# taz.de -- Ausgebuddelt: Keine Kollision | |
> ■ August Hinrichs passte den Nazis zumindest gut ins Konzept | |
Ulf-Thomas Lesle ist Geschäftsführer des Bremer Instituts für | |
Niederdeutsche Sprache und Experte für niederdeutsches Theater der 30er | |
Jahre. | |
Taz: Die OLLI/PDS-Fraktion begründet ihren Antrag mit einem auf hochdeutsch | |
geschriebenen Gedicht. Was hat es damit auf sich? | |
Ulf-Thomas Lesle: Das Gedicht ist untauglich, um den Antrag zu begründen. | |
Es belegt nur die Suche nach Eindeutigem. | |
Sollte man auf Hinrichs' NS-Vergangenheit mit seiner Streichung von der | |
Ehrenbürgerliste reagieren? | |
Diese Art von symbolischer Politik ist nicht geeignet, Werk und Schaffen | |
einzuordnen und zu bewerten. Hinrichs war ein Literat von großem Einfluss, | |
der einer bestimmten ideologisch vorgeprägten Szene angehörte. Wir müssen | |
herausarbeiten, welche Überschneidungen es zwischen dieser Szene und der | |
NS-Politik gegeben hat. | |
Hinrichs war immerhin in der NSDAP Leiter der Reichsschrifttumskammer | |
Weser-Ems. | |
Hinrichs vertrat im Kern eine bürgerlich-konservative Grundhaltung, eine | |
besonders in Norddeutschland verbreite rückwärtsgewandte Mentalität, in der | |
das Leben auf der eigenen Scholle eine wichtige Rolle spielte. | |
Interessanter ist vielmehr, dass es zwischen ihm und der NS-Kulturpolitik | |
keine Interessenkollision gegeben hat. Seine Werke wurden von der | |
offiziellen Kulturpolitik gefördert und unterstützt. Hinrichs war und ist | |
nicht nur ein viel gespielter Autor auf niederdeutschen Bühnen, er war der | |
meistgespielte Autor auf allen Bühnen im Dritten Reich. Wir müssen sein | |
Werk daraufhin befragen, warum das so war. Die Diskussion im Oldenburger | |
Kulturausschuss hat sich kaum mit diesem Aspekt befasst. | |
Was ist denn konkret gegen Hinrichs einzuwenden? | |
Besonders problematisch ist das Stück „Die Stedinger“. Es erfüllt alle | |
Anforderungen des von den Nazis in ihrer frühen Phase propagierten | |
“völkischen Theaters“. Zur Premiere in eigens für die Freilichtauführung | |
gebauten „Thingspielstätte Stedingsehre“ in Bookholzberg 1934 kamen | |
Nazi-Größen wie Reichsernährungsminister Walter Darré und Gauleiter Carl | |
Röver, aber auch der Bremer Senat. Weit über 500 000 Menschen haben sich | |
die Aufführungen angesehen. Hinrichs hat sich nicht nur vereinnahmen, | |
sondern eben auch zelebrieren lassen. | |
Fragen: Thomas Gebel | |
28 Aug 2001 | |
## AUTOREN | |
Thomas Gebel | |
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