Bremsspuren im Todesstern

    Bröno  Selfmachteger‐Spretz  war  in  seinem  Element,  war in
    seinem Raum. Sein Walzenraumer mit Linearantrieb hatte ihn aus
    dem Solsystem bis weit in die Nebel des Orions gebracht, wo er
    seinen eigenen Todesstern mithilfe von Tramp Orbansk aufgebaut
    hatte.  Im  Zentrum  der  Kugel  befand  sich  ein  vollkommen
    würfelförmiger  Raum,  der mit quadratischen Kacheln im Dessin
    eines belgischen Künstlers aus dem späten 20. Jahrhundert vol‐
    lkommen ornamentiert war, Braun auf Weiß. Im Zentrum hatte ein
    anderer Belgier die  Klozelle  des  «Memphis»,  einer  in  den
    späten  1980er‐Jahren  schwerst  angesagten Disko in Dortmund,
    Deutschland, Erde, nahezu original nachgebildet. Darin  Brönos
    Heiligtum  von  Ferguson:  die  American Super Pro Champion im
                   Finish «Bone» aus dem Jahr 2021.

    Das Teil stand auf dem Schnittpunkt  der  Diagonalen.  Ordnung
    musste  schließlich  sein.  Bröno  hatte sich eine Custom ganz
    speziell auf seine Bedürfnisse  hin  stylen  lassen.  Wer  den
    Deckel  hob,  sah den Umschlag des Buchs «Grundgesetz der BRD»
    als Foto, und wer den Raum verließ und nicht Bröno war, konnte
    sich einen schnellen Reim auf diese komplett  zauberhafte  In‐
    stallation  machen.  War  Bröno  an  Bord,  defäzierte er mor‐
    gendlich  auf  Recht  und  Gesetz;  und  so  setzte  er   sein
    generelles  gesellschaftliches  Handeln  um:  in  jeden erden‐
    klichen Kleinbereich seines stolzen Wesens. Wir  sehen,  Bröno
    war  ein  ganzheitlich  denkendes  Wesen.  Und er hatte nichts
    weniger im Sinn, als das  Universum  unter  seine  einschlägig
    angehauchte  und  demgemäß  duftende,  neunschwänzige Katze zu
    flagellieren.

    Jetzt aber bückte er sich kopfüber in die Schüssel und erbrach
    sich, denn wieder einmal schlug die Phase der Bulimie ins Kon‐
    tor. Die überfiel ihn immer, wenn ihm etwas gelungen  war  und
    er sich diebisch an seinem Erfolg ergötzte. Also kotzte er die
    Chips  und Süßigkeiten, die er vorhin beim Netflix‐Glotzen von
    «Dark» in sich hineingestopft hatte, wieder aus, und er kotzte
    naturgemäß aufs  Grundgesetz.  Merkwürdig  für  Außenstehende,
    aber  das  tat  ihm  richtig  gut. Er zog einen Streifen Vier‐
    lagiges vom Abroller, putzte sich das Breitmaul und lupfte die
    Oberlippe,  um  sich  mit  dem  angespitzten  Fingernagel  des
    Zeigefingers  ein  letztes  Bröckchen aus dem Zahnzwischenraum
    der angebräunten, scheckig‐fleckigen Schneidezähne  zu  pulen.
    Dann  rappelte er sich auf, fasste sich in den Schritt und be‐
    wegte seine blonden 2,23 Meter in Richtung Befehlsstand.

    Der säuerliche Atem wehte hinter ihm, sichtbar natürlich, weil
    auf dem Monstrum von einem  Schiff  recht  kalte  Temperaturen
    vorherrschen sollten. «Sie brauchen einen klaren Kopf, Mut und
    Verwegenheit,  um  diese verdammten, linksgrün‐versifften Gut‐
    menschen aus dem Universum zu pusten.  Es  werde  Antimaterie,
    und  der  große  Braune  wird  für  immer siegen.» Seine Leute
    froren  zwar  dauernd   und   litten   an   Unterkühlung   und
    Erkältungskrankheiten,  und  weil  der  gesamte  Kreislauf den
    Gesetzen des Totalrecyclings gehorchte, wurden auch Viren  und
    Bakterien  immer wieder aufs Neue wiederhergestellt. Bröno in‐
    teressierte das nicht, da er mit  seiner  enormen  Körpergröße
    alle  überragte, so dass seine Anfälligkeit gegen herkömmliche
    Infektionen gegen null tendierte. Kurz vor der Zentrale bog er
    noch schnell in einen weiteren Restroom  ab.  Dort  klebte  er
    sich  den kleinen, quadratischen Oberlippenbart mit dem Regen‐
    bogen aus LED. Er klinkte sich ein und schaltete  seinen  Emo‐
    Generator an.

    Er  war  equipiert,  goss  sich  noch  einen hinter die Binde.
    Rotzte an den Spiegel und wünschte sich  Pech.  Das  Universum
    war  ihm  scheißegal.  Er  hatte die Erde untergehen sehen und
    gelacht. Er hatte Zivilisationen kommen und gehen, werden  und
    vergehen  sehen  und  gelacht.  Kein Gebet würde je über seine
    Lippen schleichen. «Bröno, der ich bin. Der Größte  aller  Un‐
    zeiten,  Gezeiten,  Beizeiten. Die Diktatur des Tempoletariats
    wird in die letzten Winkel dringen,  jedes  Wurmloch  stopfen,
    euch  jede Fantasie rauben, jede Hoffnung, jeden Glauben, denn
    ich bin Bröno Selfmachteger‐Spretz. What more to say?»

    Soundtrack: The 5th Dimension: Up, Up And Away,  Liberty,  LBS
    83038 I (1967)

    Matthias Kampmann