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# taz.de -- PR-Aktion des Ölkonzerns: Shell geht baden
> Der Ölkonzern wollte in Berlin in einer PR-Veranstaltung sein Image
> aufpolieren. Am Ende mutierte der „Science Slam“ zu einer
> Anti-Shell-Aktion.
Bild: Eine Riesensauerei: Videostill aus „Slam Shell – Science Slam 2013“.
BERLIN taz | Im Fußball würde man sagen, bis zur 90. Minute sah alles ganz
gut aus. Shell hat am Mittwochabend akademischen Nachwuchs ins Berliner
Tempodrom geladen, zum „Science Slam“. Ein hippes Format mit
Underground-Flair, in dem Studenten und junge Wissenschaftler in
10-minütigen Vorträgen spritzige Ideen, Theorien oder Erfindungen für eine
bessere Welt möglichst lustig präsentieren.
Mit dabei und als letzter von sechs Beiträgen gesetzt ist ein Team um den
Studenten Paul von Ribbeck mit folgender Idee: Ein Benzin-Auto,
ausgestattet mit einer Art von neuartigem Katalysator, der das
klimaschädliche CO2 gleich an Bord aus den Abgasen filtert. Ganz im Sinne
eines multinationalen Ölkonzerns.
Einen Prototypen des Reinigungssystems haben sie gleich mitgebracht. Ein
rollbarer Kasten, aus dem Schläuche führen. Ein Fake. Paul von Ribbeck
heißt eigentlich Jean Peters, ein Berliner Politik-Aktivist und früherer
taz-Kolumnist, der trotz zweier Master-Abschlüsse seinen Lebensunterhalt
lieber als Clown verdient.
Es ist nicht der einzige Protest an dem Abend. Noch bevor Ex-MTV und heute
ZDF-Kultur-Moderator Markus Kavka das Wort ergreift, steht ein Rapper auf
und singt vom schwarzen Blut der Erde, das zum Himmel schreie, von
Bohrungen in der Arktis und dem ölverseuchten Niger-Delta, in dem auch
Shell fördert. Alles noch nach Plan, der hat sich bei den Veranstaltern
angekündigt. Shell will ja kritisch diskutieren, erträgt die Gegner, so die
Linie.
## „Wir wollen das Auto der Zukunft bauen“
Ein Jury-Mitglied von Shell geht konstruktiv auf den Song ein, redet davon,
wie groß die globalen Herausforderungen seien: „Wir müssen nach
Alternativen suchen.“ Den ersten Vortrag hält Sven Benthin von der „Grünen
Stadt Planungsgemeinschaft“, es geht, ernsthaft, um mehr Pflanzen in
Städten doch auch hier: ein Haufen Anspielungen gegen Shell.
Benthin flucht über den Winter, zeigt Bilder von Snowboardern im Wüstensand
und wünscht sich einen schnelleren Klimawandel. Auch der nächste Beitrag
ist nur ein Vehikel für unverhohlene Kritik: Student Ian aus England
erzählt was von Windmühlen und Batterien, eigentlich egal, am Ende ist eine
Zitrone zu sehen und er verliest ein Manifest gegen Mineralölkonzerne.
Kavka nimmt es noch gelassen, die Jury klatscht gequält, freut sich danach
über drei ernsthafte Vorträge über CO2-Abscheitung und Biosprit, bis Peters
alias von Ribbeck seine Maschine präsentiert. „Wir wollen das Auto der
Zukunft bauen“, sagt er und erzählt, wie er im Suff die bahnbrechende Idee
eines klimafreundlichen Motors hatte.
Dann will er das Wunder präsentieren und drückt auf einen Knopf an seinem
Gerät. Aus dem Inneren des Kastens ist ein Rattern zu vernehmen. Erst hebt
sich der Deckel leicht, etwas quillt heraus. Peters bekommt scheinbar
Panik, reißt den Deckel auf, eine Fontäne einer braun-schwarzen Flüssigkeit
schießt heraus – Lebensmittelfarbe mit Wasser.
## Keine Siegerehrung
Peters und sein Gehilfe sehen schnell aus wie zwei Ölbarone nach einer
erfolgreichen Bohrung. Im Saal brandet Jubel auf, ein paar versuchen
dagegen anzubuhen. Schließlich zieht Peters den Stecker und hält triefend
eine Rede. „Hier kann man den Stecker ziehen, in der Arktis nicht“, sagt
er.
Tumult, einer der Science Slamer schnappt sich ein Mikro und verteidigt
Shell, einer aus dem Publikum brüllt zurück, man solle den Konzern
zerschlagen, Kavka bricht die Sache ohne Siegerehrung ab. Er sitzt am Ende
neben der Bühne und kritisierte die Aktion: „Ich finde es schade, dass die
Leute, die hier mit Ernsthaftigkeit rangehen, ihrer Möglichkeiten beraubt
werden.“
Shell sagt, der Science Slam sei nicht als PR, sondern als Plattform für
junge Wissenschaftler gedacht. „Wir wollen den Dialog und respektieren
andere Meinungen. Diese Aktion war dem Dialog aber nicht zuträglich“, sagte
eine Sprecherin.
Hinter der Aktion steckt [1][eine ganze Gruppe von Aktivisten.] Ihnen geht
es laut Peters nicht nur um Kritik an Shell, sondern auch um die Art des
Protest: Die Zivilgesellschaft und Umweltverbände ließen sich mittlerweile
auf zu viele Kompromisse mit Konzernen wie Shell ein. „Wer von einem
radikalen Wandel spricht, der wird nicht mehr ernst genommen“, kritisiert
Peters.
12 Dec 2013
## LINKS
[1] http://twitter.com/PengBerlin
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Shell
Öl
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Umweltschutz
Umweltschäden
Ausbeutung
Nigeria
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Brasilien
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