| # taz.de -- Treibsand auf dem Friedenspfad | |
| > Kein Krieg, das heißt im Kongo noch lange nicht Frieden. Eine Reise durch | |
| > den Nordosten, wo es nichts gibt: keine Regierung, keine Sicherheit, kein | |
| > Geld | |
| von DOMINIC JOHNSON | |
| Es gibt ihn, den glücklichen Kongolesen. Nennen wir ihn K; seinen Namen | |
| würde er sowieso nicht verraten. K sitzt in einem Schuppen an einem | |
| wackligen Holztisch mit dem Rücken zum einzigen Fenster. Aus seinem | |
| Lichtkegel heraus beobachtet er, wie sein Kollege im Halbdunkel am zweiten | |
| Tisch in einer Kladde schreibt. | |
| K ist Geheimdienstchef in der kongolesischen Kleinstadt Lubero. Jeder, der | |
| durch Lubero will, muss an K vorbei. Denn quer über die Straße erstreckt | |
| sich ein Schlagbaum, und bei K ist Ein- und Ausreisekontrolle. Also | |
| schreibt Ks Kollege die Personalien der Durchreisenden penibel mit einem | |
| blauen Kugelschreiber in ein großes feuchtes Buch. Dabei kann sein Chef in | |
| aller Ruhe arbeiten, indem er die Wartenden betrachtet. Mehr Glück als das | |
| kann man im Kongo heute wohl nicht haben. | |
| Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass Lubero einen Grenzposten hat. | |
| Vorne ist Kongo, hinten ist Kongo. Vorne ist Distrikt Lubero, hinten auch. | |
| Vorne wie hinten herrscht mehr schlecht als recht die Rebellengruppe RCD-ML | |
| (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung). „Das war schon | |
| immer so“, antwortet K nach langem Schweigen auf die Frage nach seiner | |
| Existenzberechtigung. „Zu Mobutus Zeiten gab es hier einen – wie hieß das | |
| doch? – einen Auskunftsposten“. Er meint eine Geheimdienststelle, wie es | |
| sie überall in Zaire gab. | |
| Zaire gibt es nicht mehr. Aber der Schlagbaum in Lubero hat alle Kriege der | |
| letzten fünf Jahre überstanden, und K lebt in unruhigen Zeiten. Wer bezahlt | |
| ihn jetzt? „Da dies das Territorium der RCD-ML ist“, meint er nachdenklich, | |
| „wird es wohl die RCD-ML sein – aber wenn man sie daran erinnert, heißt es: | |
| Was wollen Sie, wir sind eine Rebellion, unsere Priorität ist der Krieg.“ | |
| Und zum ersten Mal sieht K ein wenig unglücklich aus. | |
| Gehälter kriegt in Lubero niemand. Drei geschlossene Hotels, zwei | |
| Restaurants, ein paar windschiefe Imbissbuden – mehr hat der Ort nicht zu | |
| bieten. Priorität hat der Krieg. Aber sobald man die Schranke passiert, | |
| sieht es ganz anders aus. Zwischen duftenden roten Baumstämmen öffnet sich | |
| der Blick in steile Täler voller üppiger Vegetation. Rundhütten wie aus dem | |
| Bilderbuch erheben sich zwischen grünen Bananenstauden, wo die Bauern des | |
| Nande-Volks ihre Gärten pflegen wie eh und je. Eine Kurve weiter erstrecken | |
| sich Weiden und Zäune auf luftigen Höhen. Hier besaßen früher belgische | |
| Priester Rinderfarmen und produzierten Käse. Den gibt es heute noch am | |
| Straßenrand zu kaufen, und einige der Farmen gehören jetzt reichen | |
| Geschäftsleuten aus der nahen Großstadt Butembo. | |
| Oder sind die saftigen Wiesen und rauschenden Bäume nur Kulisse? Wer das | |
| Privileg hat, den Nordosten Kongos aus der Luft zu betrachten, entdeckt | |
| eine andere Welt. Die vielen kleinen Steinbrüche, in denen Bauern nach | |
| Coltan und anderen Mineralien graben. Die vielen großen Kahlschlagstellen | |
| im Wald voller wüst herumliegender Baumstämme, wo die | |
| thailändisch-ugandische Tropenholzfirma Dara Forest wütet. Die schmucken | |
| Villen mit hohen Mauern und stillen Gärten am Rand der Großstädte, vor den | |
| Nachbarn am Boden verborgen, aber zur Luft hin prachtvoll geöffnet wie | |
| seltene Orchideen. Nach Norden hin weitet sich die Landschaft, der Wald | |
| wird zur Savanne, und am Horizont schimmern überall blaue Berge, | |
| unerreichbar fern. | |
| ## Ränkespiele und Realität | |
| Aus der Luft fügt sich all das zusammen zur kongolesischen Kriegsökonomie, | |
| von der UNO überwacht und von Diplomaten kritisiert. Das ist die Sphäre der | |
| Klarheit, in der identifizierbare Warlords in strukturierten Organisationen | |
| abgegrenzte Territorien beherrschen und miteinander Friedensverhandlungen | |
| führen. Formal herrscht in dieser ganzen Gegend die Rebellenbewegung FLC | |
| (Kongolesische Befreiungsbewegung), die von Uganda unterstützt wird und das | |
| nördliche Drittel des Kongo regiert. Die FLC ist ein Bündnis zweier | |
| Gruppen, von denen eine in zwei Flügel zerfallen ist, und davon existiert | |
| einer nur auf dem Papier und der andere versucht noch, sich auf dem Terrain | |
| zu etablieren. Man kann Nächte damit verbringen, die sich daraus ergebenden | |
| faszinierenden Ränkespiele zu analysieren. | |
| Man kann auch einfach auf den Boden der Realität zurückkehren. Bunia, eine | |
| der beiden FLC-Hauptstädte, ist eine staubige Goldgräberstadt aus Ruinen. | |
| Tagsüber wirbelt Sand durch die leeren Straßen, heller Sand, der an Wüste | |
| erinnert, anders als der tiefrote Staub der Tropen. Nachts schwärmen die | |
| Wohlgenährten und Gutgekleideten von Bunia in die wenigen erleuchteten | |
| Cafés und Clubs wie Motten ums Licht. Die Führer der FLC, vor allem die | |
| zweitrangigen, pflegen ausgeklügelte Rituale und umgeben sich mit | |
| undurchsichtigen Figuren, die „Son Excellence“ sagen, um zu verbergen, dass | |
| auch der große Chef nur in der vermoderten Holzbude schläft. | |
| Wer hier nicht mit erfundenen Pfunden wuchert, hat schon verloren. Deshalb | |
| gibt es nirgends im Kongo so viele selbst ernannte Rebellenführer wie hier. | |
| Sogar die Begrüßungsfloskel ist ein Ausdruck von Unwirklichkeit. „Ça semble | |
| aller“ (Es scheint zu gehen) ist die Antwort auf „Ça va?“ (Wie geht’s?… | |
| Goma, der neuerdings pulsierenden Metropole der anderen großen | |
| Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), sagt man | |
| immerhin: „Ça va un peu“ (Es geht ein bisschen). | |
| In Bunia gibt es weder eine richtige Regierung noch eine richtige | |
| Rebellion. „Hier funktioniert eigentlich überhaupt nichts“, seufzt Honoré | |
| Musoko, Justizminister der FLC, in seinem fensterlosen Büro in Bunia, in | |
| dem wieder mal der Strom ausgefallen ist. „Das einzige, was funktioniert, | |
| ist der Handel.“ Und wozu ist die FLC dann da? „Unsere Priorität ist die | |
| Armee.“ | |
| ## Das Elend im Busch | |
| Keine Priorität hat zum Beispiel die fünfjährige Magay Dz’sa. Still und | |
| verloren sitzt das kleine Mädchen auf der zerschlissenen braunen Decke | |
| ihres viel zu großen Bettes in der Kinderstation des Krankenhauses von | |
| Bunia. Magay wiegt elf Kilogramm, immerhin zwei mehr als vor drei Wochen, | |
| berichtet Krankenschwester Rosianne stolz und zählt die verabreichten | |
| Medikamente auf: Antibiotika, Folsäure, Vitamin A, Chloroquin, Vermox, dazu | |
| Bluttransfusionen und angereicherte Milch. | |
| Magays Vater starb vor zwei Jahren in Kämpfen in ihrer Heimatregion Djugu, | |
| östlich von Bunia. Ihre Mutter ist krank. Ihre Großmutter brachte sie zum | |
| Arzt, als sie zu sterben drohte. Jetzt lebt sie zwischen dürren Kindern, an | |
| deren Betten fast überall besorgte Verwandte hocken. Nur sie ist allein. | |
| „Kids Toy Club“ steht auf Magays weißem T-Shirt. Aber sie spielt nicht, | |
| spricht nicht, regt sich nicht. Sie sitzt einfach kerzengerade und richtet | |
| auf die Besucher unverwandt einen durchdringenden Blick. „Wir hatten 80 | |
| unterernährte Kinder“, sagt Rosianne und bewegt ihren ausgestreckten Arm | |
| durch den dunklen Saal, „jetzt sind es nur noch 19.“ | |
| Seit aus Bunia einige Vertriebene wieder nach Djugu zurückkehren, wo 1999 | |
| in ethnischen Konflikten zehntausende starben, gibt es weniger Andrang im | |
| Krankenhaus von Bunia. Wenn der Krieg erlischt, zieht sich das Elend in den | |
| Busch zurück. Die Straße von Bunia in den Rest der Welt ist ein schmaler | |
| Feldweg, an vielen Stellen eine Abfolge von Löchern, in denen sich zu | |
| Regenzeiten Wasser sammelt und schwere Lastwagen festsetzen. | |
| Hier bewegt sich das Leben im Schritttempo. Wer hier lebt, muss mit hoch | |
| beladenen Fahrrädern tagelang reisen, um vielleicht irgendwo auf einem | |
| staubigen Markt hunderte Kilometer weiter ein paar Dollar mit Holzkohle zu | |
| verdienen. Zu Fuß eroberte Ugandas Armee dieses Gebiet 1998, zu Fuß hat sie | |
| es jetzt wieder geräumt, in monatelangen Gewaltmärschen. | |
| Souleymane Diallo, der örtliche Leiter der UN-Koordinationsstelle für | |
| humanitäre Hilfe (OCHA), der die Lage der Bevölkerung in der gesamten | |
| Region überblicken soll, hat Bunia noch nie verlassen. Vor ein paar Wochen, | |
| ja, da hätte er mal überlegt, irgendwohin zu fahren, betont der | |
| wortgewandte Guineer. Aber er habe „keine Anweisung“, einen bestimmten Ort | |
| aufzusuchen. | |
| ## „Die Milizen töten“ | |
| Wie auch? Die UNO weiß ja nicht, was draußen los ist. 30 Kilometer | |
| südwestlich von Bunia, hinter den Maisfeldern und Wasserlöchern, haben sich | |
| die Flüchtlinge des neuesten ethnischen Kleinkrieges niedergelassen. Etwa | |
| 500 Familien, also etwa 3.000 Menschen, sitzen auf dem Rasen der großen | |
| Kirche von Badiya, über die ein alter belgischer Priester gebietet. Badiya | |
| mit seinem klosterähnlichen Quadrat aus imposanten Backsteingebäuden wirkt | |
| im Busch wie ein Stück sicheres Europa. Ein alter Mann im Anzug flaniert | |
| mit seinem Stock gemächlich durch das Gras wie auf einem großstädtischen | |
| Boulevard. Kinder in Lumpen quengeln neben gelangweilten Frauen in bunten | |
| Kleidern. Ein paar Ziegen knabbern auf der Wiese. | |
| Wer hier sitzt, muss Geduld mitbringen. Der Lebensmitteltransport der | |
| Deutschen Welthungerhilfe steckt bei Bunia hinter einem zusammengebrochenen | |
| Lastwagen fest. Die Flüchtlinge sind Opfer eines Konflikts zwischen Milizen | |
| der Volksgruppen der Ngiti und der Bira. In jedem Ort leben jetzt | |
| Vertriebene. „Die Leute haben Angst“, meint Jean-Pierre Lemabo, | |
| Bürgermeister des Dorfes Marabo, dessen 800 Familien nach seiner eigenen | |
| Zählung 1.148 Flüchtlingsfamilien aufgenommen haben. Der belgische Priester | |
| Deneker flucht und erklärt: „Hier wird gezielt vorgegangen. Die Milizen | |
| töten nicht die Schweine und Hühner. Sie töten die Leute.“ | |
| Das ist eine von unzähligen Selbstzerfleischungen des Ostkongo, außerhalb | |
| der unmittelbare Nachbarschaft unbekannt und in den UN-Statistiken nicht | |
| gezählt. Kein Wunder: Die 10.000 Einwohner zählende Kreisstadt Nyankunde, | |
| den Erzählungen nach Schauplatz grausamer Gewalttaten, bietet auf den | |
| ersten Blick ein friedliches Bild. Die Häuser stehen noch, die Straßen sind | |
| voller Menschen. Aber was suchen die ganzen Leute mit Gepäck vor dem | |
| Krankenhauseingang? Warum kochen sie dort hinten Essen unter dem Baum, | |
| obwohl hinter ihnen Häuser mit Küchen stehen? Warum schlafen vor sauberen | |
| Häusern schmutzige Kinder unter freiem Himmel, obwohl es gleich regnet? | |
| Frische Kriegsdramen erschließen sich eben nicht auf den ersten Blick. | |
| Weder die UNO noch die FLC wissen, was genau hier passiert. „Es gibt keine | |
| Regierung. Daher ist die Rolle der traditionellen Führer immer wichtiger | |
| geworden“, analysiert der Belgier Deneker. Das ist nur die halbe Wahrheit. | |
| Viele Dorf- und Stammesführer sind alt und haben ihre Bevölkerungen nicht | |
| mehr im Griff, vor allem nicht im Zeitalter des Krieges und der | |
| Vertreibung. Ihren Platz nehmen zwielichtige Figuren ein wie der „Guru“ | |
| Kakado, der um Nyankunde herum als Kriegstreiber gilt. Kakado kam vor zwei | |
| Jahren aus dem Gefängnis und gründete eine Landkooperative. Im Austausch | |
| gegen Ziegen verteilte er Zaubertränke, die unverwundbar machen, und | |
| sammelte Exsoldaten um sich. Mit denen erobert er sich jetzt ein | |
| Territorium. „Alle haben Angst vor ihm, sogar die Soldaten“, meint Deneker. | |
| Bürgermeister Lemabo bestätigt: „Um den Konflikt zu beenden, müsste man | |
| einfach Kakado verhaften. Aber niemand wird sich trauen.“ | |
| ## Zauberwasser vom Guru | |
| Selbstverständlich haben Figuren wie Kakado in der offiziellen Politik | |
| keinen Platz. Aber sie üben im Busch mehr Macht aus als viele der Minister, | |
| die ständig irgendwo in Afrika an Kongo-Dialogrunden teilnehmen. Überall im | |
| Osten Kongos gibt es sie. In den Kivu-Provinzen heißen ihre Milizen | |
| Mayi-Mayi, nach dem Suaheli-Wort für Wasser – magisches Wasser, mit dem die | |
| selbst ernannten Generäle ihre Kämpfer gegen Gewehrkugeln immunisieren. Das | |
| ist beliebte Praxis in afrikanischen Buschkriegen. Ihren regelmäßigen | |
| Misserfolg auf dem Schlachtfeld können die Betroffenen ja hinterher nicht | |
| mehr geltend machen. | |
| Das Verhältnis der Mayi-Mayi zu Kongos Rebellen ist wie das eines | |
| Schattenkabinetts zu einer Regierung. Sie sind ebenso zerstritten, scheren | |
| sich ebenso wenig um die Belange der Bevölkerung; aber sie regieren nicht | |
| und sind international nicht anerkannt. Doch im Alltag ist der Unterschied | |
| schwer zu erkennen. Wer ist der Teenager im gelben T-Shirt, der lässig mit | |
| seinem Gewehr unter einem Schild mit der Aufschrift „Police Nationale | |
| Congolaise“ an der Straße steht und dann plötzlich mit empörter Miene auf | |
| das vorbeifahrende Auto zurennt? Es ist ein Mayi. Wer ist der junge Mann im | |
| bunten Hemd, der sich am Flughafen autoritär den Reisenden in den Weg | |
| stellt und ihnen die Pässe aus der Hand reißt? Es ist ein FLC-Funktionär. | |
| Allein der Gestus verrät den Unterschied: Hier die Reflexhandlung des | |
| Buschkämpfers an einem verbotenen Ort, dort die Sicherheit des | |
| Behördenvertreters in seinem Wirkungskreis. | |
| Weitab von den Hauptstraßen kehrt sich dieses Verhältnis um. In den | |
| unwegsamen Bergen, wo kein Rebellengeneral je den Fuß hinsetzt, haben die | |
| Mayi-Mayi die Macht. Am Ortseingang von Lukanga, ein idyllisches Städtchen | |
| oberhalb von Butembo im grünen Wald, umringt bei der Einfahrt ein Rudel aus | |
| neugierigen Kindern das Auto. Normale Kinder in abgelegenen kongolesischen | |
| Dörfern finden die Durchreise von Weißen in großen Autos aufregend, sie | |
| winken und rufen. Diese hier sind anders. Sie gucken die Reisenden böse an | |
| und brüllen. | |
| ## Kinder an der Macht | |
| Erst gegen ein paar Zigaretten kann die Reise weitergehen. Schon nach 20 | |
| Metern kommt die nächste Gruppe zorniger Jungs in zerrissener Kleidung. Zum | |
| Teil sind sie noch ziemlich klein, und ihren Verwünschungen in dünner | |
| Kinderstimme fehlt die nötige Kraft. Zu spaßen ist mit ihnen trotzdem | |
| nicht. Manche tragen sogar Gewehre. Aber sie sind jung genug, damit der | |
| Hinweis, ihr Kommandant habe hinten schon die Durchreise genehmigt, sie | |
| einige kostbare Sekunden lang verwirrt. Bei der dritten Gruppe ist dann | |
| alles klar, die gegenseitigen Ehrerbietungen sind erledigt. | |
| „Die tun nichts“, erzählt der italienische Priester Giovanni, der in | |
| Lukanga lebt und dort – einzigartig in der Region – ein | |
| Stromversorgungsnetz aus Wasser- und Solarenergie aufgebaut hat. „Sie | |
| trinken, sie fahren herum, sie spielen Fußball. An den Straßensperren | |
| schnorren sie Zigaretten. Morgens machen sie eine Parade und schreien.“ | |
| In Lukanga ist es wie in Nyankunde: Die traditionellen Autoritäten weichen | |
| zugunsten eines Chaos, dessen Akteure nur mit Terror herrschen können. Es | |
| war Lukangas Dorfchef, der die Mayi-Mayi zu Hilfe rief, um sich gegen | |
| Übergriffe der regulären Rebellenarmee zu wehren. Als er sie bat, wieder zu | |
| gehen, brachten sie ihn stattdessen um und blieben. Jetzt sind sie die | |
| Herren der Stadt. Wo sie herumlaufen, traut sich niemand auf die Straße. | |
| Die Dorfbewohner seien selber schuld, findet Giovanni, wenn sie sich von | |
| dieser Rasselbande terrorisieren ließen. „Es sind 50 Jungs mit zwei oder | |
| drei Gewehren. Man müsste ihnen zeigen, dass man keine Angst vor ihnen | |
| hat.“ So wie in einem Nachbardorf, wo der Spuk abrupt endete, als die | |
| Dorfleute acht der kleinen Kämpfer mit Macheten in Stücke hackten? | |
| Vielleicht nicht. Aber einen Chef der Gruppe, der sie theoretisch | |
| angehören, hätten sie getötet, als er sie zur Vernunft rufen wollte. Jetzt | |
| bleibe nur die Hoffnung, dass sie sich gegenseitig umbringen. | |
| „Man muss etwas unternehmen“, meint der italienische Priester. „Man kann | |
| doch nicht überall kleine Republiken errichten“. Doch, im Kongo kann man | |
| das. Eifrig schneidet sich jeder Möchtegern-Warlord eine Machtbasis aus dem | |
| riesigen, herrenlosen, ausgebluteten Land heraus, um ein Verhandlungspfand | |
| zu haben, bevor in der Logik des Friedensprozesses eine politische Ordnung | |
| eingesetzt wird, die ihre Macht dann irgendwie gegen das Chaos durchsetzen | |
| muss. | |
| Wird dann der Schlagbaum in Lubero abgeräumt? Aber nein. An seinem | |
| wackligen Tisch weiß Geheimdienstler K schon, wie das endet. „Die Politiker | |
| fressen sich gegenseitig auf“, sinniert er und lächelt glücklich in sich | |
| hinein. „Wir Agenten, wir bleiben.“ | |
| 6 Oct 2001 | |
| ## AUTOREN | |
| DOMINIC JOHNSON | |
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