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# taz.de -- Neue Lebensformen des Materials
> ■ Nehmen mit, was geht: Im Künstlerhaus zeigt die junge
> KünstlerInnengruppe „Mikrokulturen“ zuckerkranke Zuckerbäckermeister,
> Vaginas und andere Viren
Das kann ja nicht gut gehen: Da steht die lebensgroße, nackte männliche
Brunnenfigur und pisst. Der Skandal liegt aber weniger im Motiv, als im
Material: Das Ding ist komplett aus Zucker gegossen. Sowas wird mit
Selbstauflösung bestraft.
So wie hier Simon Wunderlich thematisieren auch die meisten der dreizehn
anderen Mitglieder der Gruppe „Mikrokulturen“ im wei-testen Sinne
Biologisches. Das spartenübergreifende Rudel von Kunsthochschulstudenten
arbeitet seit Wochen im Künstlerhaus Hamburg an einer Gruppenschau, die
bestenfalls am letzten Tag fertig sein wird. Da konstruiert Süman To an
einem Symbionten, einer neuen Lebensform zwischen PC und Monster, da
forscht Martina Ring über Kompostwürmer und schmückt die Säulen mit
langgezogenen Wurmmenschen, da verteilt Julian Rohrhuber selbstgestaltete
Viren im Raum, den er zudem mit einer Blumenvase voller
Lautsprecherpflanzen mit künstlichem Insektengeräusch schmückt.
Aus Schaumstoff hat Dirk Meinzer eine riesengroße Vagina mit den Zähnen
herausgebissen, Leuchtschimmel krebst über die Decke, Fließbilder erläutern
unverständliche Systematiken und in einer gemütlichen Ecke wird zur
Herstellung von Kettenfilmen aufgefordert. Bei alledem sind die
medizintechnischen und medialen Bezüge deutlich erkennbar. Und doch hat
sich der Mensch im Kern nur wenig von seinem tierischen Ursprung entfernt:
Wolfsfrau Corinna Korth pflegt in einem fast echten Wolfsbau ihre fast
echten Welpen.
Es ist eine junge, positiv zeit-geistige, wenn auch teils etwas chaotische
und mitunter erklärungsbedürftige Kunst, die schon früh ihren Markt testet.
Und es ist doch auch im ironischen Doppelsinn eine „schwärmerische
Gemeinschaft“, die sich in künstlerischer Analogie zu den erfolgreichen
Überlebensprogrammen der Viren „einschleichen, festsetzen, ausbreiten und
alles mitnehmen will, was geht“.
Dass dabei die Grenzen der Fachbereiche nicht respektiert werden, versteht
sich von selbst: Bühnenbildelemente oder eine Probe für ein Stück aus dem
Repertoire des „Junge Hunde“-Festivals gehörten ebenso zum Programm der
Ausstellung wie ein zuckerkranker Zuckerbäcker-meister und andere Gäste aus
Wissenschaft, Literatur und Musik. Und auch auf der Finissage wird es neben
Sound und Tanzperformances noch Vorträge geben: Geladen sind der
Wahrheitsforscher Prof. Otto Nacke und ein Managementtrainer. Hajo Schiff
[1][www.Mikrokulturen.de] ; Künstlerhaus Hamburg, Weidenallee 10 B, Fr – So
ab 17 Uhr, bis 14.Mai; Finissage: So, 14. Mai, ab 20 Uhr
12 May 2000
## LINKS
[1] http://www.Mikrokulturen.de
## AUTOREN
Hajo Schiff
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