Ich frage mich, ob ich im Sommer wirklich mehr Zeit habe mich Dingen
zu widmen, die ich den Rest des Jahres ueber als Absichten mit mir
herumschleppe, als Plaene, Projekte, als Traeume. Zwar habe ich kaum
berufliche Verpflichtungen, die mir sonst - gefuehlsmaessig - weniger
die Zeit rauben, als die Energie, (weil sie unnoetig viel meiner
Aufmerksamkeit absorbieren). Der Andrang von Uni-mails ist fast zum
Erliegen gekommen (und das fuehlt sich in der Tat so an, als lockere
man den Guertel und geniesse fuer einen Moment das Gefuehl, weniger
eingeengt zu sein). Aber diese Freiraeume werden auch augenblicklich
wieder ausgefuellt. Sofort bekleide ich eine Unzahl von Rollen: Ich
bin der Autofahrer, der Urlauber, der Schwimmer, der Autor, der
Wissenschaftler, der Freizeitsportler, der Leser, der Autodidakt, der
Aussteiger, der Computerfreak ... Manche Rollen, die mich ebenfalls
reizen - und sei es nur fuer einen Moment - ueberlasse ich L., sobald
ich sehe, dass sie ihr Interesse finden. Die Rolle des
Gemuesegaertners z.B. Ich mag uns nicht in derselben Rolle sehen. Habe
ich Angst, die Konkurrenz wuerde uns zu Feinden machen? Oder fuerchte
ich nicht vielmehr das Ende der Abgrenzung, die Aufhebung der
Distinktion? Trotzdem gibt es ein wenig mehr Zeit fuer
Experimente. Ich beobachte mich. Ich teste mich selbst. Doch oft
stelle ich dabei fest, was ich laengst schon weiss. (Wochenlang hatte
ich eine Aufgabe vor mir hergeschoben, weil ich die quaelende Ahnung
hatte, sie wuerde 6-8 Stunden konzentrierteste Arbeit erfordern. Einen
ganzen Arbeitstag fuer eine im Grunde unbedeutende Aufgabe. Ich
beschloss, ein Experiment daraus zu machen. In der Hoffnung, viel
weniger Zeit zu benoetigen, wenn ich erst einmal mich in den Kokon der
Konzentration eingesponnen haette, stoppte ich die Zeit, die ich fuer
jeden kleinen Ablauf aufwenden musste. Es waren 5 1/2 Stunden. Und
dabei waren die ca. 2 Stunden Vorbereitung noch nicht einmal mit
eingerechnet.)