| # taz.de -- „Ein faschistischer Überfall“ | |
| > ■ Eine Frau aus Bremen hat in Genua in der Esuola Diaz geschlafen – und | |
| > den Überfall der Sonderpolizei überlebt. Sie konfrontierte gestern die | |
| > Bremer Honorarkonsulin damit | |
| Im Besprechungsraum des italienischen Konsulats am Sielwall in Bremen steht | |
| – auch einige Tage nach der Besetzung – noch in großen Buchstaben mit | |
| weißer Kreide an der Schiefertafel: „G 8 mordet – nicht nur in Genua“. A… | |
| gestern Vormittag die 63-jährige Dolores Herrero, eine seit 23 Jahren in | |
| Bremen lebende Spanierin, im Konsulat um amtliche Hilfe vorsprach, da | |
| setzte sich die weißhaarige Konsulin Inge Beutler genau vor diese Tafel. | |
| Vielleicht ein Zufall. | |
| „Ich möchte wissen, warum ich verhaftet worden bin in Genua“, erklärte | |
| Dolores Herrero. Und wo das Gepäck geblieben ist, das die Polizei | |
| beschlagnahmt hat. Und wo die Röntgenbilder von ihrem mit Gewalt | |
| gebrochenen Arm sind und die anderen ärztlichen Unterlagen aus dem | |
| Krankenhaus in Genua, die die Polizei einkassiert hat. Und schließlich | |
| wollte sie sich über das Einreiseverbot beschweren. Gilt das noch? | |
| Die Konsulin macht sich eine Kopie vom Einreiseverbot, will sich um | |
| Auskünfte kümmern. „Es muss furchtbar gewesen sein“, sagt sie zu der | |
| 63-Jährigen. „Es geht um Ihr Land“, wirft Dolores Herrero ein. | |
| Die Frau aus Bremen ist mit dem Zug nach Genua gefahren. „Es ist kein | |
| Privileg der Jugend, gegen die Globalisierung zu demonstrieren. Ich habe | |
| nicht geahnt, dass ich da in ein Kriegsgebiet gerate ...“ Abends hatte sie | |
| in Genua, hundemüde, einen Schlafplatz gesucht, aber es gab nichts. | |
| Sanitäter vom Sozialen Forum empfahlen ihr schließlich, in die Schule Diaz | |
| zu fahren. Da sei sie sicher. | |
| Dolores Herrero legt sich in die Turnhalle, schläft einige Stunden. Bis | |
| Mitternacht. „Plötzlich Rufe: Polizei kommt, Polizei kommt ... Ich habe mir | |
| schnell meine Turnschuhe angezogen und einen Pullover. Wir haben uns so | |
| kein wie möglich gemacht und die Hände hochgehoben. Manche sind auch liegen | |
| geblieben. Der Raum war hell erleuchtet. Die Polizei hat befohlen: Alle | |
| sollten an eine Seite, und dann fingen die an zu knüppeln, zu treten, zu | |
| schlagen. Auf alles, was sich nicht bewegt hat.“ Es war eine Sondereinheit | |
| „Digos“, schusssichere Westen und Helme über der zivilen Kleidung. | |
| „Plötzlich hat einer mich entdeckt.“ Dolores Herrero, immer noch am Boden | |
| sitzend, hält die recht Hand schützend über den Kopf. Der Knüppel saust | |
| nieder, trifft den Unterarm. Der zweite Schlag trifft den Kopf. „Dann hat | |
| der sich auf jemand anderes konzentriert. Für mich war das ein | |
| faschistischer Überfall.“ Der Arm war gebrochen. Die Sonderpolizei kassiert | |
| das Gepäck. „Ich wollte noch ein paar Tage in Genua bleiben. Alles ist | |
| weg.“ Da waren andere, die brauchten Medikamente. Alles weg. | |
| Die Ambulanz bringt die Zusammengeschlagenen in ein Krankenhaus, streng | |
| bewacht von der Polizei. Jüngere, die wie sie „nur“ einen Arm gebrochen und | |
| Platzwunden hatten, waren von der Polizei in die Kaserne Bolzanetto | |
| mitgenommen worden. „Ich war da die Einzige, die laufen konnte. Ich durfte | |
| zwei Tage mit niemandem reden, niemand hat mit uns gesprochen. Die | |
| Intensivstation war ein Hochsicherheitstrakt.“ Sogar wenn ein Arzt ans | |
| Krankenbett trat, stand die Policia links und rechts daneben. | |
| Nach zwei Tagen wurden einige aus dem Krankenhaus weggeschafft, Herrero | |
| fand sich schließlich im Gefängnis Voghera wieder. Da traf sie die Kurdin, | |
| die neben ihr gelegen hatte. Sie hatte stark geblutet, der ganze Körper war | |
| blau geschlagen. Wieder zwei Tage vergehen, bevor die Haftrichterin kommt. | |
| „Mitgliedschaft im schwarzen Block“, ist der Vorwurf unisono gegen die | |
| Gruppe der Frauen, eine Holländerin darunter, die Kurdin, einige | |
| US-Amerikanerinnen, drei Schwedinnen. „Das war so absurd, dass ich dazu gar | |
| nichts sagen wollte“, sagt Dolores Herrero heute. | |
| Die Frauen aus der Escuola Diaz werden nach vier Tagen mitten in der Nacht | |
| aus dem Gefängnis weggebracht, nach Stunden im Polizei-Bus erfahren sie: | |
| „Deportion“. Dolores Herrero wird mit den anderen Spaniern am Flughafen dem | |
| spanischen Konsul übergeben – und sitzen gelassen. In der Hand hat sie eine | |
| dreiseitige Ausweisungs-Erklärung mit Einreise-Verbot. | |
| „Warum? Ich möchte das offiziell wissen“, sagte sie gestern zu der | |
| Konsulin. Die zeigte Verständnis: „Ich kann Sie gut verstehen“, antwortete | |
| die Honorarkonsulin. | |
| Doch das mit den Antworten afu die Fragen wird vermutlich dauern. Denn der | |
| Dienstweg geht über das Konsulat in Hamburg, die werden das an das | |
| Italienische Außenministerium weiterleiten. Um Antwort wird jedenfalls das | |
| Innenministerium gefragt. Aber man wird sehen. | |
| Klaus Wolschner | |
| 7 Aug 2001 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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