Es ist sehr zum Verwundern, aber es ist so: Wer in unserer zerrissenen Welt
die Kraefte der Heilung entbinden will, muss bei sich selbst und seinem
babylonischen Herzen beginnen. Dieser neue Anfang geschieht dort, wo ein
Mensch heimfindet aus aller Irre zum Frieden, wo er ploetzlich merkt: der
Gott, den die Menschen in ihrem Wahn aus dem Himmel vertreiben wollten, um
dieses Oben dann selbst zu besetzen, gerade dieser Gott hat mich lieb, er
interessiert sich fuer mich, er hat mich unter Schmerzen gesucht, er hat am
Kreuz Jesu die Last meines Lebens auf die eigenen Schultern genommen, und nun
kann ich ganz schuechtern zu stammeln beginnen: Ich glaube, lieber Herr, hilf
meinem Unglauben. Wo das geschieht, da ist vom Huegel Golgota ein Stueck
Genesung in die Welt hineingekommen. Denn nun brechen Kettenreaktionen noch
und noch in meinem Leben los: Dann ist Gott fuer mich nicht mehr etwas so
Verblasenes wie eine hoehere Macht oder der Inhalt eines Angstkomplexes,
sondern dann werde ich zur Liebe frei und muss die empfangene Liebe auch
weitergeben; dann entdecke ich den Naechsten in meinem Leben, den Gott mir
anvertrauen will. Nun ist die Angst weg und die Sorge und der Druck des
Unheimlichen. Nun kann ich wieder atmen, und indem ich es kann, ist an einer
Stelle die Frische der Ewigkeit und der Hauch des Lebens in die Welt
gebrochen (Helmut Thielicke).