1:1    Die Vorgeschichte: 1,1-5

Zu der Zeit, als die Richter regierten, kam eine Hungersnot ueber das
Land. Da zog ein Mann mit seiner Frau und seinen beiden Soehnen aus
Betlehem in Juda fort, um sich als Fremder im Gruenland Moabs
niederzulassen.
[Ri 10,1-5; 12,7-15; 1 Sam 7,15-17]

1:2    Der Mann hiess Elimelech, seine Frau Noomi, und seine Soehne hiessen
Machlon und Kiljon; sie waren Efratiter aus Betlehem in Juda. Als
sie im Gruenland Moabs ankamen, blieben sie dort.

1:3    Elimelech, der Mann Noomis, starb, und sie blieb mit ihren beiden
Soehnen zurueck.
[3f: Nach Dtn 23,4-6 und Neh 13,1-3 duerfen Ammoniter und Moabiter
nicht in die Glaubensgemeinschaft Israels aufgenommen werden, und
darum waren auch Ehen mit Moabiterinnen verboten. Entweder galt
dieses Gesetz bei der Abfassung des Buches noch nicht; dann muesste es
noch vor Joschija (641-609 v. Chr.) entstanden sein. Oder der
Verfasser schrieb in bewusstem Gegensatz zu den rigorosen Ehegesetzen
Esras (um 400 v. Chr.), die sich nie voll durchsetzen konnten.]

1:4    Diese nahmen sich moabitische Frauen, Orpa und Rut, und so wohnten
sie dort etwa zehn Jahre lang.

1:5    Dann starben auch Machlon und Kiljon, und Noomi blieb allein, ohne
ihren Mann und ohne ihre beiden Soehne.
[5f: Nach 4,3f besitzt die Familie Elimelechs einen Acker bei
Betlehem. Nach Lev 25,23-28 soll der Grundbesitz bei der Sippe
bleiben; darum ist der naechste Verwandte eines in Not geratenen
Israeliten verpflichtet, den aus Not veraeusserten Acker auszuloesen. Da
die Familie ihres Mannes ausgestorben war, konnte Noomi hoffen, mit
dem Grundbesitz fuer sich und ihre Schwiegertochter eine neue Existenz
aufzubauen, wenn ihre Verwandten ihr dabei halfen; darum wagte sie
die Heimkehr.]

1:6    Die Heimkehr: 1,6-22

Da brach sie mit ihren Schwiegertoechtern auf, um aus dem Gruenland
Moabs heimzukehren; denn sie hatte dort gehoert, der Herr habe sich
seines Volkes angenommen und ihm Brot gegeben.

1:7    Sie verliess zusammen mit ihren beiden Schwiegertoechtern den Ort, wo
sie sich aufgehalten hatte. Als sie nun auf dem Heimweg in das Land
Juda waren,

1:8    sagte Noomi zu ihren Schwiegertoechtern: Kehrt doch beide heim zu
euren Muettern! Der Herr erweise euch Liebe, wie ihr sie den Toten
und mir erwiesen habt.

1:9    Der Herr lasse jede von euch Geborgenheit finden bei einem Gatten.
Damit kuesste sie beide zum Abschied; doch Orpa und Rut begannen laut
zu weinen

1:10   und sagten zu ihr: Nein, wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen.

1:11   Noomi sagte: Kehrt doch um, meine Toechter! Warum wollt ihr mit mir
ziehen? Habe ich etwa in meinem Leib noch Soehne, die eure Maenner
werden koennten?

1:12   Kehrt um, meine Toechter, und geht; denn ich bin zu alt, noch einem
Mann zu gehoeren. Selbst wenn ich daechte, ich habe noch Hoffnung, ja,
wenn ich noch diese Nacht einem Mann gehoerte und gar Soehne bekaeme:

1:13   Wolltet ihr warten, bis sie erwachsen sind? Wolltet ihr euch so
lange abschliessen und ohne einen Mann leben? Nein, meine Toechter!
Mir taete es bitter leid um euch; denn mich hat die Hand des Herrn
getroffen.

1:14   Da weinten sie noch lauter. Doch dann gab Orpa ihrer Schwiegermutter
den Abschiedskuss, waehrend Rut nicht von ihr liess.

1:15   Noomi sagte: Du siehst, deine Schwaegerin kehrt heim zu ihrem Volk
und zu ihrem Gott. Folge ihr doch!

1:16   Rut antwortete: Draenge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren.
Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe
auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.

1:17   Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der
Herr soll mir dies und das antun - nur der Tod wird mich von dir
scheiden.

1:18   Als sie sah, dass Rut darauf bestand, mit ihr zu gehen, redete sie
nicht laenger auf sie ein.

1:19   So zogen sie miteinander bis Betlehem. Als sie in Betlehem ankamen,
geriet die ganze Stadt ihretwegen in Bewegung. Die Frauen sagten:
Ist das nicht Noomi?

1:20   Doch sie erwiderte: Nennt mich nicht mehr Noomi (Liebliche), sondern
Mara (Bittere); denn viel Bitteres hat der Allmaechtige mir getan.

1:21   Reich bin ich ausgezogen, aber mit leeren Haenden hat der Herr mich
heimkehren lassen. Warum nennt ihr mich noch Noomi, da doch der Herr
gegen mich gesprochen und der Allmaechtige mir Schlimmes angetan hat?

1:22   So kehrte Noomi mit Rut, ihrer moabitischen Schwiegertochter, aus
dem Gruenland Moabs heim. Zu Beginn der Gerstenernte kamen sie in
Betlehem an.