9:1    Die Salbung Sauls zum Koenig: 9,1 - 10,16

Damals lebte in Benjamin ein Mann namens Kisch, ein Sohn Abiels, des
Sohnes Zerors, des Sohnes Bechorats, des Sohnes Afiachs, ein
wohlhabender Benjaminiter.
[1-11,15: Die verschiedenen, teilweise widerspruechlichen
Ueberlieferungen darueber, wie Saul Koenig wurde, sind hier
aneinandergereiht: Der Prophet Samuel benennt und salbt ihn (9,1 -
10,16); er wird durch Losentscheid Koenig (10,17-27); er weist sich
selbst durch einen Sieg als Fuehrer des Volkes aus (11,1-15).]

9:2    Er hatte einen Sohn namens Saul, der jung und schoen war; kein
anderer unter den Israeliten war so schoen wie er; er ueberragte alle
um Haupteslaenge.

9:3    Eines Tages verliefen sich die Eselinnen von Sauls Vater Kisch. Da
sagte Kisch zu seinem Sohn Saul: Nimm einen von den Knechten, mach
dich mit ihm auf den Weg, und such die Eselinnen!

9:4    Sie durchquerten das Gebirge Efraim und durchstreiften das Gebiet
von Schalischa, fanden sie aber nicht. Sie zogen durch das Gebiet
von Schaalim - ohne Erfolg; dann durchwanderten sie das Land Jemini,
fanden sie aber wieder nicht.

9:5    Als sie in das Gebiet von Zuf gekommen waren, sagte Saul zu seinem
Knecht, der ihn begleitete: Komm, wir wollen umkehren, sonst macht
sich mein Vater um uns noch mehr Sorgen als um die Eselinnen.

9:6    Der Knecht erwiderte ihm: In dieser Stadt wohnt doch ein Gottesmann.
Er ist sehr angesehen; alles, was er sagt, trifft mit Sicherheit
ein. Lasst uns jetzt zu ihm gehen; vielleicht kann er uns sagen,
welchen Weg wir haetten gehen sollen.
["Gottesmann" ist ein Titel fuer Maenner, die von Gott zu einer
besonderen Aufgabe erwaehlt werden, wie Mose (Dtn 33,1) oder die
Propheten (1 Koen 13,4-20; 17,18; 2 Koen 1,9f).]

9:7    Saul antwortete dem Knecht: Was sollen wir dem Mann mitbringen, wenn
wir hingehen? Das Brot in unseren Taschen ist zu Ende. Wir haben
nichts, was wir dem Gottesmann als Geschenk bringen koennten. Oder
haben wir sonst etwas?

9:8    Darauf antwortete ihm der Knecht: Sieh her, ich habe noch einen
Viertel-Silberschekel bei mir. Den will ich dem Gottesmann geben,
damit er uns Auskunft ueber den Weg gibt.

9:9    - Frueher sagte man in Israel, wenn man hinging, um Gott zu befragen:
Wir wollen zum Seher gehen. Denn wer heute Prophet genannt wird,
hiess frueher Seher. -

9:10   Saul sagte zu seinem Knecht: Dein Vorschlag ist gut. Komm, wir
wollen hingehen. Sie gingen also in die Stadt, wo der Gottesmann
wohnte.

9:11   Als sie die Steige zur Stadt hinaufgingen, trafen sie einige
Maedchen, die herauskamen, um Wasser zu schoepfen. Sie fragten sie:
Ist der Seher hier?

9:12   Sie antworteten ihnen: Ja, er ist da, da vorn. Beeilt euch aber,
denn er ist gerade in die Stadt gekommen, weil das Volk heute auf
der Kulthoehe ein Opferfest feiert.

9:13   Wenn ihr in die Stadt kommt, werdet ihr ihn gerade noch treffen,
bevor er zur Kulthoehe hinaufsteigt, um am Mahl teilzunehmen. Denn
das Volk isst nicht, ehe er kommt, weil er das Opfer segnen muss; erst
dann essen die Eingeladenen. Geht also hinauf; denn jetzt koennt ihr
ihn treffen.

9:14   Da gingen sie weiter zur Stadt hinauf. Und als sie zur Mitte der
Stadt gekommen waren, kam ihnen gerade Samuel entgegen, der zur
Kulthoehe hinaufgehen wollte.
[14.18: ueber Ort und Art des Zusammentreffens gab es anscheinend
verschiedene Ueberlieferungen.]

9:15   Der Herr aber hatte Samuel, einen Tag bevor Saul kam, das Ohr fuer
eine Offenbarung geoeffnet und gesagt:

9:16   Morgen um diese Zeit schicke ich einen Mann aus dem Gebiet Benjamins
zu dir. Ihn sollst du zum Fuersten meines Volkes Israel salben. Er
wird mein Volk aus der Gewalt der Philister befreien; denn ich habe
die Not meines Volkes Israel gesehen, und sein Hilfeschrei ist zu
mir gedrungen.
[die Not: Text nach G ergaenzt.]

9:17   Als Samuel Saul sah, sagte der Herr zu ihm: Das ist der Mann, von
dem ich dir gesagt habe: Der wird ueber mein Volk herrschen.

9:18   Saul trat mitten im Tor zu Samuel und fragte: Sag mir doch, wo das
Haus des Sehers ist.

9:19   Samuel antwortete Saul: Ich bin der Seher. Geh vor mir her zur
Kulthoehe hinauf! Ihr sollt heute mit mir essen. Morgen frueh will ich
dich dann weiterziehen lassen. Ich werde dir Auskunft ueber alles
geben, was du auf dem Herzen hast.

9:20   Ueber die Eselinnen, die dir vor drei Tagen abhanden gekommen sind,
brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Sie wurden gefunden. Auf
wen aber richtet sich die ganze Sehnsucht Israels? Gilt sie nicht
dir und dem ganzen Haus deines Vaters?

9:21   Da antwortete Saul: Bin ich nicht ein Benjaminiter, also aus dem
kleinsten Stamm Israels? Ist meine Sippe nicht die geringste von
allen Sippen des Stammes Benjamin? Warum sagst du so etwas zu mir?
[15,17]

9:22   Samuel nahm Saul und seinen Knecht mit, fuehrte sie in das Haus und
wies ihnen die Ehrenplaetze unter den Eingeladenen an; es waren etwa
dreissig Maenner (versammelt).

9:23   Samuel sagte zum Koch: Bring das Stueck her, das ich dir gegeben
habe, das, von dem ich dir gesagt habe: Halt es bei dir zurueck!

9:24   Da trug der Koch die Keule auf und setzte sie Saul vor; er sagte:
Das ist das, was uebrig blieb. Greif zu und iss! Als ich das Volk
eingeladen hatte, ist dieses Stueck fuer dich und fuer diese Stunde
aufgehoben worden. An jenem Tag ass Saul zusammen mit Samuel.

9:25   Dann stiegen sie von der Kulthoehe in die Stadt hinab, und Samuel
hatte mit Saul auf dem Flachdach eine Unterredung.

9:26   Frueh am Morgen, als die Daemmerung anbrach, rief Samuel zu Saul aufs
Dach hinauf: Steh auf! Ich will dir das Geleit geben. Saul stand
auf, und beide gingen zusammen hinaus.

9:27   Als sie zur Grenze des Stadtgebietes gekommen waren, sagte Samuel zu
Saul: Sag dem Knecht, er soll vorausgehen; du aber bleib nun hier
stehen! Ich will dir ein Gotteswort verkuenden. Da ging der Knecht
voraus.