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# taz.de -- Bildet virtuelle Banden
> Was macht die Gewerkschaftslinke mit der Internationalisierung? Sie lernt
> von den Liverpooler Dockern und geht ins Netz. LabourNet Germany wird
> zwei Jahre alt
KÖLN taz ■ Linke Gewerkschafter werden gern als eine Art Dinosaurier
wahrgenommen: klassenkämpferisch, kapitalismuskritisch, aber irgendwie
nicht mitgekommen bei den aktuellen Entwicklungen und deswegen ohne Antwort
auf neue Fragen. Diese Einschätzung ist nicht immer richtig. Jenseits der
offiziellen Gewerkschaftsapparate hat sich ein internationales Netzwerk
herausgebildet, das die Herausforderungen des Informationszeitalters nutzt
und offensive gewerkschaftliche Organisation fördern will. Es organisiert
sich – wo sonst – im World Wide Web. Dieser Tage feiert das LabourNet
Germany schon seinen zweiten Geburtstag.
Auslöser für die virtuelle Vernetzung war der rund zweieinhalb Jahre
dauernde Streik Liverpooler Werftarbeiter gegen die geplante Einführung von
Niedriglöhnen. Sie hatten 1995 eine Solidaritätskampagne via Internet
organisiert. An der US-amerikanischen Westküste, in Australien und in
japanischen Häfen weigerten sich Kollegen daraufhin, Schiffe abzufertigen,
die in Liverpool geladen hatten.
Daraus entstand die Idee, das Internet auch für andere Arbeitskämpfe als
Medium zu nutzen. Eine Handvoll Briten waren im November 1995 die Ersten,
die eine entsprechende Homepage unter dem Namen „LabourNet“ ins Netz
stellten. Mittlerweile gibt es nationale LabourNets unter anderem in
Kanada, Korea und Österreich. Das LabourNet Germany, das sich als
„virtueller Treffpunkt der Betriebs- und Gewerkschaftslinken“ bezeichnet,
existiert seit 1998.
Den wichtigsten Unterschied zu den offiziellen gewerkschaftlichen
Netzauftritten hat eine Zeitschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
auf den Punkt gebracht: „LabourNet Germany – Gewerkschaftsnews, die in
keiner Zeitung stehen“. Auch in keinem einzelgewerkschaftlichen oder
DGB-Organ, müsste man hinzufügen. Denn das LabourNet greift auch Themen
auf, die dort bewusst verschwiegen werden: Druck des DGB-Vorstandes auf
kritische Mitarbeiter, Arbeitskämpfe, die auch ohne den Segen der
Gewerkschaft geführt werden, Berichte über Vernetzungsbestrebungen linker
Gewerkschafter jenseits der Virtualität.
Mit mehr als 3.000 täglichen Zugriffen auf die Homepage ist das LabourNet
eines der erfolgreichsten linken Medienprojekte im deutschsprachigen Raum.
Redaktionell betreut wird es von der Industriesoziologin Mag Wompel und dem
IG-Metall-Betriebsrat Dave Hollis. Das Selbstverständnis resultiert vor
allem aus der Kritik an den bestehenden Gewerkschaftsstrukturen, die sich
in der Standortlogik ihrer „Sozialpartner“ verfangen haben. „Uns reicht es
nicht aus, einzelne Funktionäre zu kritisieren“, so Wompel. „Das Problem
der Gewerkschaften ist nicht nur ihre politische Ausrichtung, sondern auch
eine mangelnde innergewerkschaftliche Demokratie.“ Trotzdem will sie
unzufriedene Mitglieder nicht zum Verlassen der Gewerkschaft auffordern.
„Wir rufen oppositionelle Kräfte vielmehr dazu auf, die Gewerkschaften zu
verändern.“
Aktuell ist das LabourNet Germany dabei, neben der Rentendebatte und der
Reform des Betriebsverfassungsgesetzes auch die geplante Fusion von Fiat
und General Motors unter die Lupe zu nehmen. Schließlich stehen dabei
international Arbeitsplätze und -bedingungen auf dem Spiel. Die
Beschäftigten der General-Motors-Tochter Opel sollen wissen, was „ihre
italienischen Kollegen als Gegenwehrmaßnahmen planen“, erklärt Wompel. Auch
Fiat-Beschäftigte informieren sich auf der Homepage des LabourNet Germany,
das Vorschläge der Opel-Leute ins Italienische übersetzt hat.
Manchmal kommt es vor, dass auch offizielle Gewerkschaftsbeschlüsse vom
LabourNet begrüßt werden. So zum Beispiel, als die IG Medien auf ihrem
außerordentlichen Gewerkschaftstag Anfang September als erste
Einzelgewerkschaft entschied, das „Bündnis für Arbeit und
Wettbewerbsfähigkeit“ zu verlassen. Die Mehrheit der
Gewerkschaftsmitglieder war der Ansicht, dass nicht die abhängig
Beschäftigten, Jugendlichen und Erwerbslosen, sondern die Unternehmer vom
Bündnis profitierten, und will sich nun auch innerhalb des DGB für einen
Ausstieg einsetzen. Für das LabourNet Germany Grund genug für eine
Sondermeldung. GERHARD KLAS
[1][www.labournet.de]
14 Nov 2000
## LINKS
[1] http://www.labournet.de
## AUTOREN
GERHARD KLAS
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