E-1    Das Buch der Weisheit

Den Titel "Buch der Weisheit" traegt dieses Buch in der
lateinischen Bibel; in der griechischen Bibel heisst es "Weisheit
Salomos". Das Buch stammt aus der juedischen Diaspora in Aegypten,
wahrscheinlich aus Alexandria, dem beruehmten Zentrum hellenistischer
Wissenschaft. Es ist das spaeteste Buch des Alten Testaments. Die
Verfolgung gesetzestreuer Juden durch abgefallene Juden (Kap. 2)
weist in die Zeit zwischen 80 und 30 v. Chr.; damals hatte auch die
Weltmacht Rom den Juden ihre Gunst entzogen.

E-2    Der Verfasser ist stolz auf seine juedische Religion und auf sein
Volk; er ist aber auch hellenistisch gebildet und offen fuer die
Schoenheit der Natur (Kap. 13). Er versteht es, sich in seiner
griechischen Muttersprache klar und genau auszudruecken. Die Bibel las
er in der griechischen Uebersetzung der Septuaginta. Philosophische
Gedankengaenge, wie sie die Griechen zu seiner Zeit kannten, waren ihm
fuer seine Darstellung der Offenbarung des Alten Testaments hilfreich.
Indem er in der Person des Koenigs Salomo spricht (vgl. 9,7), stellt
er sich, wie der Verfasser von Spr 1 - 9 und wie Kohelet, in die
Reihe der Weisheitslehrer Israels. Er nennt Salomo jedoch nicht mit
Namen, wie er auch sonst keine Namen nennt, um die allgemein
menschliche Geltung dieser Weisheit herauszuheben.

E-3    Der Verfasser wendet sich troestend und mahnend an seine
verfolgten Glaubensgenossen, aber auch drohend und warnend an ihre
Verfolger, die abgefallenen Juden, und einladend und werbend an seine
heidnische Umwelt, indem er die Offenbarungsreligion als Gabe der
Weisheit darstellt.

E-4    Die herkoemmliche Dreiteilung des Buches (Kap. 1 - 5; 6 - 9; 10 -
19) ist zwar inhaltlich berechtigt; der kunstvolle Aufbau ermoeglicht
aber eine genauere Abgrenzung der Teile:

E-5    Der erste Teil gliedert sich in sieben Abschnitte. Er beginnt und
schliesst mit einer Mahnrede (1,1-15 und 6,1-21); beide Mahnreden
richten sich an die Herrscher der Erde, die aufgefordert werden, die
Gerechtigkeit zu lieben (1,1-15) und die Weisheit zu suchen (6,1-21).
Wie der erste und siebte, so entsprechen sich auch der zweite und
sechste Abschnitt (1,16 - 2,24 und 4,20 - 5,23): Dem Triumph der
Suender ueber die Gerechten wird der Triumph der Gerechten ueber die
Suender gegenuebergestellt. Die drei mittleren Abschnitte (3,1-12;
3,13; 4,6; 4,7-19) versuchen mit dem Ausblick auf die
Unsterblichkeit eine Loesung der Lebensraetsel, um die sich auch Ijob,
Kohelet und Jesus Sirach bemuehen.

E-6    Im zweiten Teil lassen sich ebenfalls sieben Abschnitte
feststellen. Nach einer Einleitung (6,22-25) wird ausgefuehrt, dass
auch der Weise ein sterblicher Mensch ist wie alle anderen (7,1-6).
Er hat um Weisheit gebetet und sie als kostbarste Gabe erhalten (7,7-
14). Er bittet Gott darum, gemaess der Weisheit denken und lehren zu
koennen (7,15-21). Dann beschreibt er das Wesen der Weisheit in
leuchtenden Farben (7,22 - 8,1). Er stellt die Weisheit als Lehrerin
der Tugend vor (8,2-8). Die Weisheit wird ihm zur Lebensgefaehrtin
(8,9-18).

E-7    Der dritte Teil (8,19 - 19,22) ist ein einziges grosses Gebet
Salomos. Er bittet Gott um die Weisheit (9,1-19). Dann betrachtet er
das rettende Wirken der Weisheit an sieben Beispielen (10,1 - 11,4)
und das strafende und rettende Eingreifen Gottes in sieben
Gegenueberstellungen (11,5 - 19,22). Eingeschaltet sind zwei
Abschnitte ueber die Art Gottes zu strafen (11,15 - 12,27) und ueber
die Torheit des Goetzendienstes (13,1 - 15,19). Die Auszugserzaehlungen
des Buches Exodus schmueckt der Verfasser nach Art der juedischen
Schrifterklaerung und der griechischen Redekunst frei aus und
uebersteigert sie, um das Handeln Gottes eindrucksvoll darzustellen.
Da er keinen Namen nennt, bekommen die biblischen Ereignisse, auf die
er sich bezieht, eine weitreichende, umfassende Bedeutung.

E-8    Die griechisch sprechenden Juden der Diaspora haben das Buch der
Weisheit wie auch andere deuterokanonische Buecher gern gelesen. Von
ihnen hat es die Kirche in ihren Kanon uebernommen. Durch seine klare
Lehre von der Unsterblichkeit, die erhabene Schau des goettlichen
Wirkens im Zusammenklang von Allmacht, Gerechtigkeit und
Barmherzigkeit und durch die Aussagen ueber die aus Gottes Wesen
hervorgehende und mit ihm aufs innigste verbundene Weisheit (7,22 -
8,1) ist das Buch der kroenende Abschluss der alttestamentlichen
Weisheitsliteratur und fuehrt bis an die Schwelle des Neuen Testaments
heran. Paulus spielt oefter auf Texte dieses Buches an, vgl. besonders
Roem 1,23-32; 11,33.

1:1    Aufforderung zu einem Leben nach der Weisheit: 1,1 - 6,21
Die Mahnung zu gerechtem Leben: 1,1-15

Liebt Gerechtigkeit, ihr Herrscher der Erde, denkt in Froemmigkeit an
den Herrn, sucht ihn mit reinem Herzen!
[1 Chr 29,17
Die Anrede ist an die Herrscher (woertlich: Richter) der Erde
gerichtet, weil der Verfasser als Koenig Salomo spricht. Angeredet
sind aber auch die unter Verfolgung leidenden Juden.]

1:2    Denn er laesst sich finden von denen, die ihn nicht versuchen,
und zeigt sich denen, die ihm nicht misstrauen.
[Jer 29,13f]

1:3    Verkehrte Gedanken trennen von Gott; wird seine Macht
herausgefordert, dann weist sie die Toren zurueck.

1:4    In eine Seele, die auf Boeses sinnt, kehrt die Weisheit nicht ein,
noch wohnt sie in einem Leib, der sich der Suende hingibt.

1:5    Denn der heilige Geist, der Lehrmeister, flieht vor der Falschheit,
er entfernt sich von unverstaendigen Gedanken und wird verscheucht,
wenn Unrecht naht.
[Der heilige Geist ist im AT die von Gott ausgehende Kraft, die den
Menschen zu ausserordentlichen Taten und zu prophetischem Reden
befaehigt.]

1:6    Die Weisheit ist ein menschenfreundlicher Geist, doch laesst sie
die Reden des Laesterers nicht straflos; denn Gott ist Zeuge seiner
heimlichen Gedanken, untrueglich durchschaut er sein Herz und hoert
seine Worte.
[7,23; 1 Sam 16,7; Jer 17,9f; Sir 42,18
seiner heimlichen Gedanken, woertlich: seiner Nieren. Die Nieren sind
im semitischen Denken Sitz der innersten Empfindungen. Das Herz gilt
als geistige Mitte, als Sitz der Gedanken und Willensentschluesse.]

1:7    Der Geist des Herrn erfuellt den Erdkreis, und er, der alles
zusammenhaelt, kennt jeden Laut.
[Jer 23,23-25; Weish 8,1]

1:8    Darum bleibt keiner verborgen, der Boeses redet, das Strafurteil
geht nicht an ihm vorueber.

1:9    Die Plaene des Frevlers werden untersucht; der Herr erfaehrt von
seinen Reden und bestraft seine Vergehen.

1:10   Denn das eifersuechtige Ohr hoert alles, kein leises Murren bleibt
ihm verborgen.
[Gott ist eifersuechtig auf seine Ehre bedacht (vgl. Ex 20,5; Jos
24,19; Jes 42,8; Ez 36,22f; 39,25).]

1:11   Huetet euch also vor unnuetzem Murren, und verwehrt eurer Zunge
das Verleumden! Denn euer heimliches Reden verhallt nicht ungehoert, und
ein Mund, der luegt, toetet die Seele.
[Spr 19,5.9]

1:12   Jagt nicht dem Tod nach in den Irrungen eures Lebens, und zieht
nicht durch euer Handeln das Verderben herbei!

1:13   Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am
Untergang der Lebenden.
[2,23f; Ez 18,23.32]

1:14   Zum Dasein hat er alles geschaffen, und heilbringend sind die
Geschoepfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, das Reich
des Todes hat keine Macht auf der Erde;

1:15   denn die Gerechtigkeit ist unsterblich.
[3,4; 6,18]

1:16   Vom Treiben der Frevler: 1,16 - 2,24

Die Frevler aber holen winkend und rufend den Tod herbei und sehnen
sich nach ihm wie nach einem Freund; sie schliessen einen Bund mit
ihm, weil sie es verdienen, ihm zu gehoeren.
[Jes 28,15.18; Weish 2,24]

2:1    Sie tauschen ihre verkehrten Gedanken aus und sagen: Kurz und
traurig ist unser Leben; fuer das Ende des Menschen gibt es keine
Arznei, und man kennt keinen, der aus der Welt des Todes befreit.

2:2    Durch Zufall sind wir geworden, und danach werden wir sein, als
waeren wir nie gewesen. Der Atem in unserer Nase ist Rauch, und das
Denken ist ein Funke, der vom Schlag des Herzens entfacht wird;

2:3    verloescht er, dann zerfaellt der Leib zu Asche, und der Geist
verweht wie duenne Luft.

2:4    Unser Name wird bald vergessen, niemand denkt mehr an unsere Taten.
Unser Leben geht vorueber wie die Spur einer Wolke und loest sich auf
wie ein Nebel, der von den Strahlen der Sonne verscheucht und von
ihrer Waerme zu Boden gedrueckt wird.
[Koh 9,5]

2:5    Unsere Zeit geht vorueber wie ein Schatten, unser Ende wiederholt
sich nicht; es ist versiegelt, und keiner kommt zurueck.
[Ijob 8,9; 7,9]

2:6    Auf, lasst uns die Gueter des Lebens geniessen und die Schoepfung
auskosten, wie es der Jugend zusteht.
[Koh 9,7-10]

2:7    Erlesener Wein und Salboel sollen uns reichlich fliessen, keine
Blume des Fruehlings darf uns entgehen.

2:8    Bekraenzen wir uns mit Rosen, ehe sie verwelken;

2:9    keine Wiese bleibe unberuehrt von unserem ausgelassenen Treiben.
Ueberall wollen wir Zeichen der Froehlichkeit zuruecklassen; das ist
unser Anteil, das faellt uns zu.

2:10   Lasst uns den Gerechten unterdruecken, der in Armut lebt, die Witwe
nicht schonen und das graue Haar des betagten Greises nicht scheuen!
[Hab 1,4; Ex 22,21; Lev 19,32]

2:11   Unsere Staerke soll bestimmen, was Gerechtigkeit ist; denn das
Schwache erweist sich als unnuetz.

2:12   Lasst uns dem Gerechten auflauern! Er ist uns unbequem und steht
unserem Tun im Weg. Er wirft uns Vergehen gegen das Gesetz vor und
beschuldigt uns des Verrats an unserer Erziehung.

2:13   Er ruehmt sich, die Erkenntnis Gottes zu besitzen, und nennt sich
einen Knecht des Herrn.
[Der Verfasser hat bei der Verfolgung des Gerechten den Gottesknecht
von Deuterojesaja (vgl. die Einleitung zu Jes) und Ps 22 vor Augen.
Das griechische Wort fuer Kind (pais) ist in G Uebersetzung des
hebraeischen Wortes fuer Knecht (ebed).]

2:14   Er ist unserer Gesinnung ein lebendiger Vorwurf, schon sein Anblick
ist uns laestig;

2:15   denn er fuehrt ein Leben, das dem der andern nicht gleicht, und
seine Wege sind grundverschieden.

2:16   Als falsche Muenze gelten wir ihm; von unseren Wegen haelt er sich
fern wie von Unrat. Das Ende der Gerechten preist er gluecklich und
prahlt, Gott sei sein Vater.

2:17   Wir wollen sehen, ob seine Worte wahr sind, und pruefen, wie es mit
ihm ausgeht.

2:18   Ist der Gerechte wirklich Sohn Gottes, dann nimmt sich Gott seiner
an und entreisst ihn der Hand seiner Gegner.
[Ps 22,9; Mt 27,42f]

2:19   Roh und grausam wollen wir mit ihm verfahren, um seine Sanftmut
kennenzulernen, seine Geduld zu erproben.

2:20   Zu einem ehrlosen Tod wollen wir ihn verurteilen; er behauptet ja,
es werde ihm Hilfe gewaehrt.
[5,4]

2:21   So denken sie, aber sie irren sich; denn ihre Schlechtigkeit macht
sie blind.

2:22   Sie verstehen von Gottes Geheimnissen nichts, sie hoffen nicht auf
Lohn fuer die Froemmigkeit und erwarten keine Auszeichnung fuer
untadelige Seelen.

2:23   Gott hat den Menschen zur Unvergaenglichkeit erschaffen und ihn zum
Bild seines eigenen Wesens gemacht.
[1,14; 3,4; Gen 1,26f
seines eigenen Wesens: nach anderen Textzeugen: seiner Ewigkeit.]

2:24   Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn
erfahren alle, die ihm angehoeren.
[Gen 3,1-5; Joh 8,44; Weish 1,16]

3:1    Das jenseitige Los der Guten und der Boesen: 3,1-12

Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, und keine Qual kann
sie beruehren.

3:2    In den Augen der Toren sind sie gestorben, ihr Heimgang gilt als
Unglueck,
[Der Verfasser vermeidet fuer die Gerechten die Ausdruecke "Tod"
und "sterben" (vgl. V. 3a; 4,7.10f.16f); nur die Suender laesst er vom
Tod und Sterben der Gerechten sprechen (2,20). Der Tod, der durch den
Neid des Teufels in die Welt gekommen ist, ist fuer den Verfasser zwar
der leibliche Tod, aber nur insofern er zum ewigen Tod fuehrt (4,19f;
17,20), also der Tod der Suender (2,24).]

3:3    ihr Scheiden von uns als Vernichtung; sie aber sind in Frieden.
[Jes 57,2]

3:4    In den Augen der Menschen wurden sie gestraft; doch ihre Hoffnung
ist voll Unsterblichkeit.
[Wie in 3,1.3b.5a.6b handelt es sich um das jenseitige Leben der
Gerechten. Die Gerechten koennen auch noch nach dem Martyrium die
Hoffnung auf die Unsterblichkeit haben, weil die Auferstehung des
Leibes noch aussteht.]

3:5    Ein wenig nur werden sie gezuechtigt; doch sie empfangen grosse
Wohltat. Denn Gott hat sie geprueft und fand sie seiner wuerdig.

3:6    Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt und sie angenommen als
ein vollgueltiges Opfer.

3:7    Beim Endgericht werden sie aufleuchten wie Funken, die durch ein
Stoppelfeld spruehen.
[Dan 12,3; Mt 13,43
Beim Endgericht, woertlich: In der Zeit ihrer Heimsuchung.]

3:8    Sie werden Voelker richten und ueber Nationen herrschen, und der
Herr wird ihr Koenig sein in Ewigkeit.
[1 Kor 6,2]

3:9    Alle, die auf ihn vertrauen, werden die Wahrheit erkennen, und die
Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe. Denn Gnade und Erbarmen wird
seinen Erwaehlten zuteil.
[4,15]

3:10   Die Frevler aber werden fuer ihre Plaene bestraft, sie, die den
Gerechten missachtet haben und vom Herrn abgefallen sind.

3:11   Ungluecklich sind alle, die Weisheit und Belehrung verachten; leer
ist ihre Hoffnung, vergeblich sind ihre Muehen und wertlos ihre
Taten.
[Sir 34,1]

3:12   Ihre Frauen sind unverstaendig und ihre Kinder boese, fluchbeladen
ist ihr Geschlecht.
[12,11]

3:13   Kinderlose Gerechte und kinderreiche Frevler: 3,13 - 4,6

Selig ist die Kinderlose, die unschuldig blieb und kein Lager der
Suende kannte; sie wird gleich einer Mutter geehrt, wenn die Seelen
ihren Lohn empfangen.
[13-4,6: Kinderlosigkeit gilt sonst im AT als Unglueck und Schande
(Gen 30,23; 1 Sam 1,6f.15f; vgl. Lk 1,25) oder gar als Strafe (Lev
20,20f); im Blick auf die ewige Vergeltung werden hier die
Kinderlosen, die Gott treu dienen, der Mutter zahlreicher Kinder
gleichgeachtet.
13cd: Woertlich: denn sie wird Frucht haben bei der Heimsuchung der
Seelen.]

3:14   Selig ist auch der Kinderlose, der sich nicht frevelhaft verging
und gegen den Herrn nichts Boeses plante; besondere Gnade wird seiner
Treue zuteil und ein gar koestlicher Anteil am Tempel des Herrn.
[Jes 56,3
14a: der Kinderlose, woertlich: der Eunuch.
14e: ein gar koestlicher, woertlich: ein mehr beglueckender (als wenn
er Kinder haette).]

3:15   Denn ruhmreich ist der Lohn guter Muehe und unvergaenglich die
Wurzel der Klugheit.

3:16   Doch die Kinder von Ehebrechern verkuemmern, und die Nachkommen
einer suendigen Verbindung schwinden dahin.
(16-19) 4,3-6; Sir 41,5-7]

3:17   Auch wenn sie lange leben, gelten sie nichts, und ehrlos ist am
Ende ihr Alter.

3:18   Sterben sie frueh, so haben sie keine Hoffnung und keinen Trost am
Tag des Gerichts;

3:19   denn schlimm ist das Ende eines schuldhaften Geschlechts.

4:1    Besser ist Kinderlosigkeit mit Tugend; unsterblich ist ihr Ruhm,
sie steht in Ehren bei Gott und bei den Menschen.

4:2    Ist sie zugegen, ahmt man sie nach; ist sie entschwunden, sehnt man
sie herbei. In der Ewigkeit triumphiert sie, geschmueckt mit dem
Kranz, Siegerin im Wettstreit um einen edlen Preis.
[5,16]

4:3    Doch die grosse Kinderschar der Frevler bringt keinen Nutzen; sie
ist ein unechtes Gewaechs, treibt keine Wurzeln in die Tiefe und fasst
keinen sicheren Grund.
[Sir 23,25]

4:4    Breitet es auch eine Zeitlang ueppig seine Zweige aus, so wird es
doch vom Wind hin und her geschuettelt und von der Gewalt der Stuerme
entwurzelt.

4:5    Die Aeste, die noch schwach sind, werden geknickt; ihre Frucht ist
unbrauchbar, unreif und ungeniessbar, zu gar nichts geeignet.

4:6    Denn die Kinder eines suendigen Beischlafs treten im Gericht als
Zeugen auf fuer die Schlechtigkeit ihrer Eltern.

4:7    Der fruehe Heimgang des Gerechten und das lange Leben der Frevler:
[4,7-19]

Der Gerechte aber, kommt auch sein Ende frueh, geht in Gottes Ruhe
ein.
[Jes 57,2]

4:8    Denn ehrenvolles Alter besteht nicht in einem langen Leben und wird
nicht an der Zahl der Jahre gemessen.

4:9    Mehr als graues Haar bedeutet fuer die Menschen die Klugheit, und
mehr als Greisenalter wiegt ein Leben ohne Tadel.

4:10   Er gefiel Gott und wurde von ihm geliebt; da er mitten unter
Suendern lebte, wurde er entrueckt.
[Gen 5,24; Sir 44,16; Hebr 11,5]

4:11   Er wurde weggenommen, damit nicht Schlechtigkeit seine Einsicht
verkehrte und Arglist seine Seele taeuschte.

4:12   Denn der Reiz des Boesen verdunkelt das Gute, und der Taumel der
Begierde verdirbt den arglosen Sinn.

4:13   Frueh vollendet, hat der Gerechte doch ein volles Leben gehabt;

4:14   da seine Seele dem Herrn gefiel, enteilte sie aus der Mitte des
Boesen. Die Leute sahen es, ohne es zu verstehen; sie nahmen es sich
nicht zu Herzen,
[Jes 57,1]

4:15   dass Gnade und Erbarmen seinen Auserwaehlten zuteil wird, Belohnung
seinen Heiligen.
[3,9]

4:16   Der Gerechte, der entschlafen ist, verurteilt die Frevler, die noch
leben, die frueh vollendete Jugend das hohe Alter des Ungerechten.

4:17   Die Frevler sehen das Ende des Weisen, verstehen aber nicht, was der
Herr mit ihm wollte und warum er ihn in Sicherheit brachte.

4:18   Sie sehen es und gehen darueber hinweg; doch der Herr lacht ueber
sie.
[Ps 2,4]

4:19   Dann werden sie verachtete Leichen sein, ewiger Spott bei den Toten.
Sie werden verstummen, wenn er sie kopfueber hinabstuerzt und aus
ihren Grundfesten reisst. Sie werden voellig vernichtet und erleiden
Qualen; die Erinnerung an sie verschwindet.
[Jes 14,16-19; Ijob 18,17]

4:20   Die Boesen und die Guten im Endgericht: 4,20 - 5,23

Zitternd kommen sie zum Gericht ueber ihre Suenden; ihre Vergehen
treten ihnen entgegen und ueberfuehren sie.
[20-5,23: Gegenstueck zu 1,16 - 2,24: Im Endgericht muessen die Suender
in Gegenwart des von ihnen verachteten und verfolgten Gerechten ihren
Irrtum und ihr verfehltes Leben beklagen.]

5:1    Dann wird der Gerechte voll Zuversicht dastehen vor denen, die ihn
bedraengt und seine Muehen verachtet haben.

5:2    Wenn sie ihn sehen, packt sie entsetzliche Furcht, und sie geraten
ausser sich ueber seine unerwartete Rettung.

5:3    Jetzt denken sie anders; seufzend und voll Angst sagen sie
zueinander:

5:4    Dieser war es, den wir einst verlachten, verspotteten und
verhoehnten, wir Toren. Sein Leben hielten wir fuer Wahnsinn und sein
Ende fuer ehrlos.
[3,2f]

5:5    Jetzt zaehlt er zu den Soehnen Gottes, bei den Heiligen hat er sein
Erbteil.
[2,18; Kol 1,12]

5:6    Also sind wir vom Weg der Wahrheit abgeirrt; das Licht der
Gerechtigkeit strahlte uns nicht, und die Sonne ging nicht fuer uns
auf.
[Ps 119,30.151]

5:7    Bis zum Ueberdruss gingen wir die Pfade des Unrechts und des
Verderbens und wanderten durch weglose Wuesten, aber den Weg des
Herrn erkannten wir nicht.
[Ps 95,10]

5:8    Was nuetzte uns der Uebermut, was brachten uns Reichtum und
Prahlerei?

5:9    All das ist vorbei wie ein Schatten, wie eine fluechtige Nachricht.

5:10   Wie wenn ein Schiff durch die wogende Flut faehrt: Ist es
voruebergezogen, so ist von ihm keine Spur mehr zu finden, kein Pfad
seines Kiels in den Wellen.

5:11   Wie wenn ein Vogel durch die Luft fliegt: Kein Zeichen findet sich
von seiner Bahn, er peitscht die leichte Luft mit seinem Fluegelschlag
und durchschneidet sie mit gewaltig rauschenden Schwingen, doch bleibt
kein Zeichen seines Weges in ihr zurueck.

5:12   Oder wie wenn ein Pfeil auf das Ziel geschossen wird: Die geteilte
Luft stroemt sofort wieder zusammen, so dass man seine Bahn nicht mehr
erkennt.

5:13   So sind wir ins Dasein getreten, um hinzuschwinden; wir hatten
keinerlei Tugend aufzuweisen, sondern wurden von unserer Schlechtigkeit verschlungen.
[Vg fuegt als V. 14 hinzu: So sprachen in der Unterwelt die, die
gesuendigt haben. - Entsprechend verschiebt sich in Vg die
Verszaehlung.]

5:14   Ja, die Hoffnung des Frevlers ist wie die Spreu, die der Wind
verweht, wie der Gischt, den der Sturm verjagt, wie der Rauch, den der
Wind zerstaeubt; sie schwindet wie die Erinnerung an einen fluechtigen
Gast.
[Ps 1,4; Jes 29,5; Ps 68,3
Gischt: so nach S und der altlateinischen Uebersetzung; G: Reif.]

5:15   Die Gerechten aber leben in Ewigkeit, der Herr belohnt sie, der
Hoechste sorgt fuer sie.

5:16   Darum werden sie aus der Hand des Herrn das Reich der Herrlichkeit
empfangen und die Krone der Schoenheit. Denn er wird sie mit seiner
Rechten behueten und mit seinem Arm beschuetzen.
[Jes 62,3; 41,10]

5:17   Er ruestet sich mit seinem Eifer und macht die Schoepfung zur
Waffe, mit der er die Feinde bestraft.
[(17-19) Eph 6,13-17]

5:18   Als Panzer zieht er Gerechtigkeit an, und als Helm setzt er
strenges Gericht auf.
[Jes 59,17]

5:19   Als Schild nimmt er unueberwindliche Heiligkeit,

5:20   und grimmigen Zorn schaerft er zum Schwert; zusammen mit ihm
kaempft die ganze Welt gegen die Toren.

5:21   Treffsicher fahren die Blitzespfeile dahin; abgeschossen aus den
Wolken wie von einem wohlgerundeten Bogen, fliegen sie auf ihr Ziel.
[Hab 3,11]

5:22   Eine Steinschleuder entsendet Hagelkoerner, die voll von
goettlichem Zorn sind. Das Wasser des Meeres wuetet gegen die Feinde, und
Stroeme schlagen grimmig ueber ihnen zusammen.
[Jos 10,11; Ex 14,27f; 15,10]

5:23   Der Atem des Allmaechtigen erhebt sich gegen sie und traegt sie wie
ein Sturm davon. So bringt die Gesetzlosigkeit Verheerung ueber die
ganze Erde, und das boese Tun stuerzt die Throne der Maechtigen.
[5,14; Jes 24,3; Sir 10,14; Lk 1,52]

6:1    Die Mahnung, die Weisheit zu suchen: 6,1-21

Hoert also, ihr Koenige, und seid verstaendig, lernt, ihr Gebieter der
ganzen Welt!
[Ps 2,10
1-8: Salomo nimmt die Anrede an die Herrscher wieder auf; mit "also"
zeigt er, dass er sie auch in 1,16 - 5,23 als seine Hoerer voraussetzt,
obwohl er sie nicht mehr direkt anredet. Die Mahnung, verstaendig zu
sein, nimmt auf das Weltgericht Bezug (5,17-23). Die Koenige
sollen sich nicht mit ihrer Herrschermacht bruesten, sondern bedenken,
dass sie sich als Diener Gottes und seines Reiches vor dem strengen
Richter zu verantworten haben.
Vg fuegt vor V. 1 ein: Besser ist Weisheit als Kraft, und ein kluger
Mann (ist besser) als ein starker. Dieser Vers ist in Vg als V. 1
gezaehlt; entsprechend verschiebt sich die Verszaehlung.]

6:2    Horcht, ihr Herrscher der Massen, die ihr stolz seid auf
Voelkerscharen!

6:3    Der Herr hat euch die Gewalt gegeben, der Hoechste die Herrschaft,
er, der eure Taten prueft und eure Plaene durchforscht.
[Roem 13,1; 1 Chr 28,9]

6:4    Ihr seid Diener seines Reichs, aber ihr habt kein gerechtes Urteil
gefaellt, das Gesetz nicht bewahrt und die Weisung Gottes nicht
befolgt.

6:5    Schnell und furchtbar wird er kommen und euch bestrafen; denn ueber
die Grossen ergeht ein strenges Gericht.

6:6    Der Geringe erfaehrt Nachsicht und Erbarmen, doch die Maechtigen
werden gerichtet mit Macht.

6:7    Denn der Herrscher des Alls scheut niemand und weicht vor keiner
Groesse zurueck. Er hat klein und gross erschaffen und traegt gleiche
Sorge fuer alle;
[Ijob 34,19; Weish 12,13]

6:8    den Maechtigen aber droht strenge Untersuchung.
[Lk 12,48]

6:9    An euch also, ihr Herrscher, richten sich meine Worte, damit ihr
Weisheit lernt und nicht suendigt.

6:10   Wer das Heilige heilig haelt, wird geheiligt, und wer sich darin
unterweisen laesst, findet Schutz.

6:11   Verlangt also nach meinen Worten; sehnt euch danach, und ihr werdet
gute Belehrung empfangen.

6:12   Strahlend und unvergaenglich ist die Weisheit; wer sie liebt,
erblickt sie schnell, und wer sie sucht, findet sie.
[Spr 8,17]

6:13   Denen, die nach ihr verlangen, gibt sie sich sogleich zu erkennen.

6:14   Wer sie am fruehen Morgen sucht, braucht keine Muehe, er findet sie
vor seiner Tuere sitzen.
[Spr 8,34]

6:15   Ueber sie nachzusinnen ist vollkommene Klugheit; wer ihretwegen
wacht, wird schnell von Sorge frei.

6:16   Sie geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer wuerdig sind;
freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen und kommt jenen
entgegen, die an sie denken.
[Spr 8,2f]

6:17   Ihr Anfang ist aufrichtiges Verlangen nach Bildung; das eifrige
Bemuehen um Bildung aber ist Liebe.
[17-21: Ein sog. Kettenschluss, der zeigt, wie das Verlangen nach
Weisheit in Gottes Naehe und damit zur Herrschaft fuehrt.]

6:18   Liebe ist Halten ihrer Gebote; Erfuellen der Gebote sichert
Unvergaenglichkeit,
[Joh 14,23]

6:19   und Unvergaenglichkeit bringt in Gottes Naehe.

6:20   So fuehrt das Verlangen nach Weisheit zur Herrschaft hinauf.

6:21   Ihr Herrscher der Voelker, wenn ihr Gefallen an Thronen und Zeptern
habt, dann ehrt die Weisheit, damit ihr ewig herrscht.
[Einige wichtige Vg-Handschriften fuegen als V. 23 hinzu: Liebt das
Licht der Weisheit, ihr alle, die ihr den Voelkern vorsteht. - Die VV.
22-25 werden in Vg als VV. 24-27 gezaehlt.]

6:22   Das Wesen und Wirken der Weisheit: 6,22 - 8,18
Einleitung: 6,22-25

Ich will verkuenden, was die Weisheit ist und wie sie wurde, und will
euch kein Geheimnis verbergen. Ich will ihre Spur vom Anfang der
Schoepfung an verfolgen, ihre Kenntnis will ich verbreiten und nicht
an der Wahrheit vorbeigehen.
[Spr 8,22-31
22-25: Salomo will seine Weisheit neidlos mitteilen und moeglichst
viele weise machen, weil eine grosse Zahl von Weisen der Welt Heil,
Frieden und Glueck bringen kann.]

6:23   Verzehrender Neid soll mich nicht auf meinem Weg begleiten; denn er
hat mit der Weisheit nichts gemein.
[7,13]

6:24   Eine grosse Anzahl von Weisen ist Heil fuer die Welt, ein kluger
Koenig ist Wohlstand fuer das Volk.
[Spr 11,14]

6:25   Lasst euch also durch meine Worte unterweisen; es wird euch von
Nutzen sein.

7:1    Der sterbliche Mensch als Empfaenger der Weisheit: 7,1-6

Auch ich bin ein sterblicher Mensch wie alle anderen, Nachkomme des
ersten, aus Erde gebildeten Menschen. Im Schoss der Mutter wurde ich
zu Fleisch geformt,
[1-6: Auch der weise Koenig Salomo ist nur ein armseliger Mensch,
dem die Weisheit nicht angeboren ist.]

7:2    zu dem das Blut in zehn Monaten gerann durch den Samen des Mannes
und die Lust, die im Beischlaf hinzukam.

7:3    Geboren atmete auch ich die gemeinsame Luft, ich fiel auf die Erde,
die Gleiches von allen erduldet, und Weinen war mein erster Laut wie
bei allen.

7:4    In Windeln und mit Sorgen wurde ich aufgezogen;

7:5    kein Koenig trat anders ins Dasein.

7:6    Alle haben den einen gleichen Eingang zum Leben; gleich ist auch der
Ausgang.

7:7    Die Gottesgabe der Weisheit: 7,7-14

Daher betete ich, und es wurde mir Klugheit gegeben; ich flehte, und
der Geist der Weisheit kam zu mir.
[8,21
7-14: Nur durch das Gebet (vgl. 8,21 - 9,19 und 1 Koen 3,6-9) kann
Salomo die Weisheit als Geschenk von Gott erhalten.]

7:8    Ich zog sie Zeptern und Thronen vor, Reichtum achtete ich fuer
nichts im Vergleich mit ihr.
[Spr 8,11]

7:9    Keinen Edelstein stellte ich ihr gleich; denn alles Gold erscheint
neben ihr wie ein wenig Sand, und Silber gilt ihr gegenueber soviel
wie Lehm.
[Spr 3,14]

7:10   Ich liebte sie mehr als Gesundheit und Schoenheit und zog ihren
Besitz dem Lichte vor; denn niemals erlischt der Glanz, der von ihr
ausstrahlt.
[7,29f]

7:11   Zugleich mit ihr kam alles Gute zu mir, unzaehlbare Reichtuemer
waren in ihren Haenden.
[1 Koen 3,13; Spr 3,16; 8,18]

7:12   Ich freute mich ueber sie alle, weil die Weisheit lehrt, sie richtig
zu gebrauchen, wusste aber nicht, dass sie auch deren Ursprung ist.

7:13   Uneigennuetzig lernte ich, und neidlos gebe ich weiter; ihren
Reichtum behalte ich nicht fuer mich.
[6,22]

7:14   Ein unerschoepflicher Schatz ist sie fuer die Menschen; alle, die
ihn erwerben, erlangen die Freundschaft Gottes. Sie sind empfohlen durch
die Gaben der Unterweisung.
[7,28]

7:15   Bitte um die Gabe der Lehre: 7,15-21

Mir aber gewaehre Gott, nach meiner Einsicht zu sprechen und zu
denken, wie die empfangenen Gaben es wert sind; denn er ist der
Fuehrer der Weisheit und haelt die Weisen auf dem rechten Weg.

7:16   Wir und unsere Worte sind in seiner Hand, auch alle Klugheit und
praktische Erfahrung.

7:17   Er verlieh mir untruegliche Kenntnis der Dinge, so dass ich den
Aufbau der Welt und das Wirken der Elemente verstehe,
[1 Koen 5,9f]

7:18   Anfang und Ende und Mitte der Zeiten, die Abfolge der Sonnenwenden
und den Wandel der Jahreszeiten,

7:19   den Kreislauf der Jahre und die Stellung der Sterne,

7:20   die Natur der Tiere und die Wildheit der Raubtiere, die Gewalt der
Geister und die Gedanken der Menschen, die Verschiedenheit der
Pflanzen und die Kraefte der Wurzeln.
[1 Koen 5,13]

7:21   Alles Verborgene und alles Offenbare habe ich erkannt; denn es
lehrte mich die Weisheit, die Meisterin aller Dinge.
[8,5f; 9,9]

7:22   Das Wesen der Weisheit: 7,22 - 8,1

In ihr ist ein Geist, gedankenvoll, heilig, einzigartig,
mannigfaltig, zart, beweglich, durchdringend, unbefleckt, klar,
unverletzlich, das Gute liebend, scharf,
[22f: Es werden einundzwanzig (7 mal 3) Eigenschaften der Weisheit
aufgezaehlt.]

7:23   nicht zu hemmen, wohltaetig, menschenfreundlich, fest, sicher, ohne
Sorge, alles vermoegend, alles ueberwachend und alle Geister
durchdringend, die denkenden, reinen und zartesten.

7:24   Denn die Weisheit ist beweglicher als alle Bewegung; in ihrer
Reinheit durchdringt und erfuellt sie alles.

7:25   Sie ist ein Hauch der Kraft Gottes und reiner Ausfluss der
Herrlichkeit des Allherrschers; darum faellt kein Schatten auf sie.

7:26   Sie ist der Widerschein des ewigen Lichts, der ungetruebte Spiegel
von Gottes Kraft, das Bild seiner Vollkommenheit.
[Hebr 1,3; Kol 1,15]

7:27   Sie ist nur eine und vermag doch alles; ohne sich zu aendern,
erneuert sie alles. Von Geschlecht zu Geschlecht tritt sie in
heilige Seelen ein und schafft Freunde Gottes und Propheten;
[Ps 104,30]

7:28   denn Gott liebt nur den, der mit der Weisheit zusammenwohnt.
[Sir 4,14]

7:29   Sie ist schoener als die Sonne und uebertrifft jedes Sternbild. Sie
ist strahlender als das Licht;

7:30   denn diesem folgt die Nacht, doch ueber die Weisheit siegt keine
Schlechtigkeit.

8:1    Machtvoll entfaltet sie ihre Kraft von einem Ende zum andern und
durchwaltet voll Guete das All.
[1,7; 12,18; 15,1]

8:2    Die Weisheit als Lehrerin der Tugend: 8,2-8

Sie habe ich geliebt und gesucht von Jugend auf, ich suchte sie als
Braut heimzufuehren und fand Gefallen an ihrer Schoenheit.
[Sir 15,2
2-8: Salomo hat die Weisheit von Jugend auf geliebt, weil sie mit
Gott in innigster Verbindung steht, alle Gueter gewaehrt, die vier
Kardinaltugenden lehrt, die alle anderen in sich enthalten, und so
zu einem rechtschaffenen Leben anleitet.]

8:3    Im Umgang mit Gott beweist sie ihren Adel, der Herr ueber das All
gewann sie lieb.

8:4    Eingeweiht in das Wissen Gottes, bestimmte sie seine Werke.
[9,4]

8:5    Ist Reichtum begehrenswerter Besitz im Leben, was ist dann reicher
als die Weisheit, die in allem wirkt?
[7,22; (5-7) 7,11-14]

8:6    Wenn Klugheit wirksam ist, wer in aller Welt ist ein groesserer
Meister als sie?

8:7    Wenn jemand Gerechtigkeit liebt, in ihren Muehen findet er die
Tugenden. Denn sie lehrt Mass und Klugheit, Gerechtigkeit und
Tapferkeit, die Tugenden, die im Leben der Menschen nuetzlicher sind
als alles andere.

8:8    Wenn jemand nach reicher Erfahrung strebt: sie kennt das Vergangene
und erraet das Kommende, sie versteht, die Worte schoen zu formen und
Raetselhaftes zu deuten; sie weiss im voraus Zeichen und Wunder und
kennt den Ausgang von Perioden und Zeiten.
[Sir 42,19; Spr 1,6]

8:9    Die Weisheit als Lebensgefaehrtin: 8,9-18

So beschloss ich, sie als Lebensgefaehrtin heimzufuehren; denn ich
wusste, dass sie mir guten Rat gibt und Trost in Sorge und Leid.
[Spr 8,14]

8:10   Mit ihr werde ich Ruhm beim Volke haben und trotz meiner Jugend vom
Alter geehrt sein.

8:11   Ich werde als scharfsinniger Richter gelten und in den Augen der
Maechtigen Staunen erregen.

8:12   Schweige ich, so warten sie in Spannung, spreche ich, so merken sie
auf, rede ich laenger, so legen sie die Hand auf den Mund.
[Ijob 29,21-23; 29,9]

8:13   Mit ihr werde ich Unsterblichkeit erlangen und ewigen Ruhm bei der
Nachwelt hinterlassen.

8:14   Voelker werde ich sorgsam leiten, und Nationen werden mir untertan
sein.
[Spr 8,15f]

8:15   Schreckliche Tyrannen werden mich fuerchten, wenn sie von mir
hoeren; in der Volksversammlung werde ich mich als tuechtig und im Krieg
als tapfer erweisen.

8:16   Komme ich nach Hause, dann werde ich bei ihr ausruhen; denn der
Umgang mit ihr hat nichts Bitteres, das Leben mit ihr kennt keinen
Schmerz, sondern nur Frohsinn und Freude.
[Sir 15,6]

8:17   Als ich dies bei mir ueberlegte und in meinem Herzen erwog, dass das
Leben mit der Weisheit Unsterblichkeit bringt,

8:18   die Freundschaft mit ihr reine Freude und die Muehen ihrer Haende
unerschoepflichen Reichtum, dass stete Gemeinschaft mit ihr Klugheit
bringt und das Zwiegespraech mit ihr Ruhm -, da ging ich auf die
Suche nach ihr, um sie heimzufuehren.
[Spr 8,18]

8:19   Salomos grosses Gebet: Das Walten der Weisheit in der Geschichte:
8,19 - 19,22

Das Gebet um Weisheit: 8,19 - 9,19
Einleitung: 8,19-21

Ich war ein begabtes Kind und hatte eine gute Seele erhalten,

8:20   oder vielmehr: gut, wie ich war, kam ich in einen unverdorbenen
Leib.

8:21   Ich erkannte aber, dass ich die Weisheit nur als Geschenk Gottes
erhalten koenne - und schon hier war es die Klugheit, die mich
erkennen liess, wessen Gnadengeschenk sie ist. Daher wandte ich mich
an den Herrn und sprach zu ihm aus ganzem Herzen:
[Spr 2,6; Weish 7,7]

9:1    Die Bitte um Weisheit: 9,1-19

Gott der Vaeter und Herr des Erbarmens, du hast das All durch dein
Wort gemacht.

9:2    Den Menschen hast du durch deine Weisheit erschaffen, damit er ueber
deine Geschoepfe herrscht.
[Gen 1,26-28]

9:3    Er soll die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leiten und Gericht
halten in rechter Gesinnung.
[Lk 1,75]

9:4    Gib mir die Weisheit, die an deiner Seite thront, und verstoss mich
nicht aus der Schar deiner Kinder!
[2 Chr 1,10]

9:5    Ich bin ja dein Knecht, der Sohn deiner Magd, ein schwacher Mensch,
dessen Leben nur kurz ist, und gering ist meine Einsicht in Recht
und Gesetz.
[Ps 116,16; Ijob 14,1]

9:6    Waere einer auch vollkommen unter den Menschen, er wird kein Ansehen
geniessen wenn ihm deine Weisheit fehlt.

9:7    Du bist es, der mich zum Koenig deines Volkes und zum Richter deiner
Soehne und Toechter erwaehlt hat.

9:8    Du hast befohlen, einen Tempel auf deinem heiligen Berg zu bauen und
einen Altar in der Stadt deiner Wohnung, ein Abbild des heiligen
Zeltes, das du von Anfang an entworfen hast.
[1 Koen 5,19; Ps 132,13f; Ex 29,9.40; Hebr 8,2
Nach Ex 25,9.40 sollte Mose das heilige Zelt nach dem Muster bauen,
das Gott ihm gezeigt hatte. Da der Tempel nach dem Vorbild des
heiligen Zeltes gebaut war, ist er ebenfalls nach jenem Muster
gebaut. Nach anderer Auffassung ist mit dem "Zelt" der Himmel
gemeint.]

9:9    Mit dir ist die Weisheit, die deine Werke kennt und die zugegen war,
als du die Welt erschufst. Sie weiss, was dir gefaellt und was recht
ist nach deinen Geboten.
[8,4; Spr 8,27-30]

9:10   Sende sie vom heiligen Himmel und schick sie vom Thron deiner
Herrlichkeit, damit sie bei mir sei und alle Muehe mit mir teile und
damit ich erkenne, was dir gefaellt.
[9,4]

9:11   Denn sie weiss und versteht alles; sie wird mich in meinem Tun
besonnen leiten und mich in ihrem Lichtglanz schuetzen.
[10,11-14; 11,1]

9:12   Dann wird dir mein Handeln gefallen; ich werde dein Volk gerecht
regieren und des Throns meines Vaters wuerdig sein.

9:13   Denn welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen, oder wer begreift,
was der Herr will?
[Jes 40,13 G; Roem 11,34]

9:14   Unsicher sind die Berechnungen der Sterblichen und hinfaellig unsere
Gedanken;

9:15   denn der vergaengliche Leib beschwert die Seele, und das irdische
Zelt belastet den um vieles besorgten Geist.
[2 Kor 5,1]

9:16   Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, und finden nur mit
Muehe, was doch auf der Hand liegt; wer kann dann ergruenden, was im Himmel
ist?
[Joh 3,12]

9:17   Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben
und deinen heiligen Geist aus der Hoehe gesandt hast?
[Joh 3,13; 1 Kor 2,16; Jes 32,15]

9:18   So wurden die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht, und die
Menschen lernten, was dir gefaellt;
[Bar 4,4]

9:19   durch die Weisheit wurden sie gerettet.
Einige Vg-Handschriften fuegen hinzu: alle, die dir gefallen haben,
Herr, von Anfang an.

10:1    Die rettende Macht der Weisheit - sieben Beispiele: 10,1 - 11,4
Adam: 10,1-3

Sie hat den Urvater der Welt nach seiner Erschaffung behuetet, als er
noch allein war; sie hat ihn aus seiner Suende befreit
[Sir 49,16; Gen 5,1]

10:2    und ihm die Kraft gegeben, ueber alles zu herrschen.
9,2; Gen 1,28

10:3    Ein Ungerechter aber, der in seinem Zorn von ihr abfiel, ging durch
seine Leidenschaft zugrunde, die ihn zum Brudermord trieb.
[Gen 4,3-15]

10:4    Noach: 10,4

Die Weisheit hat die Erde, die seinetwegen ueberflutet wurde, wieder
gerettet und den Gerechten auf wertlosem Holz durch die Wasser
gesteuert.
[8Sir 44,17f; Weish 14,6f]

10:5    Abraham: 10,5

Als die Voelker, einmuetig nur in ihrer Schlechtigkeit, durch die
Verwirrung ihrer Sprache getrennt wurden, erwaehlte sie den Gerechten
und behuetete ihn, so dass er vor Gott ohne Tadel war und trotz der
Liebe zu seinem Kind stark blieb.
[Gen 11,1-9; 12,1-3; 15,1-6; 22,1-12; Sir 44,19f]

10:6    Lot: 10,6-9

Als die Frevler zugrunde gingen, rettete sie einen Gerechten, so dass
er vor dem Feuer fliehen konnte, das auf die fuenf Staedte fiel;
[Gen 19,23-25]

10:7    von ihrer Schlechtigkeit zeugen heute noch rauchendes Oedland und
Pflanzen, die zur Unzeit Fruechte tragen, und eine Salzsaeule ragt als
Denkmal einer unglaeubigen Seele empor.
[Gen 19,26; Lk 17,32]

10:8    Jene, die an der Weisheit achtlos voruebergingen, erlitten nicht
nur Schaden, weil sie das Gute nicht erkannten, sondern sie hinterliessen
auch den Lebenden ein Mahnmal ihrer Torheit, damit nicht verborgen
bleibe, worin sie sich verfehlt hatten.

10:9    Die Weisheit aber rettete ihre Diener aus jeglicher Muehsal.

10:10   Jakob: 10,10-12

Einen Gerechten, der vor dem Zorn des Bruders floh, geleitete sie
auf geraden Wegen, zeigte ihm das Reich Gottes und enthuellte ihm
heilige Geheimnisse. Sie machte ihn reich bei seiner harten Arbeit
und vermehrte den Ertrag seiner Muehen.
[Gen 27,41-45; 28,10-15; 30,31-43]

10:11   Sie half ihm gegen die Habsucht seiner Unterdruecker und
verschaffte ihm Wohlstand.

10:12   Sie beschuetzte ihn vor seinen Feinden und gab ihm Sicherheit vor
seinen Verfolgern. In einem harten Kampf verlieh sie ihm den
Siegespreis, damit er erkannte, dass Gottesfurcht staerker als alles
andere ist.
[Gen 31-33; Hos 12,4-7]

10:13   Josef: 10,13-14

Einen Gerechten, der verkauft worden war, liess sie nicht im Stich,
sondern bewahrte ihn vor der Suende.
[Gen 39; Ps 105,17f]

10:14   Sie stieg mit ihm in den Kerker hinab und verliess ihn waehrend
seiner Gefangenschaft nicht, bis sie ihm das koenigliche Zepter brachte und
Gewalt ueber seine Bedruecker. Sie ueberfuehrte alle, die ihn
beschuldigt hatten, als Luegner und verlieh ihm ewigen Ruhm.
[Gen 41,39-47; Ps 105,19-22]

10:15   Das Volk Israel: 10,15 - 11,4

Sie hat ein heiliges Volk, ein untadeliges Geschlecht, aus der
Gewalt einer Nation gerettet, die es unterdrueckte.
[18,7; 19,1-9; Ex 12,37-42; Ps 106,10 ]

10:16   Sie ging in die Seele eines Dieners des Herrn ein und widerstand
schrecklichen Koenigen durch Zeichen und Wunder.
[Ex 7-12; Ps 78,43-51; 105,27-37
Der "Diener des Herrn" ist Mose.]

10:17   Sie gab den Heiligen den Lohn ihrer Muehen und geleitete sie auf
wunderbarem Weg. Sie wurde ihnen am Tag zum Schutz und in der Nacht
zum Sternenlicht.
[Ex 13,21f; Ps 78,14; 105,39]

10:18   Sie fuehrte sie durch das Rote Meer und geleitete sie durch
gewaltige Wasser.
[Ex 14,21f; Ps 78,13; 106,9]

10:19   Ihre Feinde aber liess sie in der Flut ertrinken und spuelte sie aus
der Tiefe des Abgrunds ans Land.
[18,5; Ps 106,11]

10:20   Darum pluenderten die Gerechten die Frevler aus, sie priesen, Herr,
deinen heiligen Namen und lobten einmuetig deine schuetzende Hand.
[Ex 15,1-21]

10:21   Denn die Weisheit hat den Mund der Stummen geoeffnet, und die Zungen
der Unmuendigen hat sie beredt gemacht.

11:1    Sie liess alles gelingen, was sie unter der Fuehrung des heiligen
Propheten unternahmen.
[Hos 12,14]

11:2    Sie zogen durch eine unbewohnte Wueste und schlugen in unwegsamen
Gegenden ihre Zelte auf.

11:3    Sie leisteten ihren Feinden Widerstand und wehrten ihre Gegner ab.
[Ex 17,8-16]

11:4    Als sie duersteten und dich anriefen, wurde ihnen Wasser aus
schroffem Fels gegeben, so dass sie ihren Durst stillen konnten aus
hartem Gestein.
[Ex 17,1-7; Ps 78,15f; 105,41]

11:5    Das Volk Gottes und seine Feinde - sieben Vergleiche: 11,5 - 19,22
Das Wasser des Nil - das Wasser aus dem Felsen: 11,5-14

Denn was ihren Feinden zur Strafe wurde, das empfingen sie als
Wohltat in ihrer Not.
[Vg formuliert 5b etwas anders und fuegt als V. 6 hinzu: indem es ihnen
an Getraenk mangelte, und die Israeliten freuten sich, als sie
Ueberfluss hatten. Die VV. 6-26 zaehlt dann Vg als VV. 7-27.]

11:6    Der staendig fliessende Strom wurde durch schmutziges Blut getruebt.
[Ps 78,44; 105,29]

11:7    So wurden jene fuer den befohlenen Kindermord gestraft. Diesen aber
gabst du wider Erwarten reichlich Wasser,
[Ex 1,15-22]

11:8    nachdem du ihnen vorher durch ihren Durst gezeigt hattest, wie ihre
Gegner von dir bestraft wurden.
[11,4; 16,4]

11:9    Denn als sie geprueft und, wenn auch nur milde, zurechtgewiesen
wurden, da erkannten sie, wie die Frevler im Zorn gerichtet und
gepeinigt worden waren.
[12,21f]

11:10   Sie hast du wie ein mahnender Vater auf die Probe gestellt, die
Frevler aber wie ein strenger Koenig gerichtet und verurteilt.
[Dtn 8,5; Spr 3,11f]

11:11   Fern von den Gerechten wurden sie ebenso geplagt, wie damals, als
sie ihnen noch nahe waren;

11:12   denn zweifaches Leid und Seufzen brachte ihnen die Erinnerung an das
Vergangene:

11:13   Als sie naemlich hoerten, dass ihre eigene Bestrafung jenen sogar
zur Wohltat geworden war, da erkannten sie das Wirken des Herrn.

11:14   Den sie einst ausgesetzt und weggeworfen, den sie mit Hohn
abgewiesen hatten, den mussten sie am Ende von allem bestaunen,
nachdem sie einen viel schlimmeren Durst gelitten hatten als die
Gerechten.
[Ex 2,3.15; 5,23; 10,28]

11:15   Erste Einschaltung: Gottes Art zu strafen: 11,15 - 12,27

Zur Strafe fuer ihre frevlerische Torheit, in die sie sich verirrt
hatten, als sie vernunftloses Gewuerm und armseliges Ungeziefer
verehrten, sandtest du ihnen eine Menge vernunftloser Tiere.
[12,23-27; 15,18 - 16,1
Die Aegypter verehrten Krokodile, Schlangen, Eidechsen, Froesche,
Kaefer, Fliegen, ueberhaupt den groessten Teil der in Aegypten heimischen
Tierwelt.]

11:16   Sie sollten erkennen: Man wird mit dem gestraft, womit man suendigt.
[Ri 1,7]

11:17   Fuer deine allmaechtige Hand, die aus ungeformtem Stoff die Welt
gestaltet hat, waere es keine Schwierigkeit gewesen, eine Menge von
Baeren gegen sie zu senden oder grimmige Loewen
[Gen 1,2; 12,9
Den Ausdruck "ungeformter Stoff" uebernimmt der Verfasser aus der
griechischen Philosophie, aber nicht im Sinn einer ungeschaffenen
Materie, er bezieht sich vielmehr auf Gen 1,2.]

11:18   oder unbekannte, neugeschaffene, wuterfuellte Tiere, die
feuerspruehenden Atem aushauchen oder zischenden Dampf ausstossen oder
schreckliche Funken aus den Augen spruehen.
[8Ijob 41,10-14]

11:19   Nicht nur ihre verderbliche Gewalt haette sie zermalmen, schon ihr
furchterregender Anblick haette sie vernichten koennen.

11:20   Aber abgesehen davon haetten sie durch einen einzigen Hauch fallen
koennen, verfolgt von deinem Strafgericht und fortgeweht vom Sturm
deiner Macht. Du aber hast alles nach Mass, Zahl und Gewicht
geordnet.
[Ijob 4,9; Sir 1,9]

11:21   Denn du bist immer imstande, deine grosse Macht zu entfalten. Wer
koennte der Kraft deines Arms widerstehen?
[2 Chr 20,6]

11:22   Die ganze Welt ist ja vor dir wie ein Staeubchen auf der Waage, wie
ein Tautropfen, der am Morgen zur Erde faellt.
[Jes 40,15]

11:23   Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst, und siehst ueber
die Suenden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren.
[12,18; Ps 145,9]

11:24   Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du
gemacht hast; denn haettest du etwas gehasst, so haettest du es nicht
geschaffen.

11:25   Wie koennte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie koennte
etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen waere?

11:26   Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des
Lebens.
[Jona 4,11]

12:1    Denn in allem ist dein unvergaenglicher Geist.
[1,7; Ps 104,30]

12:2    Darum bestrafst du die Suender nur nach und nach; du mahnst sie und
erinnerst sie an ihre Suenden, damit sie sich von der Schlechtigkeit
abwenden und an dich glauben, Herr.

12:3    Du hast auch die frueheren Bewohner deines heiligen Landes gehasst,

12:4    weil sie abscheuliche Verbrechen veruebten, Zauberkuenste und
unheilige Festbraeuche;
[(4-5) 14,23-29
4f: Dtn 18,9f.12 warnt vor Kinderopfern, die bei den Kanaanitern
bezeugt sind (vgl. die Anmerkungen zu Gen 22,1-19 und zu Lev 18,21).]

12:5    sie waren erbarmungslose Kindermoerder und verzehrten beim Opfermahl
Menschenfleisch und Menschenblut. Darum beschlossest du, mitten im
Gelage die Teilnehmer

12:6    und deren Eltern, die mit eigener Hand hilflose Wesen toeteten,
durch die Haende unserer Vaeter zu vernichten;

12:7    denn das Land, das dir vor allen anderen teuer ist, sollte eine
seiner wuerdige Bevoelkerung von Gotteskindern erhalten.
[Jos 11,14.20; Dtn 11,12; Ps 47,5; Dtn 14,1]

12:8    Doch selbst mit jenen gingst du schonend um, weil sie Menschen
waren; du sandtest deinem Heer Hornissen voraus, um sie nach und
nach zu vernichten.
[11,26
Von Hornissen sprechen G und Vg in Ex 23,28; Dtn 7,20; Jos 24,12.
Heute wird das entsprechende hebraeische Wort gewoehnlich mit
"Entmutigung", "Furcht" oder "Panik" wiedergegeben. In Ex 23,29f und
Dtn 7,22 wird die allmaehliche Ausrottung der Kanaaniter als
Ruecksichtnahme Gottes auf Israel gedeutet; anders Ri 2,3.20-23;
3,1-4.]

12:9    Obgleich du die Macht hattest, in einer Schlacht die Frevler den
Gerechten in die Hand zu geben, oder sie durch wilde Tiere oder ein
unerbittliches Wort mit einem Schlag auszurotten,
[11,17f]

12:10   vollzogst du doch erst nach und nach die Strafe und liessest so Zeit
fuer die Umkehr. Dabei wusstest du genau, dass ihr Ursprung boese und
ihre Schlechtigkeit angeboren war und dass sich ihr Denken in
Ewigkeit nicht aendern werde;
[12,2; 11,23]

12:11   sie waren schon von Anfang an ein verfluchter Stamm. Keine Furcht
vor irgend jemand hat dich dazu bestimmt, sie fuer ihre Suenden ohne
Strafe zu lassen.

12:12   Denn wer darf sagen: Was hast du getan? Wer vermag sich deinem
Urteilsspruch zu widersetzen? Wer koennte dich anklagen wegen des
Untergangs von Voelkern, die du selbst geschaffen hast? Wer wollte
gegen dich auftreten als Anwalt schuldiger Menschen?
[Ijob 9,12; Jes 45,9; Ijob 9,19]

12:13   Denn es gibt keinen Gott ausser dir, der fuer alles Sorge traegt;
daher brauchst du nicht zu beweisen, dass du gerecht geurteilt hast.
[6,7; 15,1]

12:14   Kein Koenig und kein Herrscher kann dich zur Rede stellen wegen der
Menschen, die du gestraft hast.

12:15   Gerecht, wie du bist, verwaltest du das All gerecht und haeltst es
fuer unvereinbar mit deiner Macht, den zu verurteilen, der keine
Strafe verdient.
[Ps 9,9; 11,7]

12:16   Deine Staerke ist die Grundlage deiner Gerechtigkeit, und deine
Herrschaft ueber alles laesst dich gegen alles Nachsicht ueben.
[11,24; 15,1]

12:17   Staerke beweist du, wenn man an deine unbeschraenkte Macht nicht
glaubt, und bei denen, die sie kennen, strafst du die trotzige
Auflehnung.

12:18   Weil du ueber Staerke verfuegst, richtest du in Milde und behandelst
uns mit grosser Nachsicht; denn die Macht steht dir zur Verfuegung,
wann immer du willst.
[11,23]

12:19   Durch solches Handeln hast du dein Volk gelehrt, dass der Gerechte
menschenfreundlich sein muss, und hast deinen Soehnen die Hoffnung
geschenkt, dass du den Suendern die Umkehr gewaehrst.
[1,6; 12,2]

12:20   Du hast die Feinde deiner Kinder, auch wenn sie den Tod verdienten,
sehr nachsichtig und nur nach und nach gestraft und ihnen Zeit und
Moeglichkeit gegeben, sich von ihrer Schlechtigkeit abzuwenden.
[12,10]

12:21   Aber wieviel umsichtiger noch hast du deine Soehne bestraft, deren
Vaetern du Gutes verheissen hast, als du mit ihnen unter Eid den Bund
schlossest.
[12,18; 11,9f; Gen 15,18; Dtn 7,8]

12:22   Waehrend du uns erziehst, geisselst du unsere Feinde
zehntausendfach, damit wir als Richter deine Guete uns zum Vorbild nehmen
und auf Erbarmen hoffen, wenn wir selber vor dem Gericht stehen.

12:23   Du hast jene, die in Torheit und Unrecht dahinlebten, mit ihren
eigenen Greueln gepeinigt.
[11,15]

12:24   Allzuweit waren sie in die Irre gegangen, als sie die
allerhaesslichsten und verachtetsten Tiere fuer Goetter hielten und wie
unverstaendige Kinder sich taeuschen liessen.

12:25   Darum hast du ihnen wie unvernuenftigen Kindern eine Strafe gesandt,
die sie zum Gespoett machte.
[15,14]

12:26   Wer sich aber durch eine Strafe, die ihn zum Gespoett macht, nicht
warnen laesst, der wird eine Strafe erleiden, die der Macht Gottes
entspricht.

12:27   In ihren Leiden wurden sie zornig ueber die Tiere, die sie fuer
Goetter hielten und mit denen sie jetzt gestraft wurden. So erfuhren sie
jenen, von dem sie vorher nichts wissen wollten, und erkannten ihn
als den wahren Gott; deshalb war ja auch die aeusserste Strafe ueber
sie gekommen.
[16,16; 18,13; Ex 5,2; 14,25]

13:1    Zweite Einschaltung: Die Torheit des Goetzendienstes: 13,1 - 15,19

Toericht waren von Natur alle Menschen, denen die Gotteserkenntnis
fehlte. Sie hatten die Welt in ihrer Vollkommenheit vor Augen, ohne
den wahrhaft Seienden erkennen zu koennen. Beim Anblick der Werke
erkannten sie den Meister nicht,
[Ps 14,1; 92,7; Apg 14,17; 17,27; Roem 1,19f]

13:2    sondern hielten das Feuer, den Wind, die fluechtige Luft, den Kreis
der Gestirne, die gewaltige Flut oder die Himmelsleuchten fuer
weltbeherrschende Goetter.

13:3    Wenn sie diese, entzueckt ueber ihre Schoenheit, als Goetter
ansahen, dann haetten sie auch erkennen sollen, wieviel besser ihr Gebieter
ist; denn der Urheber der Schoenheit hat sie geschaffen.
[Dtn 4,19; Ijob 31,26f]

13:4    Und wenn sie ueber ihre Macht und ihre Kraft in Staunen gerieten,
dann haetten sie auch erkennen sollen, wieviel maechtiger jener ist,
der sie geschaffen hat;
[Ps 8,4; 104,24]

13:5    denn von der Groesse und Schoenheit der Geschoepfe laesst sich auf
ihren Schoepfer schliessen.

13:6    Dennoch verdienen jene nur geringen Tadel. Vielleicht suchen sie
Gott und wollen ihn finden, gehen aber dabei in die Irre.

13:7    Sie verweilen bei der Erforschung seiner Werke und lassen sich durch
den Augenschein taeuschen; denn schoen ist, was sie schauen.

13:8    Doch auch sie sind unentschuldbar:

13:9    Wenn sie durch ihren Verstand schon faehig waren, die Welt zu
erforschen, warum fanden sie dann nicht eher den Herrn der Welt?

13:10   Unselig aber sind jene, die auf Totes ihre Hoffnung setzen und Werke
von Menschenhand als Goetter bezeichnen, Gold und Silber, kunstvolle
Gebilde und Tiergestalten oder einen nutzlosen Stein, ein Werk
uralter Herkunft.
[15,5.17; Jes 44,9-20; Jer 10,3-9; Ps 135,15-18]

13:11   Da saegte ein Holzschnitzer einen geeigneten Baum ab, entrindete ihn
ringsum geschickt, bearbeitete ihn sorgfaeltig und machte daraus ein
nuetzliches Geraet fuer den taeglichen Gebrauch.
[Jes 40,20; 44,9-20]

13:12   Die Abfaelle seiner Arbeit verwendete er, um sich die Nahrung zu
bereiten, und ass sich satt.

13:13   Was dann noch uebrigblieb und zu nichts brauchbar war, ein krummes,
knotiges Stueck Holz, das nahm er, schnitzte daran so eifrig und
fachgemaess, wie man es tut, wenn man am Abend von der Arbeit
abgespannt ist, formte es zum Bild eines Menschen

13:14   oder machte es einem armseligen Tier aehnlich, beschmierte es mit
Mennig und roter Schminke, ueberstrich alle schadhaften Stellen,

13:15   machte ihm eine wuerdige Wohnstatt, stellte es an der Wand auf und
befestigte es mit Eisen.

13:16   So sorgte er dafuer, dass es nicht herunterfiel, wusste er doch,
dass es sich nicht helfen kann; es ist ein Bild und braucht Hilfe.

13:17   Aber wenn er um Besitz, Ehe und Kinder betet, dann schaemt er sich
nicht, das Leblose anzureden. Um Gesundheit ruft er das Kraftlose
an,

13:18   Leben begehrt er vom Toten. Hilfe erfleht er vom ganz Hilflosen und
gute Reise von dem, was nicht einmal den Fuss bewegen kann.
[15,15]

13:19   Fuer seine Arbeit, fuer Gewinn und Erfolg seines Handwerks bittet er
um Kraft von einem, dessen Haende voellig kraftlos sind.

14:1    Ein anderer, der sich zu einer Seefahrt ruestet, auf der er wilde
Wogen durchqueren wird, ruft ein Holz an, das gebrechlicher ist als
das Fahrzeug, das ihn traegt.

14:2    Das Fahrzeug hat der Erwerbstrieb ersonnen und die Weisheit eines
Kuenstlers hergestellt.

14:3    Deine Vorsehung, Vater, steuert es; denn du hast auch im Meer einen
Weg gebahnt und in den Wogen einen sicheren Pfad.
[Jes 43,16]

14:4    Damit zeigst du, dass du imstande bist, aus jeder Lage zu retten, so
dass auch jemand, der keine Erfahrung hat, ein Schiff besteigen kann.
[Ps 107,28-30]

14:5    Du willst, dass die Werke deiner Weisheit nicht ungenutzt bleiben.
Darum vertrauen Menschen ihr Leben sogar einem winzigen Holz an und
fahren wohlbehalten auf einem Floss durch die Brandung.
[Gen 1,28]

14:6    So hat auch in der Urzeit beim Untergang der uebermuetigen Riesen
die Hoffnung der Welt sich auf ein Floss gefluechtet und, durch deine Hand
gesteuert, der Welt den Samen eines neuen Geschlechtes hinterlassen.
[Gen 6-8; Bar 3,26-28; Weish 10,4f; Sir 44,17f]

14:7    Denn Segen ruht auf dem Holz, durch das Gerechtigkeit geschieht.

14:8    Fluch hingegen trifft das von Haenden geformte Holz und seinen
Bildner, ihn, weil er es bearbeitet hat, jenes, weil es Gott genannt
wurde, obwohl es vergaenglich ist.
[Dtn 27,15]

14:9    Denn Gott sind in gleicher Weise Frevler wie Frevel verhasst;
[(9-10) Dtn 7,25f]

14:10   mit dem Bildner wird sein Werk der Strafe verfallen.

14:11   Darum kommt auch ueber die Goetzenbilder der Voelker das Gericht,
weil sie in Gottes Schoepfung zum Greuel geworden sind, zum Anstoss fuer die
Seelen der Menschen und zur Schlinge fuer die Fuesse der Toren.
[Jes 2,18f; Jer 10,15; Weish 14,14; Ps 106,36]

14:12   Mit dem Gedanken an Goetzenbilder beginnt der Abfall, und ihre
Erfindung fuehrt zur Sittenverderbnis.
[15,5; Num 25,1f
12-21: Die Goetzenverehrung ist unter dem Druck von Unglueck (V. 15)
und Herrscherstolz (VV. 16-20) entstanden. Fuer beides gab es auch in
Aegypten Beispiele.]

14:13   Weder waren sie von Anfang an da, noch werden sie ewig bleiben.

14:14   Durch die eitle Ruhmsucht der Menschen sind sie in die Welt
gekommen; darum ist ihnen auch ein jaehes Ende zugedacht.
[14,10f]

14:15   Bedrueckt durch allzu fruehe Trauer liess ein Vater von seinem Kind,
das gar schnell hinweggerafft wurde, ein Bildnis machen; so ehrte er
einen toten Menschen als Gott und fuehrte bei seinen Leuten geheime
Kulte und festliche Braeuche ein.
[12,4]

14:16   Im Lauf der Zeit verfestigte sich die frevelhafte Sitte und wurde
schliesslich als Gesetz befolgt;

14:17   die Standbilder erhielten auf Anordnung der Herrscher goettliche
Verehrung. Konnten die Menschen einen Koenig nicht unmittelbar ehren,
weil er weit weg wohnte, dann vergegenwaertigten sie den Fernen; sie
machten von dem verehrten Koenig ein Bildnis, das allen sichtbar war,
um dem Abwesenden, als ob er gegenwaertig waere, mit Eifer zu huldigen.

14:18   Der Ehrgeiz des Kuenstlers fuehrte dazu, dass auch jene, die den
Koenig gar nicht kannten, ihm goettliche Verehrung erwiesen.

14:19   Wohl um dem Herrscher zu gefallen, bot er seine ganze Kunst auf, um
ihn schoener darzustellen, als er war.

14:20   Von der Anmut des Bildes hingerissen, betete die Menge den, der noch
kurz zuvor nur als Mensch geehrt wurde, jetzt wie einen Gott an.

14:21   Der Welt ist dies zum Verhaengnis geworden: Die Menschen haben,
unter dem Druck von Unglueck oder Herrschermacht, Stein und Holz den Namen
beigelegt, der mit niemand geteilt werden kann.
[Jes 42,8]

14:22   Als ob es nicht genug waere, in der Erkenntnis Gottes zu irren,
nennen sie in dem heftigen Zwiespalt, den die Unwissenheit in ihr
Leben bringt, so grosse Uebel auch noch Frieden.
[Roem 1,24-32]

14:23   Bei kindermoerderischen Festbraeuchen, heimlichen Kulten oder wilden
Gelagen mit fremdartigen Sitten
[12,4f]

14:24   halten sie weder Leben noch Ehe rein, sondern einer toetet
heimtueckisch den andern oder beleidigt ihn durch Ehebruch.
[Lev 18,24]

14:25   Alles ist ein wirres Gemisch von Blut und Mord, Diebstahl und
Betrug, Verdorbenheit, Untreue, Aufruhr und Meineid;

14:26   es herrscht Umkehrung der Werte, undankbare Vergesslichkeit,
Befleckung der Seelen, widernatuerliche Unzucht, Zerruettung der Ehen,
Ehebruch und Zuegellosigkeit.

14:27   Die Verehrung der namenlosen Goetzenbilder ist aller Uebel Anfang,
Ursache und Hoehepunkt.
[14,12]

14:28   Sie rasen im Freudentaumel, weissagen Luegen, leben in
Ungerechtigkeit oder schwoeren leichthin einen Meineid.

14:29   Im Vertrauen auf leblose Goetzen fuerchten sie nicht, dass ihre
Meineide ihnen schaden koennten.

14:30   Jedoch fuer beides wird sie die gerechte Strafe treffen: dass sie
sich von Gott eine verkehrte Vorstellung machten, indem sie Goetzenbilder
verehrten, und dass sie unter Missachtung der Heiligkeit des Eides
hinterlistig und ungerecht schworen.

14:31   Es ist nie die Macht derer, bei denen sie schworen, sondern immer
die den Suendern gebuehrende Strafe, die die Vergehen der Frevler
verfolgt.

15:1    Du aber, unser Gott, bist guetig, wahrhaftig und langmuetig; voll
Erbarmen durchwaltest du das All.
[8,1; Ex 34,6; Ps 86,5.15]

15:2    Auch wenn wir suendigen, gehoeren wir dir, da wir deine Staerke
kennen; doch wir wollen nicht suendigen, da wir wissen, dass wir dein
Eigentum sind.
[12,16-18]

15:3    Denn es ist vollendete Gerechtigkeit, dich zu verstehen; und deine
Staerke zu kennen ist die Wurzel der Unsterblichkeit.
[Hos 6,6; 1 Joh 2,3-6]

15:4    Die arglistige Erfindung der Menschen hat uns nicht verfuehrt, die
unfruchtbare Arbeit der Maler, eine mit bunten Farben besudelte Gestalt.
[13,14; 14,20]

15:5    Ihr Anblick erregt die Sehnsucht der Toren und weckt in ihnen das
Verlangen nach der leblosen Gestalt eines toten Bildes.

15:6    Liebhaber des Boesen und solcher Hoffnungen wuerdig sind alle, die
es anfertigen, die nach ihm verlangen und die es anbeten.
[14,8-10]

15:7    Der Toepfer knetet muehsam den weichen Ton, um daraus Gefaesse zu
unserem Gebrauch zu formen. Aus dem gleichen Lehm bildet er solche, die
sauberen Zwecken dienen, und solche fuer das Gegenteil, alle in gleicher
Weise; ueber den Gebrauch eines jeden entscheidet der Toepfer.
[Jer 18,3f; Roem 9,21]

15:8    Aus dem gleichen Lehm formt er in verkehrter Muehe auch einen
nichtigen Gott, er, der vor kurzem aus Erde entstand und bald dorthin
zurueckkehrt, woher er genommen ist, wenn seine Seele, das ihm anvertraute
Darlehen, zurueckgefordert wird.
[Gen 2,7; 3,19; Koh 12,7; Lk 12,20]

15:9    Doch es kuemmert ihn nicht, dass er dahinschwinden wird und nur ein
kurzes Leben hat. Er wetteifert mit Goldschmieden und Silbergiessern, er
ahmt Kupferschmiede nach und sieht seinen Ruhm darin, Trugbilder zu formen.

15:10   Asche ist sein Herz, noch weniger wert als Erdenstaub seine
Hoffnung, und sein Leben ist wertloser als Lehm.
[3,18; 5,14; 14,29; 2 Makk 7,14]

15:11   Seinen eigenen Bildner hat er naemlich nicht erkannt, den, der ihm
eine wirkende Seele eingehaucht und Lebensatem eingeblasen hat.

15:12   Nein, er haelt unser Leben fuer ein Kinderspiel, das Dasein fuer
einen eintraeglichen Jahrmarkt; er sagt, man muesse aus allem, auch aus
Schlechtem, Gewinn ziehen.

15:13   Denn er weiss besser als alle, dass er suendigt, wenn er aus dem
gleichen Erdenstoff nicht nur zerbrechliche Gefaesse, sondern auch
Goetzenbilder fertigt.
[15,7f]

15:14   Ganz unverstaendig aber und aermer als eines Kindes Seele waren die
Feinde, die dein Volk knechteten.
[12,24
14-19: Der Weise redet noch einmal vom Goetzendienst der Aegypter,
um dann in 16,1 den in 11,15 begonnenen Vergleich zu Ende zu fuehren.]

15:15   Sie hielten alle Goetzen der Voelker fuer Goetter, Goetter, die
weder ihre Augen gebrauchen koennen, um zu sehen, noch ihre Nase, um die
Luft zu atmen, noch ihre Ohren, um zu hoeren, noch die Finger ihrer Haende,
um zu tasten, und deren Fuesse nicht gehen koennen.
[Ps 115,4-7]

15:16   Ein Mensch hat sie gemacht, einer, dem der Geist nur geliehen ist,
hat sie gebildet; kein Mensch hat die Kraft, einen Gott zu bilden, der auch
nur ihm selber aehnlich waere.

15:17   Als Sterblicher schafft er mit frevelhaften Haenden nur Totes. Er
ist besser als seine angebeteten Gebilde; denn er bekam einmal Leben, diese
aber nie.
[13,10]

15:18   Sie verehren sogar die widerlichsten Tiere, die duemmsten im
Vergleich mit den anderen,
[(18-19) 11,15; 12,24]

15:19   solche, die nicht einmal schoen sind, so dass man an ihnen Gefallen
finden koennte, soweit das beim Anblick von Tieren moeglich ist, die zudem
Gottes Lob und seinen Segen verloren haben.
[Gen 1,21f.25; 3,14]

16:1    Froesche - Wachteln: 16,1-4

Darum wurden sie mit Recht durch aehnliche Tiere gezuechtigt und durch
eine Menge von Ungeziefer gequaelt.
[11,15; 12,23-27; Ex 7,26 - 8,11; Ps 78,45; 105,30]

16:2    Waehrend sie auf solche Weise gezuechtigt wurden, hast du deinem
Volk eine Wohltat erwiesen und mit den Wachteln seinem heftigen Verlangen
eine fremdartige Nahrung gegeben.
[Ex 16,13; Ps 78,26f; 105,40]

16:3    Waehrend jenen in ihrem Hunger die Esslust verging wegen der
Haesslichkeit der gegen sie gesandten Tiere, bekamen diese nach nur kurzer
Entbehrung sogar eine fremdartige Speise.

16:4    Ueber jene Unterdruecker sollte unabwendbarer Hunger kommen; diese
aber sollten nur kurz spueren, wie ihre Feinde gequaelt wurden.
[11,8f]

16:5    Heuschrecken und Stechfliegen - giftige Schlangen: 16,5 - 14

Auch damals, als die schreckliche Wut wilder Tiere ueber sie hereinbrach
und sie durch die Bisse tueckischer Schlangen umkamen, dauerte dein Zorn
nicht bis ans Ende.
[Num 21,5-9; Weish 18,20]

16:6    Zur Warnung wurden sie nur kurz in Schrecken versetzt und bekamen
ein Rettungszeichen, damit sie sich an die Vorschrift deines Gesetzes
erinnerten.
[Joh 3,14f]

16:7    Wer sich dorthin wandte, wurde nicht durch das gerettet, was er
anschaute, sondern durch dich, den Retter aller.
[Jes 45,21]

16:8    Dadurch hast du unsere Feinde ueberzeugt, dass du es bist, der aus
allem Uebel erloest.

16:9    Denn sie wurden durch die Bisse der Heuschrecken und der
Stechfliegen getoetet, ohne dass es ein Heilmittel fuer sie gab; sie
verdienten es ja, durch solches Ungeziefer gezuechtigt zu werden.
[Ex 8,12-28; 10,1-20; Ps 78,45f; 105,34f
In Ex 10,17 wird die Heuschreckenplage als Tod bezeichnet, da sie
eine todbringende Hungersnot zur Folge hat. Der Verfasser deutet und
steigert diese Aussage, indem er die Bisse der Heuschrecken selbst als todbringend bezeichnet. Im gleichen Sinn deutet er die Stechmueckenplage.]

16:10   Deine Soehne aber wurden nicht einmal durch die Zaehne
giftspritzender Schlangen ueberwaeltigt; denn dein Erbarmen kam ihnen zu
Hilfe und heilte sie.

16:11   Sie wurden gebissen, aber schnell wieder gerettet, damit sie sich an
deine Worte erinnerten; denn sie sollten nicht in tiefes Vergessen
versinken, sondern sich ungehindert deiner Wohltaten erfreuen.

16:12   Weder Kraut noch Wundpflaster machte sie gesund, sondern dein Wort,
Herr, das alles heilt.
[Ps 107,20]

16:13   Du hast Gewalt ueber Leben und Tod; du fuehrst zu den Toren der
Unterwelt hinab und wieder herauf.
[1 Sam 2,6]

16:14   Ein Mensch kann zwar in seiner Schlechtigkeit toeten; doch den
entschwundenen Geist holt er nicht zurueck, und die weggenommene Seele kann
er nicht befreien.
[Ps 49,8f; Mt 16,26]

16:15   Hagel - Manna: 16,15-29

Unmoeglich ist es, deiner Hand zu entfliehen.
[Tob 13,2]

16:16   Denn die Frevler, die behaupten, dich nicht zu kennen, wurden durch
die Kraft deines Armes gezuechtigt: Ungewoehnliche Regenguesse,
Hagelschauer und schreckliche Wolkenbrueche peitschten auf sie nieder, und Feuer verzehrte sie.
[Ex 9,13-35]

16:17   Das seltsamste war, dass das Wasser, das sonst alles loescht, die
Kraft des Feuers noch verstaerkte; denn die Natur kaempft fuer die
Gerechten.
[16,22; Ex 9,24]

16:18   Das eine Mal wurde die Flamme gezaehmt, damit sie nicht die Tiere
verzehrte, die gegen die Ruchlosen gesandt waren; diese sollten sehen und erkennen, dass sie von Gottes Strafe verfolgt wurden.
[12,27
Vielleicht ist das Feuer gemeint, das die Aegypter anzuendeten, um die
Heuschreckenschwaerme zu vernichten, wie es noch heute geschieht.]

16:19   Das andere Mal brannte die Flamme mit ungewoehnlicher Kraft mitten
im Wasser, um die Erzeugnisse des schuldbeladenen Landes zu vernichten.
[16,17.22]

16:20   Dein Volk dagegen naehrtest du mit der Speise der Engel, und
unermuedlich gabst du ihm fertiges Brot vom Himmel. Deine Gabe gewaehrte
jeden Genuss und entsprach jedem Geschmack;
[Ex 16; Num 11,6-9; Ps 78,23-25; 105,40]

16:21   sie offenbarte deine zarte Liebe zu deinen Kindern. Sie erfuellte
das Verlangen eines jeden, der sie genoss, und verwandelte sich in alles,
was einer wollte.

16:22   Schnee und Eis hielten dem Feuer stand und schmolzen nicht. Deine
Kinder sollten erkennen, dass nur die Fruechte der Feinde vom Feuer
vernichtet wurden, das im Hagel brannte und in den Regenguessen blitzte,
[16,19
G vergleicht in Num 11,7 das Manna mit Eis (H mit Bdelliumharz, in Ex
16,14 mit Reif).]

16:23   und dass es umgekehrt sogar seine eigene Kraft vergass, damit die
Gerechten Nahrung haetten.
[19,21]

16:24   Denn die Schoepfung, die dir, ihrem Schoepfer, dient, steigert ihre
Kraefte, um die Schuldigen zu bestrafen, und haelt sie zurueck, um denen
Gutes zu tun, die auf dich vertrauen.
[19,18]

16:25   Darum diente sie auch damals deinem Geschenk, das alle ernaehrte,
und verwandelte sich in alles, was die Bittenden wuenschten.

16:26   Deine geliebten Soehne, Herr, sollten daraus lernen: Nicht die
verschiedenartigen Fruechte ernaehren den Menschen, sondern dein Wort
erhaelt alle, die dir vertrauen.
[Dtn 8,3; Mt 4,4; Lk 4,4]

16:27   Denn dasselbe, das vom Feuer nicht vernichtet wurde, schmolz
sogleich, wenn es ein fluechtiger Sonnenstrahl erwaermte.
[Ex 16,21; Num 11,8]

16:28   So sollte man erkennen, dass man, um dir zu danken, der Sonne
zuvorkommen und sich noch vor dem Aufgang des Lichtes an dich wenden muss.
[Ps 57,9; 92,3]

16:29   Denn die Hoffnung des Undankbaren schmilzt wie winterlicher Reif und
verrinnt wie unnuetzes Wasser.
[15,10]

17:1    Finsternis - Feuersaeule: 17,1 - 18,4

Gross und nicht zu ergruenden sind deine Entscheide; darum verfiel in
Irrtum, wer sich nicht belehren liess.
[Roem 11,33; Weish 5,6
1-20: Malt die Qualen des boesen Gewissens aus.]

17:2    Denn die Frevler meinten, das heilige Volk knechten zu koennen; und
jetzt lagen sie da, Gefangene der Finsternis, Gefesselte einer langen Nacht, eingeschlossen in den Haeusern, von der ewigen Vorsehung verbannt.
[Ex 1,11-14; 10,21-23; Ps 105,28]

17:3    Sie glaubten, mit ihren geheimen Suenden unter der dunklen Decke der
Vergessenheit verborgen zu sein; da packte sie furchtbares Entsetzen. Sie wurden durch Trugbilder aufgeschreckt und auseinandergejagt.
[Ps 64,6f; Weish 18,17]

17:4    Auch der geheimste Winkel, in den sie sich fluechteten, konnte sie
nicht vor Furcht bewahren; schreckenerregendes Getoese umbrauste sie, und duestere Gespenster mit finsteren Mienen tauchten auf.

17:5    Keine Kraft irgendeines Feuers war stark genug, Licht zu bringen;
nicht einmal der strahlende Glanz der Gestirne vermochte es, diese
entsetzliche Nacht zu erhellen.

17:6    Nur einen schaurigen Feuerherd, der sich von selbst entzuendet
hatte, sahen sie aufgluehen; verschwand die Erscheinung, so hielten sie,
ausser sich vor Entsetzen, die Dinge, die sie sahen, fuer noch schlimmer.

17:7    Da versagten die Gaukeleien der Zauberkunst, und die Probe auf das
prahlerische Wissen fiel schmaehlich aus.
[18,13; Ex 8,14f]

17:8    Jene, die immer versprachen, Furcht und Verwirrung von der kranken
Seele zu bannen, krankten nun selber an einer laecherlichen Angst.

17:9    Auch wenn nichts Schreckliches sie aengstigte, wurden sie durch
raschelndes Getier und zischelnde Schlangen aufgescheucht und vergingen vor Furcht. Nicht einmal in die Luft wollten sie blicken, der man doch nirgends entfliehen kann.
[Ps 53,6; Spr 28,1]

17:10   Denn die Schlechtigkeit bezeugt selbst ihr feiges Wesen, wenn sie
gestraft wird. Unter dem Druck des Gewissens befuerchtet sie immer das Schlimmste.
[17,6; Gen 4,14]

17:11   Furcht ist ja nichts anderes als der Verzicht auf die von der
Vernunft angebotene Hilfe.

17:12   Je weniger man solche Hilfe erwartet, um so schlimmer erscheint es,
die Ursache der Qual nicht zu kennen.

17:13   In Wahrheit hatte jene Nacht keine Gewalt; aus den Tiefen der
machtlosen Totenwelt war sie heraufgestiegen. Sie aber, die wie sonst
schlafen wollten,

17:14   wurden bald durch Schreckgespenster aufgescheucht, bald durch
Mutlosigkeit gelaehmt; denn ploetzliche und unerwartete Furcht hatte sie befallen.

17:15   So wurde jeder dort, wo er zu Boden sank, ein Gefangener, der in
einen Kerker ohne Eisenfesseln eingeschlossen war.
[17,2; 18,4]

17:16   Ob Bauer oder Hirt oder ein Tagloehner, der einsam arbeitete, alle
wurden ueberrascht und mussten sich dem unentrinnbaren Zwang fuegen, alle wurden durch die gleiche Kette der Finsternis gefesselt.

17:17   Das Pfeifen des Windes, der wohlklingende Gesang der Voegel auf den
Zweigen der Baeume, das Rauschen ungestuem stroemender Wasser, das wilde Donnern stuerzender Felsen,

17:18   das Laufen huepfender Tiere, die man nicht sehen konnte, das laute
Gebruell wilder Raubtiere, das aus den Schluchten der Berge
zurueckgeworfene Echo: alles und jedes jagte ihnen laehmende Furcht ein.
[17,9]

17:19   Die ganze Welt stand in strahlendem Licht, und alle gingen
ungehindert ihrer Arbeit nach.

17:20   Nur ueber jene breitete sich drueckende Nacht aus, Bild der
Finsternis, die sie dereinst aufnehmen sollte. Doch mehr als unter der Finsternis litten sie unter ihrer eigenen Angst.
[Ijob 10,21f; Mt 22,13; Jud 13]

18:1    Deinen Heiligen dagegen strahlte hellstes Licht. Die anderen hoerten
ihre Stimme, ohne sie selbst zu sehen, und priesen sie gluecklich, mochten diese vorher noch so viel erduldet haben.
[Ex 10,23]

18:2    Sie dankten ihnen, dass sie fuer das frueher erlittene Unrecht keine
Rache nahmen, und baten um Verzeihung fuer ihr feindliches Verhalten.

18:3    Statt jener Finsternis gabst du den Deinen eine flammende
Feuersaeule als Fuehrerin auf unbekanntem Weg, als freundliche Sonne auf
ihrer ruhmvollen Wanderung.
[10,17; Ex 13,21f; 40,36-38; Ps 78,14; 105,39]

18:4    Jene hingegen hatten es verdient, des Lichtes beraubt und in
Finsternis gefangen zu sein, weil sie einst deine Soehne eingeschlossen und gefangen hielten, durch die das unvergaengliche Licht des Gesetzes der Welt gegeben werden sollte.
[17,2; Ps 119,105; Spr 6,23]

18:5    Tod der Erstgeborenen - Tod in der Wueste: 18,5-25

Sie hatten beschlossen, die Kinder der Heiligen zu toeten, und nur ein
einziges Kind wurde ausgesetzt und gerettet. Zur Strafe hast du ihnen viele ihrer eigenen Kinder weggenommen und sie alle auf einmal in gewaltiger Wasserflut vernichtet.
[11,7; Ex 1,15-17; 12,29f; Ps 78,51; 105,36; Weish 10,19; Ex 14,27f
Das "Kind" ist Mose (vgl. 11,14; Ex 2,1-10).]

18:6    Jene Nacht wurde unseren Vaetern vorher angekuendigt; denn sie
sollten zuversichtlich sein und sicher wissen, welchen eidlichen Zusagen sie
vertrauen konnten.

18:7    So erwartete dein Volk die Rettung der Gerechten und den Untergang
der Feinde.

18:8    Waehrend du die Gegner straftest, hast du uns zu dir gerufen und
verherrlicht.

18:9    Denn im Verborgenen feierten die frommen Soehne der Guten ihr
Opferfest; sie verpflichteten sich einmuetig auf das goettliche Gesetz, dass die Heiligen in gleicher Weise Gueter wie Gefahren teilen sollten, und
sangen schon im voraus die Loblieder der Vaeter.
[2 Chr 30,21f
Spaeter wurden beim Paschamahl die Psalmen 113 bis 118 gesungen
(vgl. Mt 26,30).]

18:10   Da hallte ihnen das wirre Geschrei der Feinde entgegen, und sie
hoerten die laute Klage ueber die toten Kinder.
[Ex 12,29f]

18:11   Das gleiche Urteil traf Herrn und Knecht; der Mann aus dem Volk und
der Koenig hatten das gleiche Leid zu tragen.

18:12   Durch die gleiche Todesart hatten alle zusammen unzaehlige Tote. Es
waren nicht genuegend Lebende da, um sie zu begraben; denn mit einem Schlag waren die besten Nachkommen vernichtet worden.
[Num 33,4]

18:13   Bisher waren sie durch die Kuenste ihrer Zauberer unglaeubig
geblieben; jetzt aber mussten sie beim Untergang der Erstgeborenen
bekennen: Dieses Volk ist Gottes Sohn.
[17,7; Ex 7,11-13; 8,3; 12,31f; Weish 5,5; Ex 4,22f]

18:14   Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte
gelangt war,
[Ex 11,4; 12,23.29]

18:15   da sprang dein allmaechtiges Wort vom Himmel, vom koeniglichen Thron
herab als harter Krieger mitten in das dem Verderben geweihte Land.
[Ps 107,20; 147,15.18
Das goettliche Wort, naemlich der Vernichtungsbeschluss Gottes, wird hier personifiziert; in Offb 19,11-21 zieht Christus, der "das Wort Gottes"
heisst, vom Himmel zum Vernichtungskampf gegen die feindlichen Koenige aus.

18:16   Es trug das scharfe Schwert deines unerbittlichen Befehls, trat hin
und erfuellte alles mit Tod; es beruehrte den Himmel und stand auf der Erde.
[Jes 55,11; Weish 5,20; Hebr 4,12]

18:17   Ploetzlich schreckten sie furchtbare Traumgesichte auf, und
ungeahnte Aengste ueberfielen sie.
[17,3; Ijob 4,13f]

18:18   Einer stuerzte hier, ein anderer dort halbtot zu Boden und bekannte,
aus welchem Grund er sterben musste.

18:19   Denn die erschreckenden Traeume hatten es ihnen vorausgesagt; sie
sollten nicht umkommen, ohne zu wissen, warum sie so Schlimmes erlitten.

18:20   Auch die Gerechten lernten eine Probe des Todes kennen: Eine grosse
Anzahl wurde in der Wueste dahingerafft; doch der Zorn hielt nicht lange an.
[Num 17,6-14]

18:21   Ein Mann ohne Tadel sprang als Vorkaempfer ein mit der Waffe seines
heiligen Dienstes, mit Gebet und suehnendem Raeucherwerk. Er trat dem Zorn entgegen, machte dem Unheil ein Ende und zeigte so, dass er dein Diener war.
[Ex 28,1; Num 17,16-26
21-24: Gemeint ist der Hohepriester Aaron. Zu seinem Gewand vgl. Ex 28,5.]

18:22   Er ueberwand die Not nicht durch Koerperkraft und nicht durch
Waffengewalt, sondern durch das Wort bezwang er den Strafenden, indem er
ihn an die eidlich bekraeftigten Buendnisse mit den Vaetern erinnerte.

18:23   Denn als die Toten sich schon haeuften, trat er dazwischen, hielt
seinen Ansturm auf und schnitt ihm den Weg zu den Lebenden ab.
[Num 17,11-13
Ansturm: so nach Vg; G: Zorn (vgl. V. 20).]

18:24   Auf seinem langen Gewand war die ganze Welt dargestellt, auf den
vier Reihen der Edelsteine waren die ruhmreichen Namen der Vaeter
eingeschnitten und auf seinem Stirnband dein hoheitsvoller Name.
[Ex 28,17-21; Sir 45,11; Ex 28,36-38; Sir 45,12]

18:25   Davor wich der Verderber voll Furcht zurueck; denn es genuegte schon
diese Probe des Zornes.
[Ex 12,23]

19:1    Untergang im Meer - Rettung durch das Meer: 19,1-17

Ueber die Frevler kam erbarmungsloser Zorn, bis sie vernichtet waren; denn
Gott wusste im voraus, wie sie sich verhalten wuerden:
[Ex 14,13f]

19:2    Sie selbst hatten den Abzug der Gerechten gestattet und sie sogar
dazu gedraengt; dann aber aenderten sie ihren Sinn und verfolgten sie.
[Ex 12,31-33; Ex 14,3-31]

19:3    Sie waren noch mit der Bestattung der Toten beschaeftigt und klagten
an ihren Graebern, als sie in ihrer Torheit einen anderen Entschluss fassten und denen wie Entlaufenen nachsetzten, denen sie flehentlich zugeredet
hatten wegzugehen.
[18,12]

19:4    Das selbstverschuldete Verhaengnis trieb sie in diesen Untergang und
liess sie alles vergessen, was geschehen war; denn sie sollten ueber die bisherigen Plagen hinaus die aeusserste Strafe erleiden.
[12,27]

19:5    Deinem Volk aber sollte sich ein unerwarteter Weg eroeffnen,
waehrend jene einen ungewoehnlichen Tod fanden.
[10,18f]

19:6    Das Wesen der ganzen Schoepfung wurde neugestaltet; sie gehorchte
deinen Befehlen, damit deine Kinder unversehrt bewahrt blieben.
[5,20; 16,24; 19,10f.18]

19:7    Man sah die Wolke, die das Lager ueberschattete, trockenes Land
tauchte auf, wo zuvor Wasser war; es zeigte sich ein Weg ohne Hindernisse
durch das Rote Meer, eine gruene Ebene stieg aus der gewaltigen Flut.
[Ex 14,19-22]

19:8    Von deiner Hand behuetet, zogen sie vollzaehlig hindurch und sahen
staunenswerte Wunder.

19:9    Sie weideten wie Rosse, huepften wie Laemmer und lobten dich, Herr,
ihren Retter.
[Jes 63,13f; Ex 15]

19:10   Denn sie dachten zudem auch an das, was im fremden Land geschehen
war: wie Muecken nicht von Tieren, sondern von der Erde hervorgebracht
wurden, und wie der Fluss nicht Wassertiere, sondern eine Menge Froesche auswarf.
[16,9; Ex 8,12f; Weish 16,1; Ex 7,28 - 8,2]

19:11   Schliesslich sahen sie auch Voegel auf eine neue Weise entstehen,
als sie, um ihre Gier zu befriedigen, nach ueppigen Speisen verlangten.
[16,2; 19,19
11f: Der Verfasser deutet "vom Meer her" (Num 11,31) so, wie wenn die
Wachteln aus dem Meer aufgetaucht waeren.]

19:12   Zu ihrem Trost entstiegen naemlich Wachteln dem Meer.
[Num 11,31f]

19:13   Die Strafen kamen ueber die Suender nicht ohne Warnung durch
wuchtige Blitze. Mit Recht mussten sie fuer ihre boesen Taten leiden, weil
sie einen so schlimmen Fremdenhass gezeigt hatten.
[Ex 9,18; Weish 12,26]

19:14   Waehrend andere die Unbekannten, die zu ihnen kamen, nicht
aufnahmen, machten diese sogar Gaeste, die ihre Wohltaeter waren, zu
Sklaven.
[Ri 19,15-30; Gen 47,25
14-17: Noch schlimmer als die Bewohner von Sodom (vgl. Gen 19,4-11), weil
sie die Nachkommen Jakobs, der mit seinen Soehnen vom Pharao nach Aegypten eingeladen worden war (Gen 45,17f), nicht nach den Regeln des Gastrechts behandelten, sondern zu Fronsklaven machten (Ex 1,11-14).]

19:15   Noch mehr: Gewiss wird auch jene eine Strafe treffen, weil sie
Fremde feindselig empfangen hatten;

19:16   diese aber haben Gaeste, die sie festlich aufgenommen hatten und die
schon die gleichen Buergerrechte genossen, mit schwerem Frondienst geplagt.

19:17   Wie jene an der Tuere des Gerechten mit Blindheit geschlagen wurden,
so auch diese, als sie von dichter Finsternis umgeben waren und jeder versuchte, seine Tuere zu finden.
[Gen 19,10f; Weish 17,2; Ex 10,21-23
Der "Gerechte" ist Lot.]

19:18   Schluss: 19,18-22

Die Elemente veraendern sich untereinander, wie auf einer Harfe die Toene
den Rhythmus aendern und doch den gleichen Klang behalten. Dies laesst sich
aus der Betrachtung der Geschehnisse deutlich erkennen.
[16,25]

19:19   Landtiere verwandelten sich in Wassertiere, und schwimmende Tiere
stiegen ans Land.

19:20   Das Feuer steigerte im Wasser die ihm eigene Kraft, und das Wasser
vergass seine loeschende Wirkung.
[16,17f]

19:21   Flammen verzehrten nicht das Fleisch der hinfaelligen Tiere, die
hineingerieten, noch schmolz im Feuer die eisartige, leichtschmelzende himmlische Speise.
[16,22f]

19:22   In allem hast du, Herr, dein Volk gross gemacht und verherrlicht; du
hast es nicht im Stich gelassen, sondern bist ihm immer und ueberall beigestanden.
[Jes 41,10]