Gross und nicht zu ergruenden sind deine Entscheide; darum verfiel in
Irrtum, wer sich nicht belehren liess.
[Roem 11,33; Weish 5,6
1-20: Malt die Qualen des boesen Gewissens aus.]
17:2 Denn die Frevler meinten, das heilige Volk knechten zu koennen; und
jetzt lagen sie da, Gefangene der Finsternis, Gefesselte einer langen Nacht, eingeschlossen in den Haeusern, von der ewigen Vorsehung verbannt.
[Ex 1,11-14; 10,21-23; Ps 105,28]
17:3 Sie glaubten, mit ihren geheimen Suenden unter der dunklen Decke der
Vergessenheit verborgen zu sein; da packte sie furchtbares Entsetzen. Sie wurden durch Trugbilder aufgeschreckt und auseinandergejagt.
[Ps 64,6f; Weish 18,17]
17:4 Auch der geheimste Winkel, in den sie sich fluechteten, konnte sie
nicht vor Furcht bewahren; schreckenerregendes Getoese umbrauste sie, und duestere Gespenster mit finsteren Mienen tauchten auf.
17:5 Keine Kraft irgendeines Feuers war stark genug, Licht zu bringen;
nicht einmal der strahlende Glanz der Gestirne vermochte es, diese
entsetzliche Nacht zu erhellen.
17:6 Nur einen schaurigen Feuerherd, der sich von selbst entzuendet
hatte, sahen sie aufgluehen; verschwand die Erscheinung, so hielten sie,
ausser sich vor Entsetzen, die Dinge, die sie sahen, fuer noch schlimmer.
17:7 Da versagten die Gaukeleien der Zauberkunst, und die Probe auf das
prahlerische Wissen fiel schmaehlich aus.
[18,13; Ex 8,14f]
17:8 Jene, die immer versprachen, Furcht und Verwirrung von der kranken
Seele zu bannen, krankten nun selber an einer laecherlichen Angst.
17:9 Auch wenn nichts Schreckliches sie aengstigte, wurden sie durch
raschelndes Getier und zischelnde Schlangen aufgescheucht und vergingen vor Furcht. Nicht einmal in die Luft wollten sie blicken, der man doch nirgends entfliehen kann.
[Ps 53,6; Spr 28,1]
17:10 Denn die Schlechtigkeit bezeugt selbst ihr feiges Wesen, wenn sie
gestraft wird. Unter dem Druck des Gewissens befuerchtet sie immer das Schlimmste.
[17,6; Gen 4,14]
17:11 Furcht ist ja nichts anderes als der Verzicht auf die von der
Vernunft angebotene Hilfe.
17:12 Je weniger man solche Hilfe erwartet, um so schlimmer erscheint es,
die Ursache der Qual nicht zu kennen.
17:13 In Wahrheit hatte jene Nacht keine Gewalt; aus den Tiefen der
machtlosen Totenwelt war sie heraufgestiegen. Sie aber, die wie sonst
schlafen wollten,
17:14 wurden bald durch Schreckgespenster aufgescheucht, bald durch
Mutlosigkeit gelaehmt; denn ploetzliche und unerwartete Furcht hatte sie befallen.
17:15 So wurde jeder dort, wo er zu Boden sank, ein Gefangener, der in
einen Kerker ohne Eisenfesseln eingeschlossen war.
[17,2; 18,4]
17:16 Ob Bauer oder Hirt oder ein Tagloehner, der einsam arbeitete, alle
wurden ueberrascht und mussten sich dem unentrinnbaren Zwang fuegen, alle wurden durch die gleiche Kette der Finsternis gefesselt.
17:17 Das Pfeifen des Windes, der wohlklingende Gesang der Voegel auf den
Zweigen der Baeume, das Rauschen ungestuem stroemender Wasser, das wilde Donnern stuerzender Felsen,
17:18 das Laufen huepfender Tiere, die man nicht sehen konnte, das laute
Gebruell wilder Raubtiere, das aus den Schluchten der Berge
zurueckgeworfene Echo: alles und jedes jagte ihnen laehmende Furcht ein.
[17,9]
17:19 Die ganze Welt stand in strahlendem Licht, und alle gingen
ungehindert ihrer Arbeit nach.
17:20 Nur ueber jene breitete sich drueckende Nacht aus, Bild der
Finsternis, die sie dereinst aufnehmen sollte. Doch mehr als unter der Finsternis litten sie unter ihrer eigenen Angst.
[Ijob 10,21f; Mt 22,13; Jud 13]