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> Mit Focke Fock durchs Fegefeuer ■ Von Wiglaf Droste | |
Wilhelm Solms, Präsident der Literarischen Gesellschaften in Deutschland, | |
hatte zu einer Podiumsdiskussion nach Lübeck eingeladen. | |
Podiumsdiskussionen sind beknackt, aber erstens ist Wilhelm Solms ein ganz | |
reizender Mensch, und zweitens hat er dem Anwalt Albrecht Götz von | |
Olenhusen mit einem literarischen Gutachten einmal dabei geholfen, mich aus | |
einer juristischen Bredouille herauszuziehen, in die ein Chefredakteur der | |
PDS-Vereinszeitung Neues Deutschland mich hineinzutunken versuchte. Und | |
drittens war auch Gisela Güzel, und wir konnten schön zusammen Zug fahren. | |
Das Thema - Die soziale Verantwortung des Schriftstellers - war von Günter | |
Grass inspiriert und entsprechend abscheulich. Grass hatte in einem | |
Interview in der Süddeutschen Zeitung erzählt, Schriftsteller wie Kurt | |
Tucholsky und Thomas Mann seien mitschuldig am Untergang der Weimarer | |
Republik, denn sie hätten die Weimarer Republik stets nur kritisiert. Mit | |
solch steindummem sozialdemokratischem Gelalle aber ist es so: Druckt man | |
es, ist es in der Welt, und man hat es am Hals. | |
Vor der Podiumsdiskussion durfte man sich stärken. An langen | |
Gasthaustischen saßen die Vertreter der vielen, vielen literarischen | |
Gesellschaften Deutschlands. „Germanistik studieren und seinen Arsch auf | |
ein warmes Plätzchen hieven kann jeder“, schrieb Jörg Fauser in „Rohstoff… | |
Die Vertreter der literarischen Gesellschaften machten nicht den Eindruck, | |
als hätten sie Fauser mit Gewinn gelesen. Dafür kannten sie sich sehr gut | |
im großen Buch der Reisekostenabrechnung aus. Fast alle hatten Krabben | |
bestellt, die es in Lübeck so häufig gibt wie Marzipan und rote | |
Backsteinhäuschen. Der Kellner, ein älterer Mann mit schwer zu | |
lokalisierendem Akzent, wetzte Teller tragend durchs Lokal und rief | |
fragend: „Krabbm? Krabbm?“ Plötzlich tauchte er auch hinter Gisela Güzel | |
und mir auf: „Krabbm? Krabbm?“, haute es uns in die Ohren und blieb unsere | |
Weltdurchdringungsformel für lange Zeit: „Krabbm? Krabbm?“ | |
Anderntags spazierten wir durch Lübeck. Eine Straße hieß Fegefeuer, da | |
wohnten die Leser von Günter Grass. Etwas weiter sahen wir ein Metallschild | |
an einer Hauswand: Focke Fock, Rechtsanwalt. Focke Fock! Mit diesem Anwalt | |
an seiner Seite, das war klar, konnte man überhaupt nicht verlieren! Leider | |
war Sonntag und Herr Fock nicht zu Hause. War er in Portugal, wo Anwälte | |
Advogados heißen? Tumult im Gerichtssaal: Advogados werfen Avocados? Stritt | |
er gegen den glitschigen Gregor Gysi, dessen Existenz die Vermutung | |
nahelegt, die 600 in der DDR zugelassenen Anwälte seien noch 600 zuviel | |
gewesen? | |
Wir wußten es nicht - ersannen aber eine neue Reihe mit juristischer | |
Kinderliteratur: Trockendock für Focke Fock; Der Gonokokk hieß Focke Fock; | |
Am Marterpflock mit Focke Fock; Null Bock auf Blockwart und Plockwurst; | |
Focke Fock im Schottenrock; Was schlägt die Clock für Focke Fock?; Focke | |
Fock, der Lockenkopf; Focke Fock - ein Leben für die Diesel-Lok; | |
Elektroschock statt lahmer Zock - Focke Fock!; Focke Fock im Pornosock; | |
Krabbmbrot für Focke Fock. | |
Mit diesem Beistand ließ sich manches Fegefeuer durchstehen, sogar die | |
deutsche Literatur und sogar Günter Grass. | |
31 Dec 1999 | |
## AUTOREN | |
Wiglaf Droste | |
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