Das Buechlein Rut, eine novellenartige Erzaehlung, traegt seinen
Namen nach der Hauptperson, einer moabitischen Frau, die die Ahnfrau
Davids werden sollte. Josephus Flavius, der juedische, um 90 n. Chr.
in griechischer Sprache schreibende Historiker, hat das Buechlein
anscheinend als Anhang zum Richterbuch gekannt (vgl. Ri 17 - 21). Die
Handlung spielt in der Richterzeit. In der juedischen Bibel steht das
Buch unter den "Fuenf Festrollen", d. h. den kleinen Buechern, die an
bestimmten Festen in der Synagoge gelesen wurden (Rut, Hld, Koh, Klgl
und Est); in der christlichen Bibel gehoert es zu den
"Geschichtsbuechern" und folgt auf das Buch der Richter.
E-2 Der Aufbau des Buches ist einfach und uebersichtlich: Ein gewisser
Elimelech aus Betlehem wandert wegen einer Hungersnot ins
Moabiterland aus. Dort heiraten seine Soehne moabitische Frauen. Dann
sterben aber Elimelech und seine Soehne. Die Witwe Noomi will in ihre
Heimat Betlehem zurueckkehren. Sie fordert ihre Schwiegertoechter auf,
wieder zu ihren Familien zu gehen. Die eine geht, die andere namens
Rut aber erklaert, sie wolle bei ihr bleiben. So kommen Noomi und Rut
nach Betlehem (Kap. 1). Dort lernt Rut beim Aehrenlesen den
Gutsbesitzer Boas, einen Verwandten ihres verstorbenen Mannes,
kennen, der sie freundlich behandelt (Kap. 2). Auf geschickte Weise
wird Boas an seine Loeserpflicht erinnert. Er erklaert sich bereit, ein
Grundstueck aus dem Besitz des verstorbenen Mannes, das Noomi haette
verkaufen muessen, auszuloesen und damit auch Rut, die Witwe seines
Verwandten, zu heiraten (Kap. 3). Da aber ein noch naeherer Verwandter
Noomis da ist, kommt es zu Verhandlungen am Stadttor, bei denen der
andere zum Verzicht bewogen wird. So geht Boas die "Schwagerehe"
(Leviratsehe) ein, zu der er sich als "Loeser" verpflichtet fuehlt. Er
bekommt mit Rut einen Sohn namens Obed. Dieser wird der Vater Isais
und Grossvater Davids. Der Erzaehlung wurde spaeter der Stammbaum Davids
angeschlossen (Kap. 4).
E-3 Die Entstehung des Buechleins wird heute von einigen in die
Koenigszeit, von anderen in die nachexilische Zeit, etwa in die Zeit
Esras, datiert. Der Verfasser wollte vielleicht durch den Hinweis auf
die moabitische Abstammung Davids einer antimoabitischen Tendenz
seiner Zeit, wie sie etwa aus Dtn 23,4-6 spricht, entgegenwirken und
zeigen, dass Gott sogar eine moabitische Frau in seinen Heilsplan
einfuegt. Das Wort Ruts zu ihrer Schwiegermutter "Wohin du gehst, gehe
auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein
Volk, und dein Gott ist mein Gott" (1,16f) ist das Bekenntnis einer
Nichtisraelitin zum Gott Israels. Es zeigt, dass Gott auch den Heiden,
die sich zu Abraham und seinen Nachkommen, zum Volk Israel, bekennen,
Segen und Heil schenkt (vgl. Gen 12,3).