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# taz.de -- Wissenschaft und Kunst: Der optimale U-Bahn-Plan
> Ein britischer Wissenschaftler hat den Linienplan der BVG neu gestaltet.
> Seine Varianten seien viel einfacher zu verstehen als der herkömmliche
> Plan, sagt er.
Bild: Mit verständlichen Plänen kämen die Fahrgäste schneller ans Ziel, sag…
Bei vielen Berlinern hängt der Plan des Verkehrsnetzes groß in der Wohnung,
bei den meisten Touristen steckt er klein in der Tasche. Manche kennen ihn
auswendig, wenige brauchen ihn nie: Das bunte Streckennetz gehört zum
Hauptstadtleben wie das Gelb zur BVG. Dabei sind S-und-U-Bahn-Pläne das
denkbar nüchternste Abbild einer Großstadt, reduziert auf ein Minimum von
Informationen. Dem Großstädter helfen sie dadurch, ein Grundbedürfnis
seines Lebens zu befriedigen: Bewegung.
Genau deshalb hat der britische Wissenschaftler Maxwell Roberts ein Problem
mit dem BVG-Plan. Letztes Jahr hat es Roberts zum ersten Mal nach Berlin
verschlagen, er versuchte, sich auf Strecken zurechtzufinden, die
mittendrin die Richtung wechseln und sich mit anderen Linien verdoppeln. Er
sah eine kurvenreiche U7 umherirren, die, wie er sagt, nicht wisse, was sie
will, und seiner Ansicht nach überflüssige Linien, die wie ein unpassender
Bilderrahmen um das Gesamtnetz geklemmt sind.
Als Roberts zurück war in Essex, wo er an der Universität kognitive
Psychologie lehrt, schmiedete er eigene Pläne. 12 Exemplare entwarf er für
den Berliner Nahverkehr und versuchte dabei vor allem zwei Dinge zu
vermeiden: Kurven und mehrere Linien nebeneinander. „Viele Designer
verstehen nicht, dass die Kraft in der Einfachheit liegt“, sagt Roberts.
Bei der Suche nach der optimalen Variante griff er auf Skizzen zurück, die
er in vielen Jahren Arbeit ausgetüftelt hatte.
Denn Roberts ist nicht einfach ein enttäuschter Berlin-Besucher sondern
einer, der darüber forscht, welche Informationen für eine bestimmte
Handlung nötig sind: Er will wissen, wie das menschliche Gehirn am besten
funktioniert. In den 1990er Jahren entdeckte er U-Bahn-Pläne als eine Art
alltägliche Intelligenztests. Seitdem sucht er nach Antworten auf folgende
Fragen: Welche Informationen braucht man, um möglichst schnell von A nach B
zu kommen? Welche sind überflüssig? Wie sieht der optimale U-Bahn-Plan aus,
der alles sagt und nichts verkompliziert? „Ein guter Plan hilft den Leuten,
die Welt zu verstehen. Er soll ihnen einen Denkschritt abnehmen“, erklärt
Roberts sein Ziel.
Über Jahre hinweg hat er in dieser Mischung aus Design- und
Psychologie-Forschung Schematiken ent- und verworfen, bis er variable
Möglichkeiten fand, die er für jede Großstadt anwenden kann. Mal zwängt er
die U-Bahn-Linien in konzentrische Kreise, mal wirft er sämtliche Ecken
heraus, mal nutzt er für Richtungswechsel nur 90-Grad-Winkel.
Nicht jede Möglichkeit sei für Berlin passender als der aktuelle BVG-Plan,
aber viele, sagt Roberts. Ausgewählt hat er schließlich das „multilineare
Streckennetz“ – optimal für den Alltagsgebrauch, findet er. „Es hat die
einfachste Linienführung und bändigt die kniffligen nebeneinanderlaufenden
S-Bahn-Linien“.
Auch den Londoner U-Bahn-Plan hat Roberts bereits umgeschrieben. In Tests
habe er herausgefunden, sagt er, dass die Nutzer seines Entwurfs im Schnitt
20 Prozent schneller ans Ziel gekommen seien als die Nutzer des
herkömmlichen Londoner Plans.
Doch was sich anhört wie ein achtbarer Erfolg, kam bei den Betreibern der
Bahn nicht gut an. Präsentieren durfte Roberts seine Pläne zwar, aber alles
blieb beim Alten. Die Liebe der Londoner zu ihrem U-Bahn-Plan wollten die
Verantwortlichen dann doch nicht aufs Spiel setzen.
Auch die BVG sieht derzeit keinen Grund für Veränderung. „Unser Plan ist am
Stadtplan orientiert“, sagt Sprecher Klaus Wazlak. Die Linien würden,
geografisch gesehen, auf dem Papier dort enden, wo die S- und U-Bahnen in
Wirklichkeit auch hinfahren– anders als bei Roberts Plänen. Zudem wären die
Kosten, sagt Wazlak, alles neu zu drucken, viel zu hoch.
Ein Trost für die Berliner: Die meisten kennen ihren Plan ja schon.
Insofern dürfte jahrelange Gewohnheit dazu führen, dass sie trotzdem zügig
ans Ziel kommen.
18 Jul 2013
## AUTOREN
Wiebke Schönherr
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