# taz.de -- Der die Beats nach Tanger holte | |
> ■ Leben wollte er nur unter dem Himmel über der Wüste. Also zog Paul | |
> Bowles 1947 nach Nordafrika. Dort wurde er zur Legende. Nun ist der | |
> Schriftsteller 88-jährig in Tanger gestorben | |
St. Gallen (taz) – Paul Bowles, geborenen 1910 auf Long Island bei New | |
York, amerikanischer Schriftsteller und Komponist, ist am Donnerstag im | |
italienischen Spital von Tanger im Alter von 88 Jahren gestorben. Mit | |
seinem Tod geht eine Ära zu Ende, wird er doch neben Allen Ginsberg, | |
Herbert Huncke und William Burroughs, die alle in den neunziger Jahren | |
gestorben sind, zu den letzten großen Vertretern der Beat-Generation | |
gezählt. Freilich, fragte man Bowles selbst, ob er sich zu dieser Strömung | |
rechne, so lächelte er nur und verneinte dann sanft, aber bestimmt. | |
Aus guten Gründen. Weder führte er, wie Huncke etwa, ein Leben, das am Rand | |
der Gesellschaft als Schaltstelle zwischen dem verbrecherischen Underground | |
und der literarischen Subkultur fungierte. Noch arbeitete er, wie | |
Burroughs, mit Methoden wie dem Cut-up. Noch hing er, wie Ginsberg, den | |
Flower-Power-Idealen an. | |
Paul Bowles war viel zu sehr ein Erzähler im klassischen Sinn und, was | |
seine Lebenshaltung betrifft, viel zu stark geprägt vom höflichen, | |
wohlstrukturierten englischen Geist, um ihn der Beat-Generation allein | |
zuzuschlagen. Er schlug eine Brücke zwischen der Lost- und der | |
Beat-Generation und stellte darüber hinaus etwas ganz Eigenes dar; ein | |
Monolith. | |
Von Amerika hatte sich schon der knapp 20-Jährige losgesagt, als er dem | |
strengen Vaterhaus ohne Vorankündigung entfloh, nicht etwa aufs Land zu den | |
Großeltern, sondern gleich über den Atlantik, nach Paris. | |
Dort klopfte er bei Gertrude Stein an, die ob seiner Jugend heiter erstaunt | |
war, hatte sie doch aufgrund seines gehobenen Briefstils einen älteren | |
Herren erwartet. Sie war es auch, die ihm empfahl, sich Tanger anzuschauen, | |
das er denn 1931 zum ersten Mal sah: „Es ist unvorstellbar schön hier, das | |
Meer pfauenfederblau“, schrieb er an einen Freund gleich nach der Ankunft. | |
Die Stadt grub sich ihm ein. Und als er 1947, ermüdet vom vielen | |
Auftragsschreiben für Zeitungen und vom Komponieren für den Broadway, einen | |
Traum hatte, in dem ihm Tanger erschien, zog er in die nordafrikanische | |
Stadt. 1948 folgte ihm seine Frau Jane Bowles (1917-1973), selbst eine | |
talentierte Schriftstellerin, nach. 1949 erschien sein Roman „Der Himmel | |
über der Wüste“ (The Sheltering Sky), der zu einem Welterfolg wurde; darin | |
war bereits sein Kardinalthema, auf dem zu einem guten Teil auch seine | |
Stories und die drei späteren Romane basieren, angelegt: der Bewusstseins- | |
und Identitätsverlust eines Repräsentanten der westlichen Zivilisation im | |
Labyrinth der maghrebinischen Fremde. | |
Sein Anliegen war es, das Fremde nicht zu verwischen, sondern es durch die | |
unüberbrückbare Distanz, die es vom Eigenen ternnt, in der Würde seiner | |
Einzigartigkeit zu zeigen. Trotz oder gerade wegen seines hohen | |
Bewusstseins um diese Distanz wirkte Bowles auch als Kulturenvermittler. | |
Im Westen machte er marokkanische Autoren wie Larbi Layachi, Mohamed Mrabet | |
oder Mohamed Choukri durch seine Übersetzertätigkeit zu beachteten Autoren. | |
Und ohne ihn wären die Beats wohl kaum nach Tanger gekommen. Für die | |
Einwohner der Stadt war Bowles ein Mensch mit magischer Ausstrahlung; ging | |
er, noch im hohen Alter, auf den Suq oder in die Medina, konnte es durchaus | |
vorkommen, dass selbst Kinder herbeikamen, um die Hand des „Titanen von | |
Tanger“ zu berühren und ehrfürchtig „Merci pour Tanger“ zu flüstern. | |
Bowles war bereits zu Lebzeiten ein Mythos geworden, nicht nur für die | |
Tanjaouwis. Besonders seit Bertoluccis Verfilmung des „Himmels über der | |
Wüste“ strömten die Besucher in großer Zahl zu seinem bescheidenen | |
Apartment. Dann übte er sich stets in Gelassenheit, die der Ausdruck seiner | |
großen inneren Distanz gegenüber allen Phänomenen dieser Welt war. Florian | |
Vetsch | |
19 Nov 1999 | |
## AUTOREN | |
Florian Vetsch | |
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