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# taz.de -- ■ Auf Augenhöhe: Kaffeetrinken mit Nina Hagen Von Gereon Asmuth
Voll daneben, wenn der Gerüstbauer morgens mit den Schellen rasselt, mit
dem Hämmerchen klopft und das Nachbarhaus einrüstet. Und das auch noch an
meinem freien Tag. Folglich nehme ich mein Frühstück auswärts ein.
Im „Schwarz Sauer“ in der Kastanienallee trifft man gewöhnlich nicht nur
auf frisch geschäumten Milchcafé, sondern auch auf angenehme Gäste. Heute
aber nerven sie wie die Gerüstbauer. Genauer gesagt drängen sich zwei
Frauen neben mich an den Tisch, um dort – Blasentee – trinkend den „Horro…
ihres Agenturlebens auszubreiten. „Ich musste persönlich bei Thomas D.
anrufen, um die Kampagne für die Fantastischen Vier zu kriegen“, jammert
eine Blonde. „Ach Gott“, krächtzt die Zweite, „wie können wir dir nur
helfen?“
Ich beschließe, zu gehen. „Oh der Arme“, ruft mir die eine Dame hinterher.
„Musstest dir jetzt unseren ganzen Scheiß anhören“, ätzt die Zweite
blasiert.
In der „Kapelle“ am Zionskirchplatz scheint es ganz passabel zu sein. Kaum
dampft der Kaffee auf dem Tisch, tritt eine Frau durch die Tür, die sich
bei genauerem Hinschauen als Nina Hagen erweist. Eine ältere Frau, ungefähr
der gleiche Jahrgang wie die Hagen, nur mit weniger Falten, wippt nervös
auf ihrem Hocker. Gebannt starrt sie auf die Alt-Punkerin, die sich samt
jugendlich-männlicher Begleitung an meinem Nachbartisch platziert hat.
Schließlich trippelt sie herbei und bittet den Popstar um „eine
Unterschrift“. Sie erhält ihr Autogramm und schwebt, selig wie ein
Teenager, der gerade von einem der Backstreet Boys geküsst wurde, zurück zu
ihrem Tisch.
Wenig später lässt die Punk-Lady ihren Begleiter bezahlen. Derweil zuppelt
sie ein Buch, auf dessen Titel ein Buddha prangt, aus ihrer Umhängetasche –
und wendet sich an mich. Als wolle sie mir den „Wachturm“ andrehen, hält
sie mir das Buch mit breitem Lächeln erst unter die Nase und legt es dann
neben meine Kaffeetasse.
Doch zu früh gefreut. „Ach“, korrigiert sich Nina, und entreißt mir die
Erleuchtungsfibel. Ihr war aufgefallen, dass sie in das Buch bereits eine
Widmung gekritzelt hatte. „Das hab ich ja schon jemand anderem geschenkt“,
sagt sie entschuldigend.
Da offenbar auch ein zweites Elaborat, das sie aus ihrem Beutel gekramt
hat, nicht ihren Vorstellungen entspricht, schließt sie den Reißverschluss
und unsere Begegnung mit den Worten: „Dann halt beim nächsten Mal.“ Als sie
schon in der Tür steht, wendet sie sich noch mal mir zu: „Das gibt's auch
im G-Punkt-Reichelt-Verlag“.
1 Nov 1999
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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