Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gewalt um der Gewalt willen
> Die schwedische Polizei war überfordert. Und die wohl zugereisten
> Gewalttäter haben sich auch im eigenen Lager keine Freunde gemacht
aus Göteborg REINHARD WOLFF
Ein Polizist fuchtelt mit gezogener und offenbar entsicherter Pistole
herum. Zielt auf einen Demonstranten, der Pflastersteine wirft. Und
schießt. Es war keine Notwehr. Die Videoaufnahmen und Fotoserien dieses
schwerwiegendsten Zwischenfalls von Göteborg zeigen dies in aller
Deutlichkeit. Die Polizeibeamten waren mehr als ausreichend unter ihren
Helmen und hinter ihren Schilden gesichert. Nicht so die DemonstrantInnen,
auf die die Polizei fleißig Pflastersteine zurückwarf.
## Zwischen Tod und Leben
Auch nicht der 21-Jährige mit Bauchschuss, der am Sonntag auf der
Intensivstation zwischen Tod und Leben schwebte. Die Taktik der
schwedischen Polizei ging völlig daneben. Mit zwei Waffen glaubte man
klarzukommen – trotz der Erfahrungen, die seit Seattle auf politischen
Spitzentreffen gesammelt wurden. Schlagstöcke und Pistolen sollten die
Ordnung aufrecht erhalten.
„Die Polizeiführung hat unsere Kollegen völlig in Stich gelassen“,
kritisierte Jan Karlsen, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft, „Ressourcen
und Ausrüstung waren von Anfang an unzureichend.“ Ob der schießende
Polizeibeamte, gegen den jetzt ein Ermittlungsverfahren läuft, sein
Ausrasten mit diesem Stress glaubt rechtfertigen zu können, mit
Überforderung durch Krawalle völlig ungewohnter Natur – es steht zu
vermuten.
## Selbst Chirac schien zu zaudern
„Das ist gefährlich, was eure Polizei da macht, sie hätte Menschen töten
können“, soll der französische Präsident Jacques Chirac seinem schwedischen
Kollegen Göran Persson zugeflüstert haben. Er war nicht der Einzige unter
den Gipfelgästen, der sich über die Blauäugigkeit der Gastgeberpolizei
wunderte.
Randale war angesagt zum EU-Gipfel. Daran ließen die angereisten militanten
Gruppen keinen Zweifel. Jeder, der ihre Internetseiten las, wusste das. Die
Polizeiführung gehörte offenbar nicht zu denen, die das für nötig hielten.
Man hatte als „Plan A“ eine Defensivstrategie. Einen „Plan B“ gab es
offenbar nicht, an seine Stelle trat hilfloses Chaos. Teile der Innenstadt
Göteborgs verwandelten sich daher in ein Schlachtfeld, eine hilflose
Polizei wurde immer unberechenbarer und unnötig gewalttätig. Mit der Folge,
dass auch auf der Protestseite die Gewaltbereitschaft stieg. Fast 100
DemonstrantInnen wurden ambulant behandelt, rund 900 verhaftet, hunderte
ausgewiesen. Rund 100 Deutsche wurden bei der Einreise nach Südschweden
ebenso gestoppt wie eine unbekannte Anzahl von DänInnen und vermutlich
ebenfalls Deutschen, die am Samstag versuchten, von den Fähren aus Dänemark
in Göteborg an Land zu gehen.
## Ein strohblonder Deutscher
Ein einzelner Deutscher, nach dem gefahndet wurde, führte in der Nacht zum
Sonntag zum letzten spektakulären Polizeieinsatz des Gipfels von Göteborg.
Um Mitternacht stürmte ein Polizeitrupp mit gezogenen Automatikwaffen die
Schillerschule. Alle dort Untergebrachten mussten sich auf den Boden legen
und wurden körperlich visitiert. Die anwesenden AusländerInnen wurden
fotografiert, ihre Personalien festgehalten. Die Suche nach einem
„strohblonden Deutschen mit Schusswaffe“ verlief aber ergebnislos.
Angeblich sollte dieser zusammen mit anderen Deutschen und DänInnen am
Vorabend Pflastersteine und Eisenrohre für eine geplante Randale-Aktion
versteckt haben.
Auf verschiedenen Internetseiten, beispielsweise dem „offenen Forum“ der
alternativen Indymedia-Agentur, machte sich der Zorn auf die militanten
Zugereisten Luft. Einige Kommentare von AbsenderInnen, die sich selbst als
EU-GegnerInnen bezeichnen: „Ihr Idioten habt ganz Schweden gegen euch“;
„ihr seid nicht besser als Hitlers Braunhemden.“
18 Jun 2001
## AUTOREN
REINHARD WOLFF
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.