18:1 Die Rede ueber das Leben in der Gemeinde: 18,1-35
Der Rangstreit der Juenger: 18,1-5
In jener Stunde kamen die Juenger zu Jesus und fragten: Wer ist im
Himmelreich der Groesste?
[Lk 22,24-26; (1-5) Mk 9,33-37; Lk 9,46-48
1-4: Das Kind galt zur Zeit Jesu als unfertiger Erwachsener und
spielte in der damaligen Gesellschaft keine Rolle.]
18:2 Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte
18:3 und sagte: Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie
die Kinder werdet, koennt ihr nicht in das Himmelreich kommen.
[19,14; Mk 10,15; Lk 18,17]
18:4 Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der
Groesste.
18:5 Und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich
auf.
[um meinetwillen, woertlich: aufgrund meines Namens.]
18:6 Warnung vor der Verfuehrung und der Verachtung von Juengern: 18,6-11
Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Boesen
verfuehrt, fuer den waere es besser, wenn er mit einem Muehlstein um den
Hals im tiefen Meer versenkt wuerde.
[(6-9) Mk 9,42-47; Lk 17,1f
6.10.14: Der Ausdruck "diese Kleinen" knuepft zwar an die zuvor
genannten Kinder an, wird aber nun zur Bezeichnung der Christen: sie
sind wenig angesehen, machtlos und auf (Gottes) Hilfe angewiesen.]
18:7 Wehe der Welt mit ihrer Verfuehrung! Es muss zwar Verfuehrung geben;
doch wehe dem Menschen, der sie verschuldet.
18:8 Wenn dich deine Hand oder dein Fuss zum Boesen verfuehrt, dann hau sie
ab und wirf sie weg! Es ist besser fuer dich, verstuemmelt oder lahm
in das Leben zu gelangen, als mit zwei Haenden und zwei Fuessen in das
ewige Feuer geworfen zu werden.
[5,30
8f: Nach juedischer Auffassung sass die Begierde in den einzelnen
Gliedern. Darum wurde bei den Juden z. B. Diebstahl durch Abhauen
der Hand geahndet. Als Ort der ewigen Strafe galt dem Judentum die
Feuerhoelle, die Gehenna, wo die Boesen nach dem Endgericht ewige Qual
erleiden werden (vgl. Jes 66,24; Offb 20,14f).]
18:9 Und wenn dich dein Auge zum Boesen verfuehrt, dann reiss es aus und
wirf es weg! Es ist besser fuer dich, einaeugig in das Leben zu
gelangen, als mit zwei Augen in das Feuer der Hoelle geworfen zu
werden.
[5,29]
18:10 Huetet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich
sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines
himmlischen Vaters.
18:11 [s.u.]
[Ein Teil der Textzeugen fuegt hier ein: Denn der Menschensohn ist
gekommen, um zu retten, was verloren ist; vgl. Lk 19,10.]
18:12 Das Gleichnis vom verlorenen Schaf: 18,12-14
Was meint ihr? Wenn jemand hundert Schafe hat und eines von ihnen
sich verirrt, laesst er dann nicht die neunundneunzig auf den Bergen
zurueck und sucht das verirrte?
[Joh 10,11-15; (12-14) Lk 15,4-7]
18:13 Und wenn er es findet - amen, ich sage euch: er freut sich ueber
dieses eine mehr als ueber die neunundneunzig, die sich nicht verirrt
haben.
18:14 So will auch euer himmlischer Vater nicht, dass einer von diesen
Kleinen verlorengeht.
18:15 Von der Verantwortung fuer den Bruder: 18,15-20
Wenn dein Bruder suendigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier
Augen zurecht. Hoert er auf dich, so hast du deinen Bruder
zurueckgewonnen.
[Lev 19,17; Lk 17,3]
18:16 Hoert er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Maenner mit,
denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen
entschieden werden.
[Dtn 19,15]
18:17 Hoert er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hoert er aber
auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er fuer dich wie ein Heide oder
ein Zoellner.
[Mit "Gemeinde" ist die Ortskirche gemeint. (Mit dem griech. Wort Ekklesia
ist im weltlichen Bereich eine Gemeindeversammlung gemeint, im juedischen
religioesen Bereich die Gottesdienstversammlung im Tempel oder in der
Synagoge, im christlichen Bereich die Gemeindeversammlung bzw. Gemeinde,
schliesslich die Kirche in ihrer Gesamtheit. Zur Verdeutlichung der letzten
Bedeutung wurde das Wort katholisch hinzugefuegt. B. Dalkmann)]
18:18 Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das
wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden
loesen werdet, das wird auch im Himmel geloest sein.
[16,19; Joh 20,23]
18:19 Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam
erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.
[7,7]
18:20 Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich
mitten unter ihnen.
[28,20]
18:21 Von der Pflicht zur Vergebung: 18,21-22
Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem
Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versuendigt? Siebenmal?
18:22 Jesus sagte zu ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.
[Gen 4,24; Lk 17,4
Der griechische Text ist zu uebersetzen mit "siebenundsiebzigmal",
nicht mit siebzigmal siebenmal wie in manchen Uebersetzungen. Der
Ausdruck hat den Sinn: immer, ohne Einschraenkung.]
18:23 Das Gleichnis vom unbarmherzigen Glaeubiger: 18,23-35
Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem Koenig, der
beschloss, von seinen Dienern Rechenschaft zu verlangen.
[25,19
23-25: Ein Talent (griechische Rechnungseinheit) entsprach
sechstausend Drachmen. Ein Denar war damals einer Drachme
gleichwertig und war der Tageslohn eines Arbeiters. Die Schuld
umfasste also eine ungeheure Summe, die kaum aufzubringen war. Die
Jahreseinkuenfte Herodes' des Grossen betrugen 900 Talente, das
Steueraufkommen von ganz Galilaea und Peraea im Jahr 4 n. Chr. 200
Talente.]
[Unter dem "Diener" kann man sich etwa den Finanzminister eines
orientalischen Koenigs vorstellen, dessen Beamte als Sklaven oder
Diener des Herrschers angesehen wurden. Die Folter diente dazu,
Auskuenfte ueber beiseite geschafftes Geld zu erlangen.]
18:24 Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der
ihm zehntausend Talente schuldig war.
18:25 Weil er aber das Geld nicht zurueckzahlen konnte, befahl der Herr,
ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besass, zu verkaufen und
so die Schuld zu begleichen.
18:26 Da fiel der Diener vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir!
Ich werde dir alles zurueckzahlen.
18:27 Der Herr hatte Mitleid mit dem Diener, liess ihn gehen und schenkte
ihm die Schuld.
[Lk 7,42]
18:28 Als nun der Diener hinausging, traf er einen anderen Diener seines
Herrn, der ihm hundert Denare schuldig war. Er packte ihn, wuergte
ihn und rief: Bezahl, was du mir schuldig bist!
18:29 Da fiel der andere vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir!
Ich werde es dir zurueckzahlen.
18:30 Er aber wollte nicht, sondern ging weg und liess ihn ins Gefaengnis
werfen, bis er die Schuld bezahlt habe.
18:31 Als die uebrigen Diener das sahen, waren sie sehr betruebt; sie gingen
zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war.
18:32 Da liess ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Diener!
Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich so angefleht
hast.
18:33 Haettest nicht auch du mit jenem, der gemeinsam mit dir in meinem
Dienst steht, Erbarmen haben muessen, so wie ich mit dir Erbarmen
hatte?
18:34 Und in seinem Zorn uebergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er
die ganze Schuld bezahlt habe.
18:35 Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der
seinem Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt.
[6,15]