Jetzt wurde es vertrackt. Sie standen, oder fuhren geradewegs
auf eine Kreuzung zu. Im Wagen vor ihnen saß Hockney und medi‐
tierte. Bohl saß am Steuer und bekam gerade durch Reuss seine
erste Fahrstunde. Büttner saß entspannt auf der Rückbank.
Nichts konnte ihn erschüttern, denn er bekam nichts mit.
Reuss, den ebenfalls nicht erschüttern konnte (er rauchte
damals wie ein Schlot), machte geistesgegenwärtig dieses Foto.
Wie das sein konnte, wusste niemand, denn sie waren vor
einiger Zeit ihrer Fotoausrüstung beraubt worden. Unterm
Beifahrersitz, den normalerweise Bohl in Beschlag nahm, fand
Reuss jedoch eine Nikon F3 HP bestückt mit einem 50mm Objektiv
und 1000 Filmrollen. So kam es, dass er, wie zu Anfang dieses
Absatzes erwähnt, dieses Foto machte, während Bohl auf den vo‐
rausfahrenden Hockney und die Kreuzung zufuhr.
Büttner im Fond des Wagens bekam immer noch nichts mit. Er
feilte an seinem nächsten Vortrag mit dem Thema Pearblossom
Highway – Ikone und Inspiration für die Hyperrealistische Kom‐
position.
Büttner stellte sich die Kreuzung als eine Road‐Movie‐Komposi‐
tion mit der Anmutung eines fein durchgesplitterten Spiegel‐
bild‐Panoramas vor, wie die WELT es später titulieren sollte.
Hockney, durch die Meditation offen für Gedankenübertragung,
griff den Gedanken Büttners, der seinerseits den Gedanken von
diesem WELT‐Autoren hatte, der den Gedanken von Büttner hatte,
auf und fertigte 1986 eine Polaroid‐Fotocollage an, die den
Gedanken Büttners genial visualisierte. Daraufhin schrieb der
WELT‐Autor eine Ausstellungskritik, die sich einer Fo‐
toausstellung im Museum Ludwig in Köln widmete, die die Arbeit
Pearblossom Highway von Hockney zeigte.
Solche Zusammenhänge waren damals allgegenwärtig. Darauf hatte
schon Kampmann hingewiesen. NOSE, so Kampmann, trage dazu bei.
Endlich brachte Bohl den Wagen zum stehen. Reuss atmete tief
durch. Büttner schwieg.
Soundtrack: The Beatles (Lennon/McCartney), Revolution 9, The
Beatles, Apple Records / EMI / Universal Music Group, 1968
Nachtrag
Die berühmteste Hyperrealistische Komposition von FfK, die
nicht Bestandteil der Ausstellung im Museum Ludwig in Köln
war, zeigte eine Kreuzung in Wiesbaden. Im Gegensatz zu Pear‐
blossom Highway, wurden die Aufnahmen mit einer Nikon FE,
bestückt mit einem 50mm Objektiv, geladen mit FP4 von Ilford,
angefertigt. Die Aufnahmen zogen sich über mehrere Tage, um zu
unterschiedlichen Tageszeiten, aus unterschiedlichen Perspek‐
tiven, Fotografien anfertigen zu können. In einem aufwendigen
Prozess wurden die Fotografien zusammengesetzt und in der
Kult‐Kneipe Café Klatsch (gewissermaßen das Wohnzimmer von
FfK) ausgestellt. Die Hyperrealistische Komposition ging noch
während der Ausstellunsgzeit verloren. Jahre später rekonstru‐
ierte Reuss das Werk am Computer und produzierte für Klaus
Dettke ein Buch in der Auflage von 1. Die WELT nahm von der
Ausstellung und dem Buch keinerlei Notiz.