# taz.de -- kabolzschüsse: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart | |
> Paintball | |
Man kennt das von den Räuber-und-Gendarm-Spielen. Völlig aufgeregt hirschte | |
man durchs Unterholz und schoss mit der Fingerpistole. „Bist tooot, hab | |
dich getroffen, na los fall um Doofie, ey.“ – „Gar nicht, hast daneben | |
gezielt, Blödie.“ – „Männo, du bist ein Fiesling, aber jetzt, tsch, tsc… | |
– „Tsch, tsch zählt nicht, Arschi, du musst peng, peng rufen.“ Und das g… | |
so weiter. Keiner fiel tot um, außer man wurde handgreiflich, was den Sinn | |
von Handfeuerwaffen arg in Zweifel zog. | |
Die Paintball-Gemeinde spielt Krieg. Etwas ernsthafter. Um sich nicht | |
streiten zu müssen, schießen sie mit Farbe, mit grünen, orangen, blauen, | |
roten und von einer Gelantinehaut ummäntelten Kugeln, die aus | |
Druckluftpistolen an den Mann gebracht werden. Plopp. Wer angekleckst wird, | |
ist raus. Der darf nicht mehr. Auf Theatralik kann verzichtet werden. Dem | |
Getroffenen ist es erlaubt, seine Vitalfunktionen aufrechtzuerhalten, wenn | |
er nur seinen markierten Leib behände aus dem Spielfeld hievt. Dieses ist | |
etwa 50 mal 35 Meter groß. | |
Das Gelände kann verschieden sein. Wald, Wiese, Feld. Hauptsache, es gibt | |
ein paar Unterstände, hinter denen man Deckung beziehen kann. Wenn die | |
beispielsweise auf einer Rasenfläche fehlen, dann werden Autoreifen | |
rangerollt oder Holzstapel gebaut, um dahinter Schutz zu suchen. Ziel einer | |
Mannschaft, die aus fünf bis zehn Leuten – auch Frauen dürfen totmachen – | |
besteht, ist es nun, die Fahne aus dem so genannten Tor des Gegners zu | |
klauen. Die reguläre Spielzeit beträgt zehn Minuten, kann aber beliebig | |
gewählt werden. | |
Zum Paintball gehört allerlei Beiwerk. Einstiegsdroge ist die | |
Paintball-Fibel „The Complete Guide to Paintball“ von Rob „Tyger“ Rubin… | |
Pete „Robbo“ Robinson. Kryptomilitaristen dieser Prägung erfreuen sich auch | |
an Büchern wie „Die Kunst des Krieges“ oder „Vom Kriege“ von Carl „C… | |
Clausewitz. Man will schließlich strategisch geschult sein, wenn der Krieg | |
als Fortführung der Freizeit mit anderen Mitteln beginnt. | |
Vom Gotcha wollen sich die Paintballer abgegrenzt wissen. Die seien viel zu | |
paramilitärisch, heißt es aus den Rotten Paintball Berlin und | |
Paintball-Verein Hot Guns Strausberg. Im Gegensatz zu den Gotchisten, die | |
sich in grüne Tarnanzüge werfen und das Gesicht mit Schafskacke | |
beschmieren, sei der Paintballer des „Armeetouchs“ völlig unverdächtig. | |
Warum? „Weil wir mit bunten Sachen spielen.“ Na dann. | |
Der Leitsatz eines der besten US-amerikanischen Paintballers, Bob Long | |
Ironmen, geht übrigens so: „Lass dir von niemandem deine Träume ausreden. | |
Sie können niemals die Kraft und Entschlusskraft deines Herzens ermessen.“ | |
Wow. Sehr beliebt ist momentan die Schusskraft der Tippmann „Model 98“ | |
Value Package. Zum Preis von 600 Mark ist die Puffe zu erstehen. Auch in | |
Silberdesign zu haben. Dann noch dieser coole Gesichtsschutz bestellt, | |
Bälle, Druckluftapparat, und es kann im Team geballert werden, was vor | |
allem 18- bis 20-Jährige geil macht. | |
Paintballer, bemüht um ein positives Bild, erzählen etwas vom Erlernen | |
essentieller Lebensweisheiten. Mannschaftsgeist, sich durchsetzen, | |
Niederlagen akzeptieren und so was fahren sie auf. Neueinsteigern wird | |
empfohlen, sich die Ohren zu bandagieren, damit es nicht wie bei Joschka | |
einschlägt, und überdies sollte sich der Novize in den ersten Partien | |
hinter einem dicken Baum verstecken und von den alten Kämpfern lernen. Wer | |
das möchte. | |
MARKUS VÖLKER | |
Auf der Außenseiterskala von null bis zwölf: 7 Punkte | |
2 Oct 2000 | |
## AUTOREN | |
MARKUS VÖLKER | |
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