |
Fernsehen diese Fußballspiele gezeigt wurden, hat meinen Argumenten sehr | |
geholfen“, sagt sie. Immer wieder habe sie gedrängt, Ägypten dürfe nicht im | |
Abseits stehen, wenn ein Sport die Welt erobere. Es hat geholfen. Ägyptens | |
Sportminister erkannte nach Olympia den Frauenfußball als Sport an. Der | |
Fußballverband zog im letzten Jahr nach. | |
Mittlerweile nimmt die Nationalelf bereits an internationalen Wettbewerben | |
teil. Sie ist dank der Energien und der Strategie ihrer Chefin spektakulär | |
gestartet: Im Winter veranstaltete Hawary beim männlichen Traditionsverein | |
Zamalek in Kairo ein Five-a-side Hallenturnier. Die Teilnehmer waren | |
Marokko, Algerien, Tunesien, Lybien, Syrien, Jordanien und der Libanon. | |
Ägypten erreichte das Finale, verlor jedoch mit 2:3 gegen Marokko. Das | |
Fernsehen übertrug live, obwohl es vom Gold der Saudis dominiert wird, die | |
bekanntlich am stärksten den arabischen Traditionen verhaftet sind. | |
Das erste offizielle Länderspiel fand im April dieses Jahres in Port Said | |
statt. 15.000 Zuschauer, Liveübertragung, 1:1 gegen Uganda in der | |
Qualifikation zur WM und am Ende Tränen, die über das Gesicht von | |
Torhüterin Shereen Shalaby kullerten. „Ich habe einen Fehler gemacht, der | |
guten Torwarten nicht passieren darf“, sagte Shalaby (21). Die ehemalige | |
Volleyball-Nationalspielerin kassierte den Ausgleichstreffer, weil sie eine | |
Flanke unterlaufen hatte. Entsprechend glücklich war sie, als beim | |
Rückspiel in Kampala vor 20.000 Fans Heba Farouk ihr Team mit 1:0 ins | |
Finalturnier schoß, bei dem ab dem 1. Oktober die beiden WM-Tickets | |
vergeben werden. | |
In Nigeria müssen sich die Frauen mit Marokko, Zaire und den „eagle queens“ | |
aus Nigeria, den Top-Favoritinnen, messen. Das Halbfinale ist möglich. Und | |
wenn dann die starken Südafrikanerinnen werden könnten? | |
Es ist ein Traum, aber der Verband tut einiges, damit er in Erfüllung geht. | |
Er hat sogar ein mehrwöchiges Sommertrainingslager in Rumänien und | |
Deutschland spendiert. Die Resultate waren ansprechend, insbesondere das | |
0:1 gegen die Bundesligistin Heike Rheine. In Deutschland zeigten die | |
jungen Ägypterinnen, daß sie über blendende Technik verfügen und zudem | |
äußerst motiviert und zweikampfstark sind. Nur die Auswertung der | |
Torchancen ist trotz aller Leidenschaft mangelhaft. Und es fehlt | |
verständlicherweise noch an Wettkampfpraxis. | |
In Ägypten gibt es noch keine Frauen-Teams in den Vereinen. Eine Liga soll | |
im kommenden Jahr gegründet werden. Bislang existieren lediglich mehrere | |
Trainings- und Sichtungszentren, vornehmlich in der Nordhälfte des Landes. | |
Aber selbst im traditionsbehafteten Ober-Ägypten tut sich etwas. Kadyr | |
Abdel Haleem aus Luxor ist Präsidiumsmitglied im Fußballverband und einer | |
der Vizepräsidenten im Parlament. Er bestätigt, daß den Traditionalisten | |
zunehmend die Argumente ausgehen. „Die Leute fragen mich oft, warum wir in | |
Luxor noch kein Trainingszentrum für Frauen haben. Ich möchte doch | |
bitteschön eines einrichten.“ Fußball für Frauen sei längst kein Tabu meh… | |
„Bei uns spielen Frauen Handball und schwimmen. Warum also sollen sie nicht | |
auch Fußball spielen, wenn die ganze Welt das tut?“ | |
Was hat Sahar Hawary gesagt? „Ich will Ägyptens Frauenfußball in Afrika an | |
die Spitze bringen und diesen Sport langfristig im gesamten arabischen Raum | |
etablieren.“ Es scheint, als sei sie auf dem besten Weg. Und: Bisher hat | |
sie noch alles geschafft. | |
31 Jul 1998 | |
## AUTOREN | |
Rainer Hennies | |
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