| # taz.de -- Scientologischer Realismus | |
| > L. Ron Hubbard überlebensgroß – Scientology stellt am Neuen Wall ihre | |
| > Sicht der Welt dar: Hauptsache keine Drogen ■ Von Peter Ahrens | |
| „Dann schauen Sie sich doch vor dem Mittagessen noch schnell die | |
| Ausstellung an“, sagt der Scientology-Mann mit den Luftballons in der Hand. | |
| Der Japaner trottet schicksalsergeben hinter ihm her, wie ein | |
| Pauschaltourist hinter der Reiseführerin mit dem Neckermann-Schild. Schnell | |
| mal die Ausstellung ansehen – das sagt sich so leicht hin. Denn kaum ist | |
| der Raum betreten, wächst schon eine Hostess aus dem Boden und flötet: | |
| „Darf ich Sie durch die Ausstellung führen?“ Nur damit man „sofort jede | |
| Frage, die sie haben, beantwortet bekommt“. Also werden die BesucherInnen | |
| mit scientologischem Personenschutz von Tafel zu Tafel geführt, erfahren | |
| ganz viel, wie groß der große L. Ron Hubbard war, wie toll sein | |
| Anti-Drogen-Programm und welche Probleme man selbst hat. Scientology hat | |
| sich am Neuen Wall eingemietet und stellt bis zum 29. Juni (täglich 9 bis | |
| 21 Uhr, Eintritt frei) ihre Sicht der Welt zur Schau: „Sag Nein zu Drogen, | |
| sag Ja zum Leben.“ | |
| Drogen sind des Teufels, sind fast so schlimm wie Psychiater, und die sind | |
| die allerschlimmsten. Aber erst einmal sind die Drogen an der Reihe. Auf | |
| dem Schaubild ist ein junger Freudeprotz zu sehen, dem sein Amisein nur so | |
| aus den Augen strahlt. Sein Seligsein dagegen begründet sich vor allem | |
| damit, dass er gerade das Anti-Drogen-Reinigungsprogramm, entwickelt vom | |
| Scientology-Gründer Hubbard, durchlaufen hat. | |
| Das ist wörtlich zu verstehen. Denn Jogging ist fester Bestandteil der | |
| Entziehungskur. Erst werden Vitamin-Präparate geschluckt, dann geht es ab | |
| auf die Laufstrecke, danach in die Sauna und nach drei Wochen sind die | |
| Drogen perdu. Die Hostess hat das vor langer Zeit auch alles mitgemacht, es | |
| hat ihr wahrhaft geholfen, und wo sie schon so am Reden ist, fühlt sie mal | |
| vor: „Hatten Sie auch schon mit Drogen zu tun?“ Leugnen ist zwecklos, ein | |
| paar Schritte weiter wartet der E-Meter. Der misst die schlechten Gedanken, | |
| die Hostess bietet zwischendurch das Du an, dann wird das Gerät | |
| ausprobiert. Zwei Stahlrohre mit einem Kabel an das Gerät angeschlossen, | |
| werden in die Hand genommen, dann denkt man schlecht, und daraufhin schlägt | |
| die Nadel aus. Bei jedem schlechten Gedanken. Sonst auch. | |
| Weiter oben in der ersten Etage ist die Hubbard-One-Man-Personality-Show | |
| angesagt. Hubbard in China, beim Pflanzenanbau, als Pfadfinder. im Foto, | |
| gar im Ölgemälde, scientologischer Realismus. E tut was für die Kranken, er | |
| tut was für die Süchtigen, er tut was für die Häftlinge – „jedes Gefän… | |
| in Mexiko hat inzwischen sein Rehabilitations-Programm übernommen“, wird | |
| noch versichert. | |
| Die Bösewichter schauen ihm direkt in die Augen. Da sind die Schautafeln | |
| mit Sigmund Freud, mit Pavlow und den anderen, den Psychiatern und | |
| Psychoanalytikern, den Feindbildern der Scientology-Leute. „Der | |
| Psychoanalytiker schreibt einem immer genau vor, woran man leidet“, belehrt | |
| die Hostess. Das kann einem bei Scientology nicht passieren. | |
| 21 Jun 2001 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Ahrens | |
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