So weit das juedische Volk offenbarungsglaeubig ist,
lebt es in der Erwartung eines messianischen Reiches,
wie die Propheten es in den leuchtenden Farben seines endgueltigen Zustandes
geschildert haben. Die Christen haben es sich allzu leicht gemacht,
wenn sie darauf nur die Antwort hatten, der Ersehnte sei bereits gekommen.
Das ist nur die eine Haelfte der Wahrheit,
und gerade die andere Haelfte waere es, die uns mit den Juden verbaende,
die Sehnsucht nach der Fuelle der Erloesung,
nach ihrem Offenbarwerden in einem neuen Himmel und einer neuen Erde ...
In dem Masse, wie endzeitliche Hoffnung die Christen zu praegen beginnt,
werden Juden und Christen sich in einer gemeinsamen Erwartungsdynamik
verbunden wissen. Diese Verbundenheit kommt gewiss zu tieferer Erfahrung
ueberall dort, wo sich beide durch ihre messianische Ausrichtung zu
den Auffassungen und Praktiken einer rein materialistisch orientierten Welt
gemeinsam in Gegensatz bringen. In Bereichen,
die aus ihrem Daseinsverstaendnis jeden Offenbarungsanspruch ausklammern
und ihren Buergern die gleiche Denkweise als Existenzbedingung suggerieren
oder sogar auferlegen, werden beide notwendig zu Pilgern und Fremdlingen
und damit zu Weggefaehrten (Heinrich Spaemann).