E-1    Das Buch der Richter

Das Buch der Richter hat seinen Namen von den "Richtern", die in
der Zeit nach der Landnahme Israels wichtige Leitungsaufgaben
erfuellten und einzelne Sippenverbaende oder Stammesgruppen aus der
Bedraengnis durch Feinde retteten. Zu den Leitungsaufgaben gehoerte vor
allem die Rechtsprechung (daher der Name "Richter").

E-2    Den Hauptteil des Buches machen die Erzaehlungen ueber die
verschiedenen Richtergestalten aus (3,7 - 16,31). Voraus geht eine
Einleitung, die an das Buch Josua anknuepft; sie bietet eine knappe
Beschreibung der Landnahme durch einzelne Staemme und leitet mit einer
allgemeinen Charakterisierung der Richterzeit zu den
Richtererzaehlungen ueber (1,1 - 3,6). Auf den Hauptteil folgen zwei
laengere Anhaenge, in denen die Gruendung des Heiligtums von Dan (Kap.
17 und 18) sowie die Schandtat und Bestrafung der Benjaminiter von
Gibea (Kap. 19 - 21) berichtet werden.

E-3    Die Heldenerzaehlungen des Hauptteils waren urspruenglich wohl bei
einzelnen Staemmen beheimatet. Auffaellig breit werden die wunderbare
Geburt Simsons und dessen aussergewoehnliche Taten geschildert (Kap.
13 - 16). Auch die Geschichte Gideons nimmt einen breiten Raum ein
(Kap. 6 - 8); seine Berufung wird mit der Gruendung eines Heiligtums
verbunden (Kap. 6). Im Debora-Lied (Kap. 5) wird der Sieg ueber Sisera
und sein Heer besungen; es gehoert zu den aeltesten Texten des Alten
Testaments. Die Fabel in 9,8-15 ist ein politischer Text, der
unterstreicht, dass man das Koenigtum in Israel nicht ohne den Willen
Gottes erlangen kann.

E-4    Die Zeit zwischen Josua und Samuel war nach dem Bild, das das
Richterbuch zeichnet, eine Periode, in der sich Israel im Land
Kanaan, zumeist gegen Feinde von aussen, behaupten musste. Das gelang
dem Volk nicht aus eigener Kraft, wie es auch das verheissene Land
nicht durch eigene Anstrengung, sondern nur mit Gottes Hilfe erobert
hatte. Das Verhaeltnis Israels zu seinem Gott entschied auch darueber,
ob Israel ruhig in seinem Land wohnen konnte. Das war die ueberzeugung
der Bearbeiter, die die einzelnen Erzaehlungen zu einem Gesamtbild der
Richterzeit zusammenstellten.

E-5    Der Geschichtsverlauf wird nach folgenden Leitgedanken des
Deuteronomisten beurteilt: Jahwe allein verehren; auf seine Stimme
hoeren; seine Gebote befolgen; anderen Goettern nicht nachlaufen. So
kommen die Verfasser zu ihrer in der Konsequenz beeindruckenden
Wertung der Richterzeit (Kap. 2) und gewinnen ein Schema, das sie an
diese Zeit anlegen koennen: Abfall von Gott, Strafe, Hilferuf, Umkehr,
Rettung, Wohlergehen und Frieden, solange das Volk auf die Richter
hoert und Gott die Treue haelt (so erstmals 3,7-11). Das Richterbuch
ist ein eindrucksvolles Zeugnis fuer den Glauben an den
Herrschaftsanspruch Gottes gegenueber seinem Volk, aber auch an seine
Treue und Fuersorge.