# taz.de -- Brennpunkt besetzte Schule: „Wir brauchen Hilfe von außen“ | |
> Die Situation in der besetzten Schule in Keuzberg ist dramatisch. Die taz | |
> hat Vorschläge gesammelt, wie man die Situation ändern könnte. | |
Bild: Im Hof der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg. | |
Eingeschlagene Fenster, Matratzenlager in Klassenräumen, defekte Toiletten: | |
Die Situation in der seit Dezember besetzten früheren Hauptmann-Schule in | |
der Ohlauer Straße (Kreuzberg) ist dramatisch. Rund 250 Menschen leben dort | |
inzwischen: Asylbewerber verschiedenster Bundesländer, Arbeitssuchende aus | |
Osteuropa und Obdachlose. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sieht den Bezirk | |
zuständig. Innensenator Frank Henkel (CDU) auch, er kritisiert das grün | |
geführte Bezirksamt als verantwortungslos. Das will sich am Freitag in | |
Gestalt von Sozialstadtrat Hans Panhoff mit den Bewohnern der Schule | |
treffen. | |
Evi Gülzow, Diakonisches Werk Stadt-Mitte: „Es muss schnell was passieren, | |
sonst explodiert hier was. Wir haben am Mittwoch drei Duschen in dem Haus | |
installiert. Die Bewohner können jederzeit zu uns in die Beratungsstelle | |
kommen. Ihnen im Haus Sozialarbeiter vor die Nase zu setzen macht keinen | |
Sinn. Das wollen sie auch nicht. Für ihre Sicherheit in dem Haus müssen sie | |
schon selbst sorgen. Das haben die Hausbesetzer früher doch auch geschafft. | |
Man kann nicht immer nur auf staatliche Strukturen zurückgreifen. Ich bin | |
froh, dass ich keine Politikerin bin. Man fühlt sich in gewisser Weise | |
ohnmächtig. Das Bezirksamt verhält sich sehr vernünftig. Das Haus räumen zu | |
lassen wäre ein großer Fehler.“ | |
Patras Bwansi, Flüchtlingsaktivist: „Die Schule gehört weiter zu unserem | |
Protest. Nach der Besetzung kamen immer neue Leute, die meinten, sie wollen | |
uns unterstützen oder sie bräuchten einen Platz für den Winter. Was sollten | |
wir machen? Hätten wir sie abweisen sollen? Vielleicht war es ein Fehler, | |
jedenfalls leben heute viele Menschen in der Schule und sie hat ihre eigene | |
Struktur. Nicht alle dort sind politisch aktiv, und natürlich gibt es auch | |
Probleme. Was erwarten Sie, wenn Leute aus so vielen Ländern | |
aufeinandertreffen? Wir haben immer wieder Treffen in der Schule, um die | |
Probleme zu klären. Wir machen klar, dass die Leute von außen auf diesen | |
Ort schauen. Und wir brauchen auch Hilfe von außen und politische | |
Unterstützung, um die Schule lebenswert zu machen. Eine Räumung würde gar | |
nichts lösen. Denn wir Flüchtlinge wären ja weiter da mit unseren | |
Problemen.“ | |
Hêja Ölki, Gladt (Selbstorganisation türkeistämmiger Lesben, Schwulen, Bi-, | |
Transsexueller und Transgender): „Derzeit haben wir unser Büro in | |
Tiergarten, unsere Hauptklientel ist aber in Kreuzberg und Umgebung. Darum | |
hatten wir uns für den Einzug in die Schule interessiert. Wir werden aber | |
nicht dorthin gehen, wenn dafür die Geflüchteten rausmüssten. Dann | |
verzichten wir. Wir könnten uns aber gut vorstellen, zusammen mit den | |
Geflüchteten im Haus zu arbeiten. Vor einem Einzug würden wir aber genau | |
gucken, ob die heutigen Bewohner wirklich in die Gespräche eingebunden | |
wurden.“ | |
Sabine Werth, Berliner Tafel: „Wir unterstützen das Haus mit Lebensmitteln | |
von der Berliner Tafel. Ursprünglich war das ja mal ein Haus ausschließlich | |
für Refugees. Aber da kann ja mittlerweile jeder rein. Ich finde das nicht | |
gut. Die politischen Forderungen werden dadurch verwässert. Es geht um viel | |
mehr als um ein paar Duschen. Die Leute sind ja nicht aus Spaß in Berlin. | |
Die sind auf der Flucht. Die Frage ist, was aus ihnen werden soll. Es | |
müsste sich dringend eine Unterstützerszene formieren.“ | |
Taina Gärtner, Unterstützerin des Flüchtlingsprotests: „Natürlich brauchen | |
Flüchtlinge in Notsituationen eine Bleibe, und das muss auch so bleiben. | |
Aber die Schule kann auf Dauer nicht nur ein riesiges Schlafhaus sein, die | |
Menschen dort brauchen konkrete Hilfestellungen und sie begleitende | |
Projekte. Das vom Bezirk geplante Projektehaus ist da schon der richtige | |
Weg. Bis dahin sind die Kreuzberger gefordert zu helfen, sich zu kümmern, | |
mal jemanden zu schnappen und einen Ausflug zu machen – einfach die | |
Isolation der Menschen dort brechen.“ | |
Sara Walther, Mitwirkende im autonom besetzten Vorderhaus, dem selbst | |
ernannten „Irving-Zola-Haus“: „Es darf nicht vergessen werden: Die | |
Besetzung der Schule erfolgte aus der Not heraus. Die Geflohenen kommen ja | |
nicht freiwillig und sie finden hier ganz offensichtlich keinen Platz. Dass | |
sie einen Ort der Selbstorganisation gebildet haben, ist doch erst mal | |
toll. Nur ist die Schule heute völlig überbelegt, da stößt | |
Selbstorganisation an ihre Grenzen. Dass dort so viele Menschen leben, | |
zeigt aber, wie groß das gesellschaftliche Problem ist. Es gab von Anfang | |
an Unterstützer aus der linken Szene, aber wir sind auch keine | |
Serviceeinrichtung für Sozialarbeit, die andere nicht leisten. Es wäre viel | |
geholfen, wenn den Flüchtlingen endlich Wohnungen angeboten würden.“ | |
PROTOKOLLE: PLUTONIA PLARRE | |
KONRAD LITSCHKO | |
4 Sep 2013 | |
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