Pearblossom Highway
                          Nördlich von L.A.

    Jetzt  wurde es vertrackt. Sie standen, oder fuhren geradewegs
    auf eine Kreuzung zu. Im Wagen vor ihnen saß Hockney und medi‐
    tierte. Bohl saß am Steuer und bekam gerade durch Reuss  seine
    erste  Fahrstunde.  Büttner  saß  entspannt  auf der Rückbank.
    Nichts konnte ihn erschüttern, denn er bekam nichts mit.

    Reuss, den ebenfalls  nicht  erschüttern  konnte  (er  rauchte
    damals wie ein Schlot), machte geistesgegenwärtig dieses Foto.
    Wie  das  sein  konnte,  wusste  niemand,  denn  sie waren vor
    einiger  Zeit  ihrer  Fotoausrüstung  beraubt  worden.  Unterm
    Beifahrersitz,  den  normalerweise Bohl in Beschlag nahm, fand
    Reuss jedoch eine Nikon F3 HP bestückt mit einem 50mm Objektiv
    und 1000 Filmrollen. So kam es, dass er, wie zu Anfang  dieses
    Absatzes erwähnt, dieses Foto machte, während Bohl auf den vo‐
    rausfahrenden Hockney und die Kreuzung zufuhr.

    Büttner  im  Fond  des  Wagens bekam immer noch nichts mit. Er
    feilte an seinem nächsten Vortrag mit  dem  Thema  Pearblossom
    Highway – Ikone und Inspiration für die Hyperrealistische Kom‐
    position.

    Büttner stellte sich die Kreuzung als eine Road‐Movie‐Komposi‐
    tion  mit  der Anmutung eines fein durchgesplitterten Spiegel‐
    bild‐Panoramas vor, wie die WELT es später titulieren  sollte.
    Hockney,  durch  die Meditation offen für Gedankenübertragung,
    griff den Gedanken Büttners, der seinerseits den Gedanken  von
    diesem WELT‐Autoren hatte, der den Gedanken von Büttner hatte,
    auf  und  fertigte  1986 eine Polaroid‐Fotocollage an, die den
    Gedanken Büttners genial visualisierte. Daraufhin schrieb  der
    WELT‐Autor   eine   Ausstellungskritik,  die  sich  einer  Fo‐
    toausstellung im Museum Ludwig in Köln widmete, die die Arbeit
    Pearblossom Highway von Hockney zeigte.

    Solche Zusammenhänge waren damals allgegenwärtig. Darauf hatte
    schon Kampmann hingewiesen. NOSE, so Kampmann, trage dazu bei.

    Endlich brachte Bohl den Wagen zum stehen. Reuss  atmete  tief
    durch. Büttner schwieg.

    Soundtrack:  The Beatles (Lennon/McCartney), Revolution 9, The
    Beatles, Apple Records / EMI / Universal Music Group, 1968

    Nachtrag

    Die berühmteste Hyperrealistische  Komposition  von  FfK,  die
    nicht  Bestandteil  der  Ausstellung  im Museum Ludwig in Köln
    war, zeigte eine Kreuzung in Wiesbaden. Im Gegensatz zu  Pear‐
    blossom  Highway,  wurden  die  Aufnahmen  mit einer Nikon FE,
    bestückt mit einem 50mm Objektiv, geladen mit FP4 von  Ilford,
    angefertigt. Die Aufnahmen zogen sich über mehrere Tage, um zu
    unterschiedlichen  Tageszeiten, aus unterschiedlichen Perspek‐
    tiven, Fotografien anfertigen zu können. In einem  aufwendigen
    Prozess  wurden  die  Fotografien  zusammengesetzt  und in der
    Kult‐Kneipe Café Klatsch  (gewissermaßen  das  Wohnzimmer  von
    FfK)  ausgestellt. Die Hyperrealistische Komposition ging noch
    während der Ausstellunsgzeit verloren. Jahre später rekonstru‐
    ierte Reuss das Werk am Computer  und  produzierte  für  Klaus
    Dettke  ein  Buch  in der Auflage von 1. Die WELT nahm von der
    Ausstellung und dem Buch keinerlei Notiz.

    Sascha Büttner