Gott ist der Herr der Geschichte. Er fuehrt sie einem geheimnisvollen Ziel
  zu. Wo das liegt, ist wohl nicht zu sagen. Manche meinen, es sei die Hoehe
  der Vollendung; andere, die letzte Tiefe des Niedergangs; wieder andere, der
  Augenblick, da alle Moeglichkeiten zur Auswirkung gekommen sind. Nach der
  Offenbarung scheint die Geschichte so zu gehen, dass der Mensch der
  Entscheidung fuer und gegen Gott immer weniger ausweichen kann.

  Ist Gott wirklich der Herr der Geschichte? Macht sie den Eindruck, von ihm
  gelenkt zu sein? Zuweilen fuehlen wir das Walten Gottes, etwa in Erlebnissen
  der Rettung, oder der Strafe, oder der inneren Geborgenheit; im Allgemeinen
  aber scheint sie aus sich selber zu laufen. Auch diese Tatsache hebt das
  Herrentum Gottes nicht auf, sondern offenbart nur dessen Eigenart. Wenn er
  die Freiheit wollte, musste er auch ihre Folgen wollen ...

  Je genauer man das Leben kennen lernt, desto tiefer versteht man die
  Notwendigkeit des Endgerichts. Keiner hat Veranlassung, sich auf das Gericht
  zu freuen, denn es ergeht auch ueber ihn. Trotzdem ruft die innere Sehnsucht
  nach jenem, letzten aller Tage, an dem jeder sein Recht bekommt und die
  Herrschaft Gottes offenbar wird (Romano Guardini).