Eigentlich war das Drei‐Länder‐Eck in Wahrheit ein Zwei‐
Länder‐Eck. Und genau genommen noch nicht einmal ein Eck. Es
war schlicht die Grenze zwischen Ost und West, zwischen hier
und da, zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Das ironische
an dieser Zweiteilung? Niemand sagte Kapitalismus, sondern
alle stimmten in das Lied von Freiheit ein. Aber dazu später
mehr.
Büttner besuchte im Nachgang zu Rabanus und Q. die Rhön, auch
um zu sehen, ob alle Vorrichtungen für Grenzgänger intakt
waren. Seit Anbeginn der Zeit waren die Dudes bemüht, Grenzen
abzubauen, zu umgehen und zu überwinden. Das manifestierte
sich nicht nur in Übungen wie Levitation und Zeitreisen. In
der Rhön nun war die Society seit dem Großen Krieg aktiv. Sie
betrieben tausende Tunnel, die alles mit jedem verbanden.
Nun war die Tätigkeit des edlen Fluchthelfers durch den Mauer‐
fall zum Erliegen gekommen. In der Rhön betrieben jedoch die
Kalten Krieger immer noch ein Historien Museum. Allgemein
bekannt unter dem Namen Point Alpha. Dort wurde West‐Grenzen‐
Folklore zur Schau gestellt. Fahrzeuge des Bundesgren‐
zschutzes, wie die der amerikanischen Armee, konnten be‐
gutachtet werden. Ebenso die Schlafunterkünfte, der Munitions‐
bunker, der Wachturm und das Wachhäuschen. Was einzig fehlte,
war die Gegenüberstellung mit den russischen Militärposten.
Dieser wurde lediglich durch einen Beobachtungs‐ und Meldeturm
symbolisiert.
Büttners Wanderungen durch die Rhön führte zu allen verbliebe‐
nen Tunneln. Heute verbanden sie nicht mehr nur Ost und West,
sondern auch die Gegenwart mit der Vergangenheit. Hätte Kamp‐
mann sich etwas genauer in Dresslers Baracke umgeschaut, wäre
ihm die Zahl 8, die auf einer der Bodendielen geritzt war,
aufgefallen.
Als der antifaschistische Schutzwall noch standhaft den Osten
vor den West‐Nazis schützte, gab es, außer unzähligen
Schnitzelbuden, nichts in der Rhön. Das war ein Glück für das
Rhönschaf, alle anderen Tiere und die Landschaft dazu. Denn
da, wo nichts ist, konnte man getrost die Landschaft zum Na‐
tionalpark und zum Biosphärenreservat ernennen. Das juckte eh
keinen. Lediglich ein paar schlaue Wirte, Schäfer und Bauern,
die frühzeitig ihre touristischen Attraktionen darauf aus‐
richteten. Und weil es einfach nichts gab, machte man kaum
Licht. Denn was hätten Straßenlaternen wohl ausleuchten
sollen? Das genossen Rabanus und Q. in der Rhön: Wo kein Licht
ist, da lässt es sich hervorragend Sterne guggen.
Diese pittoreske Landschaft wurde heute mehr denn je von
faschistischen Parteien in Beschlag genommen. Während die AFD
und andere Nazis die Dörfer mit ihren Hetzkampagnen
drangsalierten, zog sich die Antifa ins Rote Moor zurück und
erschreckte Rentner‐Touristen.
Büttner nahm das alles zur Kenntnis und fertigte Bilder aus
Erinnerung an und schrieb seinen Rapport für die Knotenpunkte.
Er überlegte kurz, ob er den Rapport in NOSE einspeisen
sollte, was er nicht tat. Dann betrat er den nächsten Zeittun‐
nel und verschwand vor den Augen der lustigen Zwerge aus dem
Land der weiten Ferne, die damit beschäftigt waren, Hirsche
auf den Kopf zu stellen, zu drehen, um so aus ihnen lustige,
kehlige Gurgelgeräusche, zu evozieren.