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# taz.de -- Schlachten und ölen
> Wer es schafft, dass der Mob sich amüsiert, hat die Macht: Mit dem 107
> Millionen Dollar teuren „Gladiator“ versucht Ridley Scott, dem
> Sandalenfilm neues Leben einzuhauchenvon THOMAS WINKLER
Dass wir es doch bis ins einundzwanzigste Jahrhundert geschafft haben,
merkt man dann, wenn sich ein Gladiator vor Angst in die Toga macht und die
Pisse unübersehbar die Beine hinunterrinnt. So viel expliziter Realismus
war in den 50er-Jahren nicht drin, als noch Charlton Heston seine Quadriga
durch die Kampfbahn peitschte.
Nahezu ein halbes Jahrhundert später bekam Ridley Scott für „Gladiator“ e…
107-Millionen-Dollar-Budget, um das antike Historienspektakel in die
Neuzeit zu überführen. Dass er totgesagten Genres neues Leben einzuhauchen
vermag, hat Scott mit „Alien“ und „Blade Runner“ bewiesen. Nur war
Sciencefiction nie so tot wie der von italienischen Billigproduktionen und
abgedankten Bodybuildern geplagte Sandalenfilm.
Die visuelle Umsetzung ist tatsächlich grandios. Die Inszenierung des
ersten Aktes, in dem General Maximus eine Horde renitenter Germanen von
seinen Legionen niedermetzeln lässt, ist der gelungene Versuch, die Landung
in der Normandie aus „Saving Private Ryan“ im Lendenschurz nachzustellen.
Zwar verliert selbst die Kamera mitunter im Schlachtengetümmel den
Überblick, aber wenn das Blut dampfend vom in einem Baum steckenden Schwert
tropft, ist die Illusion komplett, wird das Bild allein durch seine
visuelle Kraft zum Symbol, zur Erfahrung, zu Kino.
Der nun folgende Versuch allerdings, den Sandalenfilm zu reanimieren,
schlägt fürchterlich fehl. Am Drehbuch von „Gladiator“ arbeiteten drei
Schreiber (so viele wie auch an „Ben Hur“ und „Der Untergang des römisch…
Reiches“), und noch während des Drehs wurde ständig umgeschrieben. Das
merkt man dem Film an. Die Geschichte vom römischen General Maximus, der
Ehre, Familie und Freiheit verliert, bevor er sich als Gladiator am bösen
Kaiser Commodus rächen kann, strotzt nur so von logischen Brüchen und
geographischen Ungenauigkeiten. So reitet Maximus, knapp dem Tode
entronnen, mal eben von Germanien nach Spanien, beweint dort seine Familie,
fällt in Ohnmacht und wacht irgendwo in Afrika im Gladiatorentrainingslager
wieder auf. Dass überhaupt ein römischer Bürger, ein General zudem, in
einem hoch bürokratisierten Militärstaat wie dem Römischen Reich mal eben
so in die Sklaverei verschleppt werden kann, nur weil er ein Nickerchen auf
seinem eigenen Grund und Boden macht, ist doch etwas unwahrscheinlich.
Dazu läuft Russell Crowe als Maximus herum, als hätte er rohe Eier unter
die Achseln geklemmt, also ganz wie der berentete Kraftsportler, der sonst
für solche Rollen rekrutiert wird. Ansonsten verzieht der für seine Rolle
in „The Insider“ für den Oscar nominierte Crowe keine Miene, und wo es ein
Grunzen oder ein böser Blick tut, macht er auch nicht viele Worte. Neben
Crowe fällt nicht einmal der unsägliche Ralph Moeller in einer Nebenrolle
als Fleischberg großartig unangenehm auf.
Nun gut, auch die klassischen Historiendramen wie „Ben Hur“ oder „Quo
vadis“ lebten weniger von schauspielerischen Glanzleistungen, logischen
Storylines oder historischen Korrektheiten, sondern von monumentalen
Massenszenen und blutigen Schlachten.
Doch auch hier bleibt „Gladiator“ trotz seines Budgets seltsam blass. Die
Tiger, gegen die Maximus kämpfen muss, sind unübersehbar ins Bild editiert,
und den Kamerafahrten über das antike Rom sieht man die Computergrafik
deutlich an. In ihrer unangenehmen, leblosen Starre erinnern sie gar an die
Modelle von Albert Speers Visionen für den Umbau Berlins zur
Reichshauptstadt Germania. Trotz solcher technischer Unzulänglichkeiten
rannten die Amerikaner wie von Sinnen ins Kino, als hätten sie ihr Leben
lang nur auf die Rückkehr der antiken Schlachteplatte gewartet. Dabei taugt
„Gladiator“ weder zum veritablen Epos noch als sozialistisches Lehrstück
mit schwulen Konnotationen wie Kubricks „Spartacus“. Stattdessen versucht
Scott mit Macht, die Pausen zwischen den Metzeleien zur Lehrstunde in
politischer Bildung umzubauen. „Ich habe nur die Macht, den Mob zu
amüsieren“, sagt Maximus und bekommt als Antwort: „Das ist Macht.“
Wenn das nicht Kritik am politischen System der USA ist, dann trägt Al Gore
ab morgen Toga. Schlussendlich braucht es allerdings nicht die ganze
Arbeiterklasse, sondern nur einen aufrechten Helden, der eigentlich nur
seine Familie rächen will, den Diktator zu stürzen und die Demokratie
wieder zu installieren. Die revolutionäre Kraft liegt also in der
konsequenten Umsetzung der family values. Da freut sich der
Neokonservatismus.
Nur das gute alte Christentum hat Scott verschont. Aber tatsächlich hätte
man sich wohl nicht mehr gewundert, wäre kurz vor Schluss auch noch Petrus
höchstselbst aus den Zuschauerrängen des Kolosseums gesprungen, um einem
sterbenden Gladiator die letzte Ölung zu verabreichen.
„Gladiator“. Regie: Ridley Scott. Mit: Russell Crowe, Joaquin Phoenix,
Connie Nielsen, Oliver Reed, Richard Harris. USA 2000, 154 Min.
Hinweis:Die revolutionäre Kraft liegt also in der konsequenten Umsetzung
der „family values“. Da freut sich der Neokonservatismus
24 May 2000
## AUTOREN
THOMAS WINKLER
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