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# taz.de -- Sicherheit in Sotschi: In der Olympia-Festung
> 70.000 Polizisten und Soldaten, täglich neue Fahndungsfotos und
> US-Kriegsschiffe vor der Küste – es ist, als bereite sich Russland auf
> einen Krieg vor.
Bild: Sie sollen den Besuchern mit Rat und Tat zur Seite stehen: Polizisten in …
MOSKAU/SOTSCHI taz | „Sotschi ist von einem stählernen Ring umgeben.
Niemand gelangt unbemerkt hinein“, meinte der Vorsitzende des
Sicherheitsausschusses im US-Kongress Michael McCaul nach einer
Inspektionstour durch die kaukasischen Berge. Für die russischen Kollegen
kam die Anerkennung aus dem Lager des ewigen Gegenspielers einem
Ritterschlag gleich.
So lässt sich nicht nur der eigene Aufwand für die Sicherheitsvorkehrungen
rund um die Olympischen Spiele begründen, die am Freitag im russischen
Sotschi eröffnet werden. Auch die US-Präsenz im Schwarzen Meer lässt sich
so leichter hinnehmen. Für den Notfall liegen dort zwei US-Kreuzer mit 600
Soldaten vor Anker.
Weniger optimistisch schätzt der russische Kaukasusexperte Grigorij
Schwedow die Sicherheitslage ein. Der Chefredakteur des Portals
Kavkaz-uzel.ru hält Zwischenfälle in der unmittelbaren Olympiaregion mit
einer 40-prozentigen Wahrscheinlichkeit für möglich. Doppelt so hoch
veranschlagt er indes die Anfälligkeit des Großraums Sotschi. Vor allem die
Bahnstrecken seien an vielen Stellen nicht geschützt. Wer in Sotschi in den
Zug steigt, wird penibel durchsucht; wer hingegen an einer kleineren
Station ohne Kontrolle zusteigt, wird auch bei der Ankunft nicht
kontrolliert. Nicht asphaltierte Wege durch die Berge würden ebenfalls
nicht überwacht. Potenzielle Terroristen könnten dies als Einfallstor
nutzen.
Deren Fahndungsfotos hängen schon in Polizeistationen oder sind wie am
Grenzübergang in die separatistische Republik Abchasien im Süden Sotschis
auch der Öffentlichkeit zugänglich. Sie heißen Sarema oder Malika mit
Vornamen, sind zwischen 18 und 28 Jahre alt und stammen meist aus einer der
nordkaukasischen Republiken. Fast täglich komme ein neues Foto hinzu,
erzählt ein Offizier, der aus Sibirien nach Sotschi abkommandiert wurde.
Wenn eine junge Frau in den Republiken mehr als zwei Tage verschwunden sei
oder Eltern sie als vermisst meldeten, lande sie automatisch auf der
Fahndungsliste.
## Frauen unter besonderer Beobachtung
Da bisher vor allem Frauen Selbstmordattentate verübten, unterliegen sie
besonderer Beobachtung. Wer bei Anti-Terror-Aktionen des
Sicherheitsapparats den Ehemann oder einen Angehörigen verloren hat, rückt
als mögliche Attentäterin ins Blickfeld. Sogenannte schwarze Witwen werden
in letzter Zeit jedoch häufig von slawischen Islam-Konvertiten ersetzt. Bei
den Anschlägen in Wolgograd Ende Dezember stammte der Attentäter aus diesem
Umfeld.
Der amerikanische Islam- und Sicherheitsexperte Gordon M. Hahn stellte
fest, dass sich das Wilajat Dagestan seit Längerem darauf spezialisiert,
zum Islam konvertierte Russen anzuwerben. Diese Überläufer fallen nicht
mehr durch ihr Äußeres auf. Und in ideologischer Hinsicht verkörpern sie
einen noch radikaleren Schlag des selbsternannten Gotteskriegers.
Als vorletzte Woche ein Bloggerportal mutmaßte, mit Rusana Ibragimowa halte
sich eine Terroristin in der Stadt auf, schwiegen die Behörden. Sollten nur
falscher Alarm und Panik vermieden werden? Oder war ihnen die Frau alias
Salima tatsächlich durch die Maschen gegangen? Aufklärung blieb zunächst
aus.
Andrej Soldatow, russischer Sicherheitsexperte und Chef des analytischen
Portals Agentura.ru, sieht darin einen weiteren Beleg, dass russische
Sicherheitskräfte auf Krisensituationen nicht ausreichend vorbereitet
wurden. Seit der letzten Reform im Kampf gegen den Terror 2006 stünde immer
noch ein bewaffneter Konflikt mit großen militanten Gruppen im Mittelpunkt,
obwohl Anschläge seit Jahren von Einzeltätern verübt würden.
Reibungsverluste verursacht die schwerfällige Koordination zwischen dem
föderalen Geheimdienst und den regionalen Unterabteilungen. Vor allem in
den nordkaukasischen Republiken bestehen gegenüber der Moskauer Zentrale
gravierende Vorbehalte.
## Polizisten als Partner
Mehr als 70.000 Polizisten, Soldaten und Spezialeinheiten sind laut
offiziellen Angaben in und um Sotschi stationiert. Einige Hundertschaften
von Agenten in Zivil dürften noch dazukommen. Polizei patrouilliert in den
Straßen.
Etwa die Hälfte der in der Stadt zusammengezogenen 30.000 Polizisten stammt
nach Angaben des russischen Innenministeriums aus anderen Teilen des
Landes. Sie sollen nicht nur für Sicherheit sorgen, sondern den Besuchern
auch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Für die russische Ordnungshüter ist
dieser partnerschaftliche Ansatz eine neue Erfahrung. Auch die Kontrollen
an Bahnhof und Flughafen verlaufen reibungslos. Selten wird ein Reisender
in Russland so zuvorkommend behandelt.
„Putins Image ist aufs engste mit den Olympischen Spielen verknüpft“, meint
der Exgeheimdienstler und frühere Parlamentsabgeordnete Gennadi Gudkow.
„Daher wird getan, was getan werden kann.“
Experten warnen, dass sich der Terror aufgrund der Konzentration der
Sicherheitsvorkehrungen in Sotschi leichtere Ziele in anderen Teilen
Russlands suchen könnte. Auch dort würde ein Terrorakt den Effekt nicht
verfehlen. In Moskau, Sankt Petersburg und einigen anderen mittelgroßen
Städten sind bereits höhere Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden.
Häufig besuchte Plätze und Verkehrsknotenpunkte werden stärker überprüft.
Eines der größten Ärgernisse für die Einwohner Sotschis während der
Bauarbeiten war der ständige Stromausfall. Oft wurde die Versorgung
abgestellt, da der Strom anderweitig benötigt wurde oder das Netz
zusammengebrochen war. Um falschen Alarm auszulösen, bedarf es nicht
unbedingt eines Terroranschlags.
6 Feb 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Russland
Sotschi 2014
Terrorabwehr
Polizei
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