26:1    Das Leiden und die Auferstehung Jesu: 26,1 - 28,20
Der Beschluss des Hohen Rates: 26,1-5

Als Jesus seine Reden beendet hatte, sagte er zu seinen Juengern:
[(1-5) Mk 14,1f; Lk 22,1f; Joh 11,47-53
1-28,20: Ueber Markus hinaus, dem Matthaeus in seinem Passionsbericht
weithin folgt, bietet Matthaeus folgendes Sondergut: Traum der Frau
des Pilatus (27,19), Ende des Judas (27,3-10), Uebernahme der
Verantwortung fuer den Tod Jesu durch das Volk (27,24f), Oeffnung der
Graeber beim Tod Jesu (27,51-53), Geschichte von den Grabwaechtern
(27,62-66; 28,2-4.11-15).]

26:2    Ihr wisst, dass in zwei Tagen das Paschafest beginnt; da wird der
Menschensohn ausgeliefert und gekreuzigt werden.
[16,21]

26:3    Um die gleiche Zeit versammelten sich die Hohenpriester und die
Aeltesten des Volkes im Palast des Hohenpriesters, der Kajaphas hiess,

26:4    und beschlossen, Jesus mit List in ihre Gewalt zu bringen und ihn zu
toeten.
[(4f) 21,46]

26:5    Sie sagten aber: Ja nicht am Fest, damit kein Aufruhr im Volk
entsteht.

26:6/7  Die Salbung in Betanien: 26,6-13

Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussaetzigen bei Tisch war,
kam eine Frau mit einem Alabastergefaess voll kostbarem,
wohlriechendem Oel zu ihm und goss es ueber sein Haar.
[(6-13) Mk 14,3-9; Lk 7,36-50; Joh 12,1-8]

26:8    Die Juenger wurden unwillig, als sie das sahen, und sagten: Wozu
diese Verschwendung?

26:9    Man haette das Oel teuer verkaufen und das Geld den Armen geben
koennen.

26:10   Jesus bemerkte ihren Unwillen und sagte zu ihnen: Warum lasst ihr
die Frau nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.

26:11   Denn die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht
immer.
[Dtn 15,11]

26:12   Als sie das Oel ueber mich goss, hat sie meinen Leib fuer das
Begraebnis gesalbt.

26:13   Amen, ich sage euch: Ueberall auf der Welt, wo dieses Evangelium
verkuendet wird, wird man sich an sie erinnern und erzaehlen, was sie
getan hat.

26:14   Der Verrat durch Judas: 26,14-16

Darauf ging einer der Zwoelf namens Judas Iskariot zu den
Hohenpriestern
[(14-16) Mk 14,10f; Lk 22,3-6]

26:15   und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere?
Und sie zahlten ihm dreissig Silberstuecke.
[Joh 11,57; 13,2; Sach 11,12]

26:16   Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern.

26:17   Die Vorbereitung des Paschamahls: 26,17-19

Am ersten Tag des Festes der Ungesaeuerten Brote gingen die Juenger zu
Jesus und fragten: Wo sollen wir das Paschamahl fuer dich
vorbereiten?
[Ex 12,14-20; (17-19) Mk 14,12-16; Lk 22,7-13
(Die Angabe kann nicht stimmen. Jesus feierte das Paschamahl schon am
Donnerstag und zog es einen Tag vor. Das Paschafest fiel in dem Jahr, als
Jesus hingerichtet wurde auf einen Sabbat. Am Tag zuvor, am Freitag,
wurden die Laemmer geschlachtet und in der Nacht zum Sabbat wurde das
Paschamahl gehalten. Es gibt Annahmen, dass die Sekte der Essener, mit
der der Taeufer Johannes befreundet war, das Paschafest einen Tag vor
dem offiziellen Termin feierte. B. Dalkmann)]

26:18   Er antwortete: Geht in die Stadt zu dem und dem und sagt zu ihm:
Der Meister laesst dir sagen: Meine Zeit ist da; bei dir will ich mit meinen
Juengern das Paschamahl feiern.

26:19   Die Juenger taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte, und
bereiteten das Paschamahl vor.

26:20   Das Mahl: 26,20-29

Als es Abend wurde, begab er sich mit den zwoelf Juengern zu Tisch.
[(20-29) Mk 14,17-25; Lk 22,14-23; (20-25) Joh 13,2.21-30]

26:21   Und waehrend sie assen, sprach er: Amen, ich sage euch: Einer von
euch wird mich verraten und ausliefern.

26:22   Da waren sie sehr betroffen, und einer nach dem andern fragte ihn:
Bin ich es etwa, Herr?

26:23   Er antwortete: Der, der die Hand mit mir in die Schuessel getaucht
hat, wird mich verraten.
[Das ist ein Hinweis auf die Habgier des Verraeters, der seinem Meister
nicht den Vortritt laesst. B. Dalkmann]

26:24   Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift
ueber ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn
verraten wird. Fuer ihn waere es besser, wenn er nie geboren waere.
[Ps 22,7f.16-18; Jes 53,8f]

26:25   Da fragte Judas, der ihn verriet: Bin ich es etwa, Rabbi? Jesus
sagte zu ihm: Du sagst es.

26:26   Waehrend des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den
Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Juengern und sagte:
Nehmt und esst; das ist mein Leib.
[(26-28) 1 Kor 11,23-25]

26:27   Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den
Juengern mit den Worten: Trinkt alle daraus;
[1 Kor 10,16]

26:28   das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das fuer viele vergossen
wird zur Vergebung der Suenden.
[Ex 24,8; Jer 31,31; Hebr 7,22; 9,15
(fuer viele: woertlich steht hier wie im Zitat aus Jer 53 "fuer die vielen",
gemeint sind alle. Der "neue Bund" in Jer 31 bezieht sich auf das ganze
Volk und schliesst die Vergebung der Suenden ein. B. Dalkmann)]

26:29   Ich sage euch: Von jetzt an werde ich nicht mehr von der Frucht des
Weinstocks trinken, bis zu dem Tag, an dem ich mit euch von neuem
davon trinke im Reich meines Vaters.

26:30   Der Gang zum Oelberg: 26,30-35

Nach dem Lobgesang gingen sie zum Oelberg hinaus.
[Lk 22,39; Joh 18,1; (30-35) Mk 14,26-31]

26:31   Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr alle werdet in dieser Nacht an mir
Anstoss nehmen und zu Fall kommen; denn in der Schrift steht: Ich
werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe der Herde
zerstreuen.
[26,56; Sach 13,7; Joh 16,32]

26:32   Aber nach meiner Auferstehung werde ich euch nach Galilaea
vorausgehen.
[28,7.16]

26:33   Petrus erwiderte ihm: Und wenn alle an dir Anstoss nehmen - ich
niemals!

26:34   Jesus entgegnete ihm: Amen, ich sage dir: In dieser Nacht, noch ehe
der Hahn kraeht, wirst du mich dreimal verleugnen.
[26,75; (34-35) Lk 22,31-34; Joh 13,36-38]

26:35   Da sagte Petrus zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben muesste - ich
werde dich nie verleugnen. Das gleiche sagten auch alle anderen
Juenger.

26:36   Das Gebet in Getsemani: 26,36-46

Darauf kam Jesus mit den Juengern zu einem Grundstueck, das man
Getsemani nennt, und sagte zu ihnen: Setzt euch und wartet hier,
waehrend ich dort bete.
[(36-46) Mk 14,32-42; Lk 22,39-46]

26:37   Und er nahm Petrus und die beiden Soehne des Zebedaeus mit sich.
Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit,
[Hebr 5,7]

26:38   und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betruebt. Bleibt hier
und wacht mit mir!
[Ps 42,6.12; 43,5]

26:39   Und er ging ein Stueck weiter, warf sich zu Boden und betete: Mein
Vater, wenn es moeglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorueber. Aber nicht
wie ich will, sondern wie du willst.
[Joh 12,27; Mt 20,22; Joh 6,38; 18,11; Hebr 10,9]

26:40   Und er ging zu den Juengern zurueck und fand sie schlafend. Da
sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?

26:41   Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist
ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

26:42   Dann ging er zum zweitenmal weg und betete: Mein Vater, wenn
dieser Kelch an mir nicht voruebergehen kann, ohne dass ich ihn trinke,
geschehe dein Wille.

26:43   Als er zurueckkam, fand er sie wieder schlafend, denn die Augen
waren ihnen zugefallen.

26:44   Und er ging wieder von ihnen weg und betete zum drittenmal mit
den gleichen Worten.

26:45   Danach kehrte er zu den Juengern zurueck und sagte zu ihnen:
Schlaft ihr immer noch und ruht euch aus? Die Stunde ist gekommen;
jetzt wird der Menschensohn den Suendern ausgeliefert.
[Joh 2,4; 7,30; 8,20; 12,23; 13,1; 17,1]

26:46   Steht auf, wir wollen gehen! Seht, der Verraeter, der mich ausliefert,
ist da.

26:47   Die Gefangennahme: 26,47-56

Waehrend er noch redete, kam Judas, einer der Zwoelf, mit einer grossen
Schar von Maennern, die mit Schwertern und Knueppeln bewaffnet waren;
sie waren von den Hohenpriestern und den Aeltesten des Volkes
geschickt worden.
[(47-56) Mk 14,43-50; Lk 22,47-53; Joh 18,3-12]

26:48   Der Verraeter hatte mit ihnen ein Zeichen verabredet und gesagt:
Der, den ich kuessen werde, der ist es; nehmt ihn fest.

26:49   Sogleich ging er auf Jesus zu und sagte: Sei gegruesst, Rabbi! Und
er kuesste ihn.

26:50   Jesus erwiderte ihm: Freund, dazu bist du gekommen? Da gingen sie
auf Jesus zu, ergriffen ihn und nahmen ihn fest.
[Andere Uebersetzungsmoeglichkeit: Freund, tu, wozu du gekommen bist. -
Die herkoemmliche Uebersetzung "Freund, wozu bist du gekommen?" ist
vom griechischen Text her nicht zu rechtfertigen.

26:51   Doch einer von den Begleitern Jesu zog sein Schwert, schlug auf
den Diener des Hohenpriesters ein und hieb ihm ein Ohr ab.

26:52   Da sagte Jesus zu ihm: Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle,
die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.

26:53   Oder glaubst du nicht, mein Vater wuerde mir sogleich mehr als
zwoelf Legionen Engel schicken, wenn ich ihn darum bitte?
[Lk 2,13
Eine roemische Legion umfasste 6000 Mann.]

26:54   Wie wuerde dann aber die Schrift erfuellt, nach der es so geschehen
muss?

26:55   Darauf sagte Jesus zu den Maennern: Wie gegen einen Raeuber
seid ihr mit Schwertern und Knueppeln ausgezogen, um mich
festzunehmen. Tag fuer Tag sass ich im Tempel und lehrte, und ihr habt
mich nicht verhaftet.
[Lk 19,47; Joh 18,20
Darauf, woertlich: In jener Stunde.]

26:56   Das alles aber ist geschehen, damit die Schriften der Propheten in
Erfuellung gehen. Da verliessen ihn alle Juenger und flohen.
[26,31; Joh 16,32]

26:57   Das Verhoer vor dem Hohen Rat: 26,57-68

Nach der Verhaftung fuehrte man Jesus zum Hohenpriester Kajaphas, bei
dem sich die Schriftgelehrten und die Aeltesten versammelt hatten.
[(57-68) Mk 14,53-65; Lk 22,54f.66-71; Joh 18,12-24
Josef Kajaphas war von 18 bis 37 n. Chr. amtierender Hoherpriester. -
Das juedische Prozessrecht der Zeit Jesu ist nicht genau bekannt.]

26:58   Petrus folgte Jesus von weitem bis zum Hof des hohepriesterlichen
Palastes; er ging in den Hof hinein und setzte sich zu den Dienern,
um zu sehen, wie alles ausgehen wuerde.

26:59   Die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat bemuehten sich um
falsche Zeugenaussagen gegen Jesus, um ihn zum Tod verurteilen zu
koennen.

26:60   Sie erreichten aber nichts, obwohl viele falsche Zeugen auftraten.
Zuletzt kamen zwei Maenner

26:61   und behaupteten: Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes
niederreissen und in drei Tagen wieder aufbauen.
[27,40; Joh 2,19; Apg 6,14]

26:62   Da stand der Hohepriester auf und fragte Jesus: Willst du nichts
sagen zu dem, was diese Leute gegen dich vorbringen?

26:63   Jesus aber schwieg. Darauf sagte der Hohepriester zu ihm: Ich
beschwoere dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: Bist du der Messias,
der Sohn Gottes?
[Jes 53,7; Mt 16,16; Joh 10,24]

26:64   Jesus antwortete: Du hast es gesagt. Doch ich erklaere euch: Von
nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und
auf den Wolken des Himmels kommen sehen.
[Dan 7,13; Ps 110,1; Mt 24,30; Mk 13,26; Lk 21,27
Der Ausdruck "die Macht" ist Umschreibung fuer Gott.]

26:65   Da zerriss der Hohepriester sein Gewand und rief: Er hat Gott
gelaestert! Wozu brauchen wir noch Zeugen? Jetzt habt ihr die
Gotteslaesterung selbst gehoert.
[Lev 24,16; Joh 19,7]

26:66   Was ist eure Meinung? Sie antworteten: Er ist schuldig und muss
sterben.

26:67   Dann spuckten sie ihm ins Gesicht und schlugen ihn. Andere
ohrfeigten ihn
[Jes 50,6]

26:68   und riefen: Messias, du bist doch ein Prophet! Sag uns: Wer hat
dich geschlagen?

26:69   Die Verleugnung durch Petrus: 26,69-75

Petrus aber sass draussen im Hof. Da trat eine Magd zu ihm und sagte:
Auch du warst mit diesem Jesus aus Galilaea zusammen.
[(69-75) Mk 14,66-72; Lk 22,56-62; Joh 18,15-18.25-27]

26:70   Doch er leugnete es vor allen Leuten und sagte: Ich weiss nicht,
wovon du redest.

26:71   Und als er zum Tor hinausgehen wollte, sah ihn eine andere Magd
und sagte zu denen, die dort standen: Der war mit Jesus aus Nazaret
zusammen.

26:72   Wieder leugnete er und schwor: Ich kenne den Menschen nicht.

26:73   Kurz darauf kamen die Leute, die dort standen, zu Petrus und
sagten: Wirklich, auch du gehoerst zu ihnen, deine Mundart verraet dich.

26:74   Da fing er an, sich zu verfluchen und schwor: Ich kenne den
Menschen nicht. Gleich darauf kraehte ein Hahn,

26:75   und Petrus erinnerte sich an das, was Jesus gesagt hatte: Ehe der
Hahn kraeht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und
weinte bitterlich.
[26,34]