# taz.de -- „Die PDS ist kein Bündnispartner“ | |
> ■ SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit hält die PDS bis über die nächste W… | |
> hinaus nicht für bündnisfähig. Er sieht in ihr eine Kaderpartei, die sich | |
> nicht den Herausforderungen der Zeit stellt und die Wähler mit falschen | |
> Versprechungen lockt | |
taz: Herr Wowereit, wie erklären Sie sich, dass der Landeshaushalt im Senat | |
weitaus geräuschloser verabschiedet wurde als in früheren Jahren? Liegt es | |
daran, das Finanzsenator Peter Kurth diplomatischer vorgeht als seine | |
Vorgängerin Annette Fugmann-Heesing? | |
Klaus Wowereit: Wir haben in den Koalitionsverhandlungen gute Vorarbeit | |
geleistet. Finanzsenator Peter Kurth hat nichts anderes gemacht, als diese | |
Eckdaten in die Haushaltspläne hineinzuschreiben. Seine aktive Leistung | |
kommt jetzt erst in der Phase der Konkretisierung. Die Bewährungsprobe | |
steht ihm noch bevor. Es müssen mehr als eine Milliarde Mark eingespart | |
werden. Darin steckt ein erhebliches Konfliktpotenzial. | |
Die SPD setzt darauf, dass ein verbessertes Erscheinungsbild der Großen | |
Koalition ihre Chancen bei der nächsten Wahl verbessert. Wie wollen Sie | |
dafür sorgen, dass die SPD in dieser Koalition Profil gewinnen kann? | |
Wenn man sich dauernd öffentlich streitet, bringt das beiden Parteien mit | |
Sicherheit keine Stimmen. Die SPD hat im Senat drei wichtige, | |
zukunftsgestaltende Ressorts übernommen. Wir werden aber auch dort, wo wir | |
nicht die Senatoren stellen, inhaltlich Initiativen ergreifen – und sagen, | |
was die SPD im Wirtschafts-, Innen- oder Kulturbereich anders machen würde. | |
Der SPD hat es geschadet, dass sie in den letzten Jahren vor allem mit | |
unangenehmen Entscheidungen in Verbindung gebracht wurde. Nun muß | |
SPD-Senatorin Gabriele Schöttler bald für Krankenhausschließungen | |
geradestehen. | |
In manchen Ressorts haben die früheren CDU-Senatoren eine schwere Erblast | |
hinterlassen – nicht nur im Krankenhausbereich. Auch im Kulturbereich ist | |
von Herrn Radunski vieles ausgesessen worden, was Frau Thoben jetzt zu | |
erledigen hat. Gabriele Schöttler hat das Zeug, die richtigen | |
Entscheidungen zu treffen. | |
Ob die SPD wieder eine führende Kraft wird, hängt nicht nur von ihrer | |
inhaltlichen Arbeit ab, sondern auch von möglichen Mehrheiten. Eine | |
rot-grüne Mehrheit ist in weiter Ferne. Müssen Sie fürchten, von einem | |
schwarz-grünen Bündnis ausgebootet zu werden? | |
Ich habe davor überhaupt keine Angst. Ich fände eine grün-schwarze | |
Koalition sogar spannend. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass | |
die Berliner Grünen und die Berliner CDU auf wesentlichen Politikfeldern in | |
absehbarer Zukunft koalitionsfähig werden – etwa in der Innen- oder | |
Ausländerpolitik. Eine realistische Chance für ein solches Bündnis sehe ich | |
vorläufig nicht. | |
Dann bleibt als Alternative zur Großen Koalition nur noch ein Bündnis mit | |
der PDS. Wann diskutiert die SPD darüber, ob und unter welchen Bedingungen | |
eine Regierungsbeteiligung der PDS denkbar ist? | |
Wir werden bestimmt keine PDS-Debatte führen. Wir werden uns mit der PDS | |
aber politisch stärker auseinandersetzen, im Parlament wie in den Bezirken. | |
Die PDS muss als größte Oppositionspartei fair behandelt werden. Aber für | |
uns ist die PDS kein Bündnispartner – zumindest nach dem jetzigem | |
Erkenntnisstand. | |
Rechnen Sie damit, dass sich das noch ändert? | |
Innerhalb von fünf Jahren bestimmt nicht. Da müssen sich die Strukturen der | |
PDS insgesamt ändern. Innerhalb dieser Legislaturperiode, aber auch darüber | |
hinaus kann ich nicht erkennen, dass die PDS ein Bündnispartner für die SPD | |
sein kann. | |
Warum sind Sie so skeptisch? | |
Die PDS schmückt sich mit Galionsfiguren, die eine mediale Ausstrahlung | |
haben. Aber auf der mittleren und unteren Ebene ist die PDS immer noch eine | |
alte Kaderpartei. Die PDS stellt sich nicht den Herausforderungen der Zeit. | |
Sie propagiert aus der Opposition heraus eine Verteilungspolitik, die in | |
der heutigen Gesellschaft nicht mehr möglich ist. Sie täuscht die Wähler. | |
Da sehe ich keine Bündnisfähigkeit. Das ist mit den Grünen anders. Wenn die | |
SPD stärker wird und die Grünen nicht ins Bodenlose abstürzen, sehe ich | |
durchaus Chancen für eine rot-grüne Koalition. | |
Das setzt voraus, dass Sie auch im Ostteil der Stadt Stimmen gewinnen. Wie | |
wollen Sie die Vorherrschaft der PDS brechen? | |
Wir haben ein erhebliches Wählerpotential links von der Mitte. Durch die | |
PDS wird dieses Potential für Koalitionen abgegraben. Da werden wir Profil | |
zeigen müssen, auch von der Basis her und die Menschen mit unserer | |
Glaubwürdigkeit überzeugen. Das ist kein leichter Weg, weil wir im Ostteil | |
weitaus weniger Mitglieder haben als im Westteil der Stadt. | |
Von 28 Senatsmitgliedern, die Staatssekretäre mitgerechnet, stammen 27 aus | |
dem Westen. Sehen Sie darin das richtige Signal an die Wähler im Osten? | |
Ich glaube nicht, dass das ein Signal ist. CDU-Fraktionschef Landowsky hat | |
eine einseitige West-Politik betrieben, und die CDU hat im Osten trotzdem | |
hinzugewonnen. Wir sind eine Partei, die beide Teile der Stadt | |
repräsentiert. Für uns ist es selbstverständlich, dass eines von drei | |
SPD-Senatsmitgliedern aus dem Ostteil der Stadt kommt. | |
Warum gilt das nicht für die Staatssekretäre? | |
Die Staatssekretäre werden nach ihrer spezifischen Fachkompetenz für ein | |
Ressort ausgewählt. Insofern sollte sich die Suche nach Staatssekretären | |
nicht auf einen Ortsteil beschränken. | |
Wenn es für Rot-Grün ohne die PDS nicht reicht, heißt das also: große | |
Koalition? | |
Das kann man heute noch nicht entscheiden. Die SPD ist eine Partei, die | |
etwas für diese Stadt tun will. Das kann man in der Opposition sehr | |
schlecht. Ich trete dafür ein, dass wir die Regierungsverantwortung 2004 | |
nicht abgeben, sondern als stärkste Partei den Regierenden Bürgermeister | |
stellen. | |
Warum diskutiert die SPD nicht offen über die PDS-Frage? | |
Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass sehr viele unter der SED gelitten | |
haben – und ganz bewusst in die SPD eingetreten sind, weil sie mit dieser | |
alten Partei nichts zu tun haben wollten. Manch einer aus dem Westen können | |
an diese Frage emotionsloser herangehen. Aber unsere Mitglieder im Ostteil | |
der Stadt haben das hautnah erlebt. Die Leute, von denen sie schikaniert | |
wurden, sind in dieser Partei noch immer vertreten. Da gibt es eine ganz | |
andere Emotionalität als in einer abstrakten Diskussion. | |
Das ist kein Hindernis für eine Diskussion. | |
Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn etwa auf Symposien der | |
Parteistiftungen darüber diskutiert wird. Aber es geht hier konkret um die | |
Frage an den SPD-Fraktionsvorsitzenden, ob bis zum Beginn der nächsten | |
Legislaturperiode eine Bündnisfähigkeit mit der PDS gegeben ist. Und da | |
sage ich Ihnen klipp und klar: Nein. | |
Die Frage nach neuen Mehrheiten hängt auch von der Personenkonstellation | |
innerhalb der SPD ab. Sie haben stets die frühere Finanzsenatorin Annette | |
Fugmann-Heesing unterstützt, die von Parteichef Peter Strieder aufs | |
Abstellgleis geschoben wurde. Was bedeutet das für Ihr Verhältnis zu | |
Strieder? | |
Ihre Einschätzung bezüglich Strieders Rolle ist falsch. Ich habe bedauert, | |
dass Frau Fugmann-Heesing nicht mehr dem Senat angehört. Das ist kein | |
Geheimnis. Sie wird auch weiter eine wichtige Rolle spielen. Aber es gibt | |
zwischen den handelnden Personen der SPD keine Verdrückungen, die einer | |
kooperativen Zusammenarbeit im Weg stehen. | |
Im Juli wird die SPD einen neuen Landesvorstand wählen? Wird es dann auch | |
einen Wechsel im Landesvorsitz geben? | |
Mir ist nicht bekannt, dass die Kandidatenfrage öffentlich diskutiert wird. | |
Wir haben einen Landesvorsitzenden. Er hat nicht zu erkennen gegeben, dass | |
er amtsmüde ist. Ich kenne keinen Gegenkandidaten. Solche Fragen werden am | |
Ende des Prozesses entschieden. | |
Bleibt die Frage nach dem nächsten Spitzenkandidaten. Auf den | |
Startpositionen – Parteivorsitzender, Bürgermeister, Fraktionsvorsitzender | |
– sitzen Peter Strieder, Klaus Böger und Sie. Haben Sie Ambitionen? | |
Ich habe mich damit noch überhaupt nicht beschäftigt. Als | |
Fraktionsvorsitzender habe ich alle Hände voll zu tun. Die Berliner SPD | |
wird diese Frage zum geeigneten Zeitpunkt klären. | |
Wäre es für die SPD vorstellbar, einen schwulen Spitzenkandidaten | |
aufzustellen? | |
Das wäre für die SPD sicherlich positiv beantwortbar. Die SPD ist eine | |
weltoffene Partei, die nach Qualifikation entscheidet. | |
Kann man als schwuler Mann in der Politik nur Erfolg haben, wenn man sich | |
diskret verhält? | |
Das glaube ich nicht. Für die einen ist dies Privatsache, die anderen | |
stellen ihr politisches Engagement vornehmlich in den Dienst der | |
Emanzipation von Schwulen und Lesben. Das ist in Ordnung. | |
Interview: Dorothee Winden und Ralph Bollmann | |
14 Jan 2000 | |
## AUTOREN | |
Dorothee Winden / Ralph Bollmann | |
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