Es dauert erstaunlich lange - fast genau einen Monat lang - bis sich
bei mir die inneren Widerstaende gegen diese "pastorale" Existenz
aufloesen. Aber vor ein paar Tagen, trete ich spaetabends vor das Haus
und spuere in der Luft die greifbare Anwesenheit des Meers und stelle
verbluefft fest, dass sie die Abwesenheit der Stadt nicht nur
aufwiegt, sondern mich geradezu gefuehllos gegen diese Abwesenheit
macht. Unwillkuerlich verlaengere ich diese Affirmation in die
Zukunft, aber die Empfindungen des Abgeschnittenseins, des Mangels an
Veraenderungen oder Ereignissen, die mich sonst immer schrecken,
schwappen mir nur mehr wie lauwarme und kaum verlockende Erinnerungen
entgegen. Eine ebenso angenehmes, wie unheimliches Gefuehl. Seit 2
Tagen zurueck von unserem kurzen Trip auf die Halbinsel K... Es ist
das von hier aus gesehen andere, ziemlich ferne Ende der Insel, auf
das ich jahrelang keinen Fuss gesetzt habe. Aber neuerdings ist eine
kleine Leidenschaft daraus geworden, fuer einige Tage mit dem Zelt
dorthin aufzubrechen, weil sich dort gewisse andere Empfindungen
einstellen, mit einer Vorhersagbarkeit wie bei einem Experiment im
Labor. Als wir spaetabends am Meer in einem Kiefernwald unser Zelt
aufbauen, geht eben die Sonne unter: das altbekannte, immer
eindrucksvolle Schauspiel. Doch als ich morgens zufaellig um 5 nach 5
aufwache, werde ich ueberdies und ungeplant Zeuge des Sonnenaufgangs -
ein fuer mich als Nachtmensch und Spaetaufsteher seltenes
Ereignis. Wie auf der Flagge Japans steigt die rote Sonne vor einem
blassen Hintergrund, scharf umrandet aus dem Meer und vertreibt den
diesigen Morgendunst, der rechts und links den Bildausschnitt in
Unschaerfe ausbleichen laesst. Ruft nur in mir der Sonnenaufgang
stets das Gefuehl "unvordenklicher Zeiten" hervor? Wie schnell die
Sonne steigt und ein Tag beginnt, einer von Milliarden, bis irgendwann
das Gestirn immer kaelter wird und verloescht. Ich werde davon in den
Bann gezogen, die Macht des Kalenders loest sich auf und ich schmecke
ein bischen an der Ewigkeit.