# taz.de -- „Ich habe Einfluss“ | |
> Guineas führender Oppositionspolitiker Alpha Condé über die Krise seines | |
> Landes, Frankreichs Haltung und Westafrikas Aussichten auf Demokratie | |
Interview DOMINIC JOHNSON | |
taz: Die politische Lage in Guinea ist gespannt: Die Opposition erkennt ein | |
Verfassungsreferendum nicht an, mit dem Präsident Lansana Conté die | |
Begrenzung seiner Amtszeiten aufheben ließ, und wegen Boykottdrohungen | |
wurden jetzt die für Weihnachten geplanten Parlamentswahlen verschoben. Sie | |
fordern EU-Sanktionen gegen Guineas Regierung. Aber wieso sollte sich die | |
EU für Guinea interessieren? | |
Condé: Zum einen ist Contés Amtszeitverlängerung ein schlechtes Beispiel | |
für Afrika. Wenn Conté das schafft, werden andere Präsidenten es auch | |
machen. Zum anderen ist in Guinea die Situation schlimmer als anderswo. In | |
andern Ländern gibt es freie Radiosender; in Guinea gibt es eine einzige | |
Radio- und Fernsehstation, die des Staates. In Guinea werden | |
Oppositionsparteien systematisch darin gehindert, Kundgebungen abzuhalten. | |
Man kann von Totalitarismus reden: Der Präsident hält die exekutive, | |
legislative und judikative Macht in seinen Händen. Guinea befindet sich im | |
politischen Mittelalter. Der Präsident ist der Chef, die anderen folgen. Er | |
nennt den Staatshaushalt „mein Geld“, als ob der Staat ihm gehöre. | |
Ist das ein persönliches Problem des Präsidenten oder liegt es an der | |
autoritären politischen Kultur Guineas? | |
Unter Sékou Touré hatten wir eine sehr harte Zeit. Er schuf eine | |
Geisteshaltung der Angst. Die Leute hatten Angst vor ihren Ehepartnern, vor | |
ihren Kindern. Viel hat sich nicht verändert. Die Militärs, die jetzt | |
herrschen, waren Kollaborateure von Sékou Touré und folterten in seinen | |
Lagern. Conté hat Sékou Touré als Modell. | |
Zu dieser Geisteshaltung gehört auch: Guinea geht nur uns was an, der Rest | |
der Welt soll sich heraushalten – eine Bunkermentalität. Sékou Touré hat | |
eine nationalistische Geisteshaltung geschaffen. Präsident Conté stützt | |
sich darauf. Er sagt: Die Opposition führt die Befehle der Weißen aus. Aber | |
das funktioniert nicht. | |
Unter Sékou Touré mussten die ausländischen Händler fliehen, es gab keine | |
Entwicklungshelfer, ausländische Diamantenschmuggler wurden verhaftet. | |
Unter Conté wurde das Land für Ausplünderung geöffnet. Überall sind | |
libanesische Händler aktiv. Es gibt überhaupt keinen Nationalismus in der | |
Politik. | |
Aber als letztes Jahr Rebellen in Guinea aktiv wurden, scharte die | |
Regierung das Volk mit Nationalismus hinter sich. | |
Nein. Jetzt, beim Verfassungsreferendum zur Verlängerung von Contés | |
Amtszeit, lag die Beteiligung bei unter zehn Prozent. Nun erwarten alle | |
Leute Sanktionen. Sie sagen: Conté kann nur durch Gewalt aus seinem Amt | |
entfernt werden. | |
Gibt es also das Risiko eines Militärputsches? | |
Ja, und das ist sehr gefährlich. Es gibt keinen charismatischen Führer im | |
Militär. Die Armee ist ethnisch gespalten. Die jungen Offiziere haben sich | |
zwar jenseits ihrer Ethnien zusammengetan, doch wir trauen den Militärs | |
nicht. Wenn sie an die Macht kommen, vergessen sie meist ihre Versprechen | |
und bleiben. | |
Guinea liegt in einer explosiven Region. Im Nachbarland Sierra Leone steht | |
die größte UN-Blauhelmtruppe der Welt und bekämpft Rebellen, die von | |
Liberias Regierung unterstützt werden. Guinea unterstützt Sierra Leones | |
Regierung und stand vor einigen Monaten am Rand des Krieges gegen Liberia. | |
Wie beeinflusst diese Konstellation die Lage in Guinea? | |
Es gibt da historische Verzerrungen. Die USA sagen: Liberias Präsident | |
Charles Taylor hat Guinea angegriffen. Das stimmt nicht. Nach den Wahlen in | |
Liberia 1997 gingen Taylors Gegner nach Guinea und griffen von dort aus | |
Liberia an. Es ist also Conté, der Taylor angegriffen hat. Conté sagte: Man | |
muss Taylor töten. Taylor sagte: Ich werde den Krieg nach Guinea tragen. | |
Die USA haben in dieser Weltgegend nur ein Ziel – Taylor zu stürzen. Er hat | |
die USA gedemütigt, er hat sich mit Gaddafi liiert. Mit dem Krieg zwischen | |
Liberia und Guinea dachten die USA, dass Conté ein Werkzeug zum Sturz | |
Taylors sein könnte. Ich habe gehört, wie Guineas Generalstabschef sagte: | |
In zwei Jahren sind wir in Liberias Hauptstadt Monrovia. | |
Aber Taylor hat sie geschlagen. Nun haben die USA begriffen, dass Conté | |
Taylor nicht stürzen kann. Sie akzeptieren den Dialog. Zugleich nennt sich | |
Conté proamerikanisch. Frankreich hingegen hat begriffen, dass Conté eine | |
Katastrophe ist. Conté ist wie Mobutu, er schafft ein Vakuum um sich herum. | |
Frankreich unterstützte Mobutu in Zaire 1997 bis zum Schluss, und daher war | |
Laurent Kabila antifranzösisch. Daraus hat Frankreich gelernt. Heute | |
unterstützt Frankreich in Guinea Contés Abgang und versucht, die USA und | |
Großbritannien davon zu überzeugen. | |
Unterstützt Frankreich auch Sie? | |
Sagen wir: Frankreich unterstützt den Wandel. Die anderen sagen, ich sei | |
profranzösisch. | |
Ist Ihre Partei also die Partei Frankreichs in Guinea? | |
Aber nein! Frankreich kennt Guinea gut. Es weiß, dass ich der einzige | |
glaubwürdige Führer bin. Aber sie sagen, ich sei schwer zu kontrollieren. | |
Sagen wir, das Glas ist halb leer und halb voll. Ich habe viel Einfluss. | |
Ich kann die Opposition mäßigen. Frankreich hat gemerkt, dass meine Partei | |
die stärkste ist. Als ich verhaftet wurde, gab es eine starke | |
internationale Welle von Solidarität, die von Afrika ausging, nicht von | |
Europa. Das war historisch einmalig. Frankreich ist gezwungen, davon | |
Kenntnis zu nehmen. | |
Hat französischer Druck dazu beigetragen, dass Sie im Mai plötzlich aus der | |
Haft entlassen wurden? | |
Nein. Vielleicht war es Druck der EU. Ich weiß nicht, was passiert ist. Bis | |
heute weiß ich nicht, wieso ich freigekommen bin. | |
Was ist jetzt Ihre Strategie? | |
Wir wollen eine zivile Übergangsregierung. Wir sind dabei, eine Allianz zu | |
schmieden, um gemeinsam zu regieren. Wir müssen vorgehen wie in Senegal – | |
die Opposition muss sich zusammenschließen. Ich will, dass die Leute sich | |
hinter mich scharen. Falls das Militär putscht, besetzen wir die Straße, | |
wie in der Elfenbeinküste. | |
Ist die Elfenbeinküste für Sie ein Modell? Dort predigen viele Politiker | |
die „Ivoirité“, ein Nationalismus, der die Bevölkerung des Landes in | |
einheimische „Ivoirer“ und Ausländer mit weniger Rechten spaltet. | |
Die „Ivoirité“ ist gefährlich. Sie ist ein faschistisches Konzept. Aber d… | |
Wahl des Ivoirers Amara Essy zum neuen Generalsekretär der OAU hat die Lage | |
entspannt. Die Elfenbeinküste fühlt sich nicht mehr so isoliert. | |
Hat die Debatte um Ivoirité Westafrika gespalten? | |
Sie hat Westafrika zusammengeführt. Mali, Burkina Faso, Guinea sind alle | |
Opfer der Ivoirité und haben sich solidarisiert. | |
Kommt in Westafrika nun die Demokratisierung voran? | |
Wir haben heute eine Chance in Westafrika. Nigeria ist eine Demokratie, in | |
Senegal, Ghana und der Elfenbeinküste gab es demokratische Machtwechsel, in | |
Mali, Benin und Burkina Faso stehen freie Wahlen bevor. Es bleiben Guinea | |
und Togo. Wir müssen die Demokratisierung vorantreiben. Das | |
Demokratiedefizit ist der wichtigste Grund für Instabilität in Westafrika. | |
18 Dec 2001 | |
## AUTOREN | |
DOMINIC JOHNSON | |
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