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# taz.de -- Abschiebung direkt in den Folterknast
> Schweden weist zwei ägyptische Regimegegner aus und praktiziert erstmals
> die „neue“ EU-Flüchtlingspolitik
STOCKHOLM taz ■ Terrorverdächtige Flüchtlinge werden auch dann in ihre
Heimat ausgewiesen, wenn sie dort Folter erwartet. Das ist die aufgrund des
11. Septembers verschärfte gemeinsame Linie der EU-Flüchtlingspolitik.
Hierauf verweist die Regierung in Stockholm, nachdem Schweden als erstes
Land die neue Linie umgesetzt und zwei wegen angeblicher Terrortaten
verurteilte Ägypter in ihre Heimat abgeschoben hat.
Ahmed Hussein Agiza und Mohammed al-Zahri waren 1999 bzw. 2000 als
Asylsuchende nach Schweden gekommen. Sie waren in Ägypten 1998 in
Abwesenheit wegen angeblicher Terrorakte zu 24 und 26 Jahren Haft
verurteilt worden. Angeblich waren sie in die Attentate von Luxor 1997 und
in den Anschlag auf die Ägyptische Botschaft in Pakistan 1995 verwickelt.
Während es vor dem 11. September in Schweden wie den meisten anderen
EU-Ländern unabhängig vom Ausgang eines Asylverfahrens ausgeschlossen
gewesen wäre, Terrorverdächtige in ihre Heimat abzuschieben, wenn ihnen
dort Folter oder die Todesstrafe drohen, hat sich diese Beurteilung
aufgrund der UN-Resolution 1.373 vom 28. September 2001 geändert. Gun-Britt
Andersson, beim schwedischen Außenministerium für Flüchtlingsfragen
verantwortliche Staatssekretärin: „Diese UN-Resolution weist auf das Risiko
hin, dass Terroristen den Flüchtlingsstatus als Deckmantel nutzen. Das
müssen wir verhindern.“
Die Tatsache, dass eine Ausweisung in Foltergefängnisse und eine mögliche
Todesstrafe gegen die Antifolterkonvention der UN von 1984 und die
Europakonvention gegen Folter verstößt, glaubt Schweden dadurch umgangen zu
haben, dass man „Garantien“ von Kairo bekommen haben will, die beiden
Ausgewiesenen würden in Ägypten „menschenwürdig“ behandelt.
Die genaue Begründung für die Abschiebungen, die erfolgten, bevor eine
rechtskräftige Entscheidung ergangen war, hält die schwedische Regierung
geheim und verweist auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes Säpo. Was
Ahmed Hussein Agiza angeht, stützt sich die Säpo offenbar auf die
Einschätzung des ägyptischen Sicherheitsdienstes, der nach ihm wegen einer
Zusammenarbeit mit Ayman al-Zawahiri, einer der Führungspersonen in der
al-Qaida und angeblich enger Vertrauter Ussama Bin Ladens, fahndet. Obwohl
sein mehrjähriger Aufenthalt in Schweden den ägptischen Behörden nicht
verborgen gewesen sein dürfte, wurde nie seine Auslieferung beantragt.
Vielmehr wurde Kairo erst aktiv, als der schwedische Verfassungsschutz Säpo
nach dem 11. September wegen Agiza den Kontakt suchte.
Mohamed Shafey, Redakteur der arabischsprachigen Zeitung Asharq al-Awsat in
London, ist bestürzt über diese Entscheidung. „Agiza ist eine zentrale
intellektuelle Gestalt in der ägyptischen politischen Debatte. Er hat als
Erster in der islamischen Dschihad gewagt, sich von den Terrormethoden
al-Zawahiris öffentlich zu distanzieren, und hat mit ihm 1992 gebrochen.“
Hafiz Abusaid, Vizedirektor des ägyptischen Instituts für Menschenrechte,
berichtet in der Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter von „Erschrecken“
in ägyptischen Menschenrechtskreisen über die Auslieferung der
Regimegegner: „Im Gefängnis kann ihnen eine furchtbare Behandlung
widerfahren. Niemand kann damit rechnen, Kontakt mit Inhaftierten zu
bekommen. Wir haben seit ihrer Abschiebung täglich versucht, etwas über sie
zu erfahren. Vergeblich.“ Obwohl Agiza und al-Zahri bereits am 18. Dezember
nach Kairo abgeschoben wurden, wissen Angehörige wie Verteidiger nicht, wo
sie sich aufhalten, und haben seither nichts von ihnen gehört. Auch die
schwedische Regierung nicht.
REINHARD WOLFF
23 Jan 2002
## AUTOREN
REINHARD WOLFF
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