# taz.de -- Hamburg wird Schwarz-Schill | |
> Vier harte Jahre bis zur Entzauberung des Medienphänomens Schill. Der | |
> starke Mann des Rechtsblocks aber ist Ole von Beust, und er hat Chancen, | |
> es zu bleiben ■ Von Peter Ahrens | |
Es werden vier harte Jahre. Zwar nicht mehr, aber auch nicht weniger. | |
Hamburg macht ab dieser Woche das Experiment – das Experiment, wie lange es | |
dauert, bis sich ein Phänomen entzaubert. Es ist ein Feldversuch am | |
lebenden Objekt: Schill wird in der Regierung scheitern, aber er wird es | |
auf dem Rücken von Initiativen, freien Trägern, Umweltverbänden, | |
Radfahrern, Fußgängern, Sozialhilfeempfängern, Autonomen, Junkies, | |
Flüchtlingen, Obdachlosen tun. Und bis zum Scheitern vergeht viel Zeit – | |
Zeit, in welcher der Rechtsblock ein Gutteil von dem umsetzen kann, was er | |
sich vorgenommen hat. Schaut man sich den Koalitionsvertrag an und hört | |
genau hin, was von der Senatsbank kommt, dann wird klar: Der Wechsel hat | |
tatsächlich stattgefunden. | |
Die Rede soll hier nur kurz von dem frisch installierten Führungspersonal | |
sein, einer Mischung aus alten Freunden des neuen CDU-Bürgermeisters Ole | |
von Beust und Notnägeln, weil kaum jemand Kompetentes zur Auswahl stand. | |
Die allgemein belächelte Aufführung um den Job der Kultursenatorin ist nur | |
deutlichster Ausdruck einer Kompetenz-Misere, aus der allerhöchstens | |
Steuerexperte Gunnar Uldall und Uni-Karrieremann Jörg Dräger herausragen. | |
Statt Persönlichkeiten auszusuchen hat sich der Senat mit den bequemsten | |
Personallösungen abgefunden. | |
Schill hat keine Fachleute für seine Ressorts gefunden und musste sie mit | |
zwei getreuen, aber fachlich völlig unbedarften Parteisoldaten bedenken. | |
Die Schule geht an den Konteradmiral Lange, weil der FDP-Spitzenkandidat | |
irgendein Ressort für seine innerparteiliche Reputation brauchte und die | |
Wirtschaft nicht zur Verfügung stand. Als Versorgungsposten für von Beusts | |
Wahlkampfberater Roger Kusch musste die Justiz herhalten, weil | |
Wunschkandidat und Promi-Anwalt Matthias Prinz nicht wollte. Und so fort. | |
„Wir wollen die besten Köpfe abseits aller Parteizugehörigkeit“, ist von | |
Beust als Tiger abgesprungen und als Bettvorleger gelandet. | |
Allerdings kann der Regierungschef das verschmerzen: Hervorragendes | |
Personal ist nicht zwingend notwendig, wenn man als vorderstes Ziel | |
ideologische Vorgaben knallhart durchziehen will. Das können auch | |
subalterne Parteileute exekutieren, dazu braucht es keine strategischen | |
Denker, von Visionären gar nicht erst zu reden. Von daher hat es Logik, | |
wenn von Beust vorrangig Leute um sich gesammelt hat, die zum Umsetzen da | |
sind, nicht zum Entwickeln. | |
Der Koalitionsvertrag ist das Manifest dieses politischen Willens: Der | |
Frust über jahrzehntelange Opposition muss abgebaut werden, muss seinen | |
Niederschlag in konkreter Politik finden. Erst dann scheint dieser Senat | |
richtig zufrieden, wenn alles, was sozialdemokratisch geführte Vorgänger | |
als ihre Errungenschaften verkauft haben, zu Spurenelementen reduziert ist. | |
Es ist ein Politikentwurf, gespeist aus einem zu späten Triumphgefühl: | |
Jetzt sind wir dran, und jetzt zeigen wir es euch. Der Rechts-Senat schlägt | |
die Schlachten der 80er Jahre noch einmal neu, läuft einem rot-grünen | |
Feindbild hinterher, das gerade in der Hamburger Realität der vergangenen | |
Legislaturperiode wahrhaft längst nicht mehr existiert hat. | |
Offenbar wird das Politikverständnis des neuen Senates vor allem am | |
Zuschnitt der neuen Ressorts. Umwelt darf kein vorrangiges Themenfeld mehr | |
sein, darf nicht eigenständig und allein existieren, musste klein gemacht | |
werden. Stadtentwicklung wird den Erfordernissen der autogerechten Stadt | |
untergeordnet und wird an den Katzentisch der Bau- und Verkehrsbehörde | |
verbannt. | |
Die BAGS ist tatsächlich in ihrer bisherigen Form ein unregierbarer Moloch, | |
doch der CDU gilt sie vor allem als Transmissionsriemen, um das Thema Filz | |
abzuhandeln. Sie wird insbesondere deswegen zergliedert und zerschlagen, um | |
die eigenen Pflöcke einzurammen. Arbeit kommt zur Wirtschaft – deutlicher | |
kann ein Paradigmenwechsel nicht sein. Die Förderung von Arbeitslosen, die | |
Stützung und manchmal auch langsame behutsame Heranführung an die | |
Arbeitswelt verkommen zur rein ökonomischen Größe. Behördenleiter Uldall, | |
der die Wirtschaftsbehörde als „vor allem unternehmer- und | |
unternehmensfreundlich“ ausgestalten möchte, sieht es als oberste Pflicht | |
seiner Tätigkeit, „der privaten Wirtschaft alle Schwierigkeiten aus dem Weg | |
zu räumen“. | |
Und hinter all dem steht die Person des Bürgermeisters. Es ist nicht | |
vorrangig ein Ronald Schill, der dafür verantwortlich ist, was in dieser | |
Stadt geschehen wird, es ist Ole von Beust. Ronald Schill ist die | |
Symbolfigur, der Mehrheitsbeschaffer, die Medienfigur des Rechtsblocks, Ole | |
von Beust jedoch ist derjenige, der die Richtlinien der Politik vorgibt. | |
Der Mann, der mal als Repräsentant einer modernen Großstadtpartei galt, hat | |
im Koalitionsvertrag die Illiberalität festgeschrieben. Er lässt Schill in | |
der Innenbehörde freie Hand und den gnadenlosen Richter die Drecksarbeit | |
machen. Seine eigene Partei hat er ohne Punkt und Komma auf Rechtskurs | |
gebracht. Innerparteiliche Opposition gibt es nicht mehr. | |
Den Widerstand der Koalitionspartner musste er nicht brechen – die FDP hat | |
sich bedingungslos dem Machtwillen ergeben und sich damit selbst in die | |
babylonische Gefangenschaft von CDU und Schill geführt. Das wochenlange | |
Geeiere um die „liberale Handschrift“ der neuen Regierung nahm am Ende | |
niemand mehr ernst. Spötter haben schon gewitzelt, nach Abfassen der | |
Koalitionsvereinbarung müsse sich irgendein prominenter Hamburger | |
Freidemokrat noch einmal hinsetzen und den ganzen Vertrag in Schönschrift | |
abschreiben, nur dann sei die liberale Handschrift erkennbar. Die | |
programmatischen Gemeinsamkeiten von Schill und CDU sind mittlerweile | |
ohnehin so groß, dass es dort keine Reibungspunkte gibt. | |
Dass von Beust in den vergangenen Wochen bei mehreren politischen Vorhaben | |
dem öffentlichen Druck nachgegeben hat und zurückgerudert ist – Stichworte: | |
Neuengamme, Abschaffung des Kulturressorts – sollte nicht darüber | |
hinwegtäuschen: Der Freiherr ist der starke Mann des Senates. Nichts war so | |
falsch wie das Wahlkampfposter der SPD, das von Beust als Handpuppe Ronald | |
Schills zeigte. Von Beust hat Schill gebraucht, um an die Macht zu kommen, | |
er braucht ihn jetzt als Sündenbock für die Öffentlichkeit, um die sozial-, | |
innen- und verkehrspolitischen Grausamkeiten als Regierungsprogramm | |
durchbringen zu können. | |
In vier Jahren wird es die Faszination Schill nicht mehr geben, die | |
Attraktivität des Polit-Outcast, der der etablierten Kaste einmal gezeigt | |
hat, wo der Hammer hängt, auf die kleinbürgerliche Wählerschaft wird sich | |
im Alltagsgeschäft abgeschliffen haben. Bei der bundesweiten Ausdehnung der | |
Partei wird Schill auf den Bauch fallen, seine Unerfahrenheit im | |
politischen Betrieb aufs Brot geschmiert bekommen und dadurch noch weiter | |
an Renommee einbüßen. Schill ist eine vom Springer-Verlag und den günstigen | |
Zeitumständen nach oben gebrachte Figur ohne den Unterbau einer | |
Organisation, die nötig ist, um längerfristig in der Politik Anker zu | |
werfen. Die Schill-Partei wird in vier Jahren Mühe haben, politisch zu | |
überleben. | |
Aber Ole von Beust ist 2005 immer noch da, trägt den Amtsbonus vor sich her | |
und hat dann die Option, die Leute, die jetzt Schill gewählt haben, wieder | |
der CDU zuzuführen und die Partei aus dem 25-Prozent-Tief herauszuführen. | |
Die Aussichten der Hamburger CDU sind nicht schlecht. | |
Die der Stadt schon. | |
3 Nov 2001 | |
## AUTOREN | |
Peter Ahrens | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |