12:1    Das Abreissen der Aehren am Sabbat: 12,1-8

In jener Zeit ging Jesus an einem Sabbat durch die Kornfelder. Seine
Juenger hatten Hunger; sie rissen deshalb Aehren ab und assen davon.
[Dtn 23,26; (1-8) Mk 2,23-28; Lk 6,1-5]

12:2    Die Pharisaeer sahen es und sagten zu ihm: Sieh her, deine Juenger tun
etwas, das am Sabbat verboten ist.

12:3    Da sagte er zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David getan hat,
als er und seine Begleiter hungrig waren -
[1 Sam 21,2-7]

12:4    wie er in das Haus Gottes ging und wie sie die heiligen Brote assen,
die weder er noch seine Begleiter, sondern nur die Priester essen
durften?
[Lev 24,5-9]

12:5    Oder habt ihr nicht im Gesetz gelesen, dass am Sabbat die Priester im
Tempel den Sabbat entweihen, ohne sich schuldig zu machen?

12:6    Ich sage euch: Hier ist einer, der groesser ist als der Tempel.

12:7    Wenn ihr begriffen haettet, was das heisst: Barmherzigkeit will ich,
nicht Opfer, dann haettet ihr nicht Unschuldige verurteilt;
[Hos 6,6; Mt 9,13]

12:8    denn der Menschensohn ist Herr ueber den Sabbat.

12:9    Die Heilung eines Mannes am Sabbat: 12,9-14

Darauf verliess er sie und ging in ihre Synagoge.
[(9-14) Lk 14,1-6; Mk 3,1-6; Lk 6,6-11]

12:10   Dort sass ein Mann, dessen Hand verdorrt war. Sie fragten ihn: Ist es
am Sabbat erlaubt zu heilen? Sie suchten naemlich einen Grund zur
Anklage gegen ihn.
[Lk 13,16; Joh 5,9f
10.13: Hand, andere Uebersetzungsmoeglichkeit: Arm.]

12:11   Er antwortete: Wer von euch wird, wenn ihm am Sabbat sein Schaf in
eine Grube faellt, es nicht sofort wieder herausziehen?
[Lk 13,15; 14,5; Joh 5,9f]

12:12   Und wieviel mehr ist ein Mensch wert als ein Schaf! Darum ist es am
Sabbat erlaubt, Gutes zu tun.

12:13   Dann sagte er zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie
aus, und die Hand war wieder ebenso gesund wie die andere.

12:14   Die Pharisaeer aber gingen hinaus und fassten den Beschluss, Jesus
umzubringen.
[Mk 11,18; Lk 19,47; Joh 5,18]

12:15   Jesus als der Knecht Gottes: 12,15-21

Als Jesus das erfuhr, ging er von dort weg. Viele folgten ihm, und
er heilte alle Kranken.
[(15-16) Mk 3,7-12; Lk 6,17-19]

12:16   Aber er verbot ihnen, in der Oeffentlichkeit von ihm zu reden.

12:17   Auf diese Weise sollte sich erfuellen, was durch den Propheten Jesaja
gesagt worden ist:

12:18   Seht, das ist mein Knecht, den ich erwaehlt habe, mein Geliebter, an
dem ich Gefallen gefunden habe. Ich werde meinen Geist auf ihn
legen, und er wird den Voelkern das Recht verkuenden.
[Jes 42,1-4; Mt 3,17]

12:19   Er wird nicht zanken und nicht schreien, und man wird seine Stimme
nicht auf den Strassen hoeren.

12:20   Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht
nicht ausloeschen, bis er dem Recht zum Sieg verholfen hat.

12:21   Und auf seinen Namen werden die Voelker ihre Hoffnung setzen.

12:22   Verteidigungsrede Jesu: 12,22-37

Damals brachte man zu ihm einen Besessenen, der blind und stumm war.
Jesus heilte ihn, so dass der Stumme wieder reden und sehen konnte.
[(22-24) 9,32-34; (22-23) Lk 11,14]

12:23   Da gerieten alle Leute ausser sich und sagten: Ist er etwa der Sohn
Davids?

12:24   Als die Pharisaeer das hoerten, sagten sie: Nur mit Hilfe von
Beelzebul, dem Anfuehrer der Daemonen, kann er die Daemonen austreiben.
[10,25; (24-30) Mk 3,22-27; Lk 11,15.17-23
Beelzebul - urspruengliche Bedeutung: Mistgott (Mist, d. h. das
heidnische Opfer), oder: Herr der Wohnungen (von Daemonen), oder: Herr
der Fliegen (d. h. Krankheiten) - wird hier mit Satan, dem Anfuehrer
aller boesen Geister, gleichgesetzt. - Unter Daemonen verstand man
"boese" oder "unreine" Geister, die in Menschen oder Tieren hausten,
schwere Krankheiten seelischer oder leiblicher Art verursachten und
so die Menschen versklavten (vgl. Mk 5,9.11; 6,13; Mt 9,32; 12,45; Lk
10,17-20; 13,11 u. oe.).]

12:25   Doch Jesus wusste, was sie dachten, und sagte zu ihnen: Jedes Reich,
das in sich gespalten ist, geht zugrunde, und keine Stadt und keine
Familie, die in sich gespalten ist, wird Bestand haben.

12:26   Wenn also der Satan den Satan austreibt, dann liegt der Satan mit
sich selbst im Streit. Wie kann sein Reich dann Bestand haben?

12:27   Und wenn ich die Daemonen durch Beelzebul austreibe, durch wen
treiben dann eure Anhaenger sie aus? Sie selbst also sprechen euch
das Urteil.
[Anhaenger, woertlich: Soehne.]

12:28   Wenn ich aber die Daemonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist
das Reich Gottes schon zu euch gekommen.
[Lk 17,21]

12:29   Wie kann einer in das Haus eines starken Mannes einbrechen und ihm
den Hausrat rauben, wenn er den Mann nicht vorher fesselt? Erst dann
kann er sein Haus pluendern.
[Jes 49,24]

12:30   Wer nicht fuer mich ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir
sammelt, der zerstreut.

12:31   Darum sage ich euch: Jede Suende und Laesterung wird den Menschen
vergeben werden, aber die Laesterung gegen den Geist wird nicht
vergeben.
[(31-32) Mk 3,28-30; Lk 12,10]

12:32   Auch dem, der etwas gegen den Menschensohn sagt, wird vergeben
werden; wer aber etwas gegen den Heiligen Geist sagt, dem wird nicht
vergeben, weder in dieser noch in der zukuenftigen Welt.

12:33   Entweder: der Baum ist gut - dann sind auch seine Fruechte gut. Oder:
der Baum ist schlecht - dann sind auch seine Fruechte schlecht. An
den Fruechten also erkennt man den Baum.
[7,17f; (33-35) Lk 6,43-45]

12:34   Ihr Schlangenbrut, wie koennt ihr Gutes reden, wenn ihr boese seid?
Denn wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund.
[3,7]

12:35   Ein guter Mensch bringt Gutes hervor, weil er Gutes in sich hat, und
ein boeser Mensch bringt Boeses hervor, weil er Boeses in sich hat.
[Woertlich: Ein guter Mensch bringt aus dem guten Schatz Gutes hervor,
und ein boeser Mensch bringt aus dem boesen Schatz Boeses hervor.]

12:36   Ich sage euch: Ueber jedes unnuetze Wort, das die Menschen reden,
werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen muessen;

12:37   denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund
deiner Worte wirst du verurteilt werden.

12:38   Die Verweigerung eines Zeichens: 12,38-42

Zu dieser Zeit sagten einige Schriftgelehrte und Pharisaeer zu ihm:
Meister, wir moechten von dir ein Zeichen sehen.
[(38-40) 16,1-4; Joh 6,30; 1 Kor 1,22; (38-42) Mk 8,11f;
Lk 11,16.29-32]

12:39   Er antwortete ihnen: Diese boese und treulose Generation fordert ein
Zeichen, aber es wird ihr kein anderes gegeben werden als das
Zeichen des Propheten Jona.
[treulose, woertlich: ehebrecherische (vgl. Mt 16,4; Mk 8,38). Das Wort
wird hier, wie schon bei den Propheten, im uebertragenen Sinn
gebraucht (vgl. Ez 16,15-34; Hos 2 - 3).]

12:40   Denn wie Jona drei Tage und drei Naechte im Bauch des Fisches war, so
wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Naechte im Innern der
Erde sein.
[Jona 2,1; Mt 27,63]

12:41   Die Maenner von Ninive werden beim Gericht gegen diese Generation
auftreten und sie verurteilen; denn sie haben sich nach der Predigt
des Jona bekehrt. Hier aber ist einer, der mehr ist als Jona.
[Jona 3,5]

12:42   Die Koenigin des Suedens wird beim Gericht gegen diese Generation
auftreten und sie verurteilen; denn sie kam vom Ende der Erde, um
die Weisheit Salomos zu hoeren. Hier aber ist einer, der mehr ist als
Salomo.
[1 Koen 10,1-10]

12:43   Von der Rueckkehr der unreinen Geister: 12,43-45

Ein unreiner Geist, der einen Menschen verlassen hat, wandert durch
die Wueste und sucht einen Ort, wo er bleiben kann. Wenn er aber
keinen findet,
[(43-45) Lk 11,24-26]

12:44   dann sagt er: Ich will in mein Haus zurueckkehren, das ich verlassen
habe. Und wenn er es bei seiner Rueckkehr leer antrifft, sauber und
geschmueckt,

12:45   dann geht er und holt sieben andere Geister, die noch schlimmer sind
als er selbst. Sie ziehen dort ein und lassen sich nieder. So wird
es mit diesem Menschen am Ende schlimmer werden als vorher. Dieser
boesen Generation wird es genauso gehen.
[2 Petr 2,20]

12:46   Von den wahren Verwandten Jesu: 12,46-50

Als Jesus noch mit den Leuten redete, standen seine Mutter und seine
Brueder vor dem Haus und wollten mit ihm sprechen.
[(46-50) Mk 3,31-35; Lk 8,19-21
46f: Die Worte "Bruder" und "Schwester" koennen nach hebraeischem,
aramaeischem und griechischem Sprachgebrauch auch als Kurzbezeichnung
fuer Verwandte im weiteren Sinn gebraucht werden (vgl. Gen 13,8;
14,14; 24,48; u. oe.). Zum Ganzen vgl. die Aussagen des Neuen
Testaments ueber die "Brueder Jesu" bzw. die "Brueder des Herrn": Mt
13,54-58; Mk 6,1-6; Joh 7,3-5; Apg 1,14; 1 Kor 9,5; Gal 1,19; auch
Mt 27,56; Mk 15,40.47; 16,1.]

12:47   Da sagte jemand zu ihm: Deine Mutter und deine Brueder stehen draussen
und wollen mit dir sprechen.
[Dieser Vers fehlt bei einigen wichtigen alten Textzeugen.]

12:48   Dem, der ihm das gesagt hatte, erwiderte er: Wer ist meine Mutter,
und wer sind meine Brueder?

12:49   Und er streckte die Hand ueber seine Juenger aus und sagte: Das hier
sind meine Mutter und meine Brueder.

12:50   Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfuellt, der ist fuer
mich Bruder und Schwester und Mutter.